Weihnachten:Wunsch und Wirklichkeit

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Sparen zum Christfest? Deutschlands Spielwarenhändler glauben nicht daran und rechnen mit Weihnachtsgeschenken im Wert von 306 Euro - pro Kind.

Martin Zips

Mit Adventskalendern kennt sich Genia Leipe aus. Beim Gilchinger Korsch-Verlag behält sie den Überblick über 400 nostalgische Kalendermotive, von denen sie Jahr für Jahr andere in den Handel bringt. Damit die Kinder nicht jedes Jahr das Gleiche hinter ihrem Türchen entdecken.

Die Spielwarenhändler sind optimistisch: Zu Weihnachten geben Deutschlands Eltern 306 Euro aus - pro Kind. (Foto: Foto: istock)

Doch in Leipes Kalendern finden sich weder Gummibärchen noch Spielzeug. Frau Leipe betreut schlichte Drei-Euro-Adventskalender mit simplen Zeichnungen. Im Jahr 2008 sei die Nachfrage nach diesen Kalendern riesig, so Leipe. Trotz der gewaltigen Kalender-Konkurrenz, die mit einem bombastischen 24-Türchen-Countdown - jeden Tag ein Überraschungsei oder ein Plastikauto - die Bescherung vorwegnehmen möchte. Ist die Rückkehr zur Einfachheit also ein Trend im Advent?

Der Sachse gibt am meisten aus

Das Hamburger Trendbüro - beliebter Ansprechpartner in diesen Fragen - beobachtet derzeit "ganz verstärkt den Rückzug ins Private, die Stärkung der emotionalen Tugenden und des menschlichen Nests. Gerade in Zeiten finanzieller Unsicherheit besinne man sich deutlich mehr auf die Familie, nehme Abstand vom rein Materiellen.

Nicht ganz dieser Meinung scheint der Online-Spielwarenhändler MyToys zu sein. Die von ihm Jahr für Jahr in Auftrag gegebene Zufallsbefragung (diesmal unter 1021 Müttern) will 2008 einen durchschnittlichen Beschenkungsetat von satten 306 Euro pro Kind und Elternpaar recherchiert haben - 22 Euro weniger als 2007. Dabei könnte es sich freilich auch nur um übertriebenes kaufmännisches Wunschdenken handeln. "Wir zählen Kleidungsstücke als Geschenke mit", erklärt MyToys-Sprecherin Claudia Kepp. "Und schon ein Paar Schuhe ist ja teuer."

Der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels wiederum beruft sich auf eine Studie, nach der jedes deutsche Kind mit Geld- und Sachspenden im Wert von 240 Euro zu rechnen hat. Auch die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young haben Weihnachten schon mal durchgerechnet: Sie kommen auf 221 Euro pro Geschenk und Nase. Zwar unterscheiden sie dabei nicht Kinder und Erwachsene, dafür aber Bundesländer. Mit geschätzten 256 Euro Ausgaben für Weihnachtsgeschenke führen die Sachsen dabei vor den Brandenburgern (253 Euro) und den Bayern (240 Euro). Am sparsamsten sind die Baden-Württemberger (188 Euro).

Bei den Kindern stehen, so kann man die Erklärungen des Hamburger Trendbüros deuten, zwei Wünsche oben auf der Liste:

1. mehr Zeit mit den Eltern;

2. wenn die Eltern mal wieder keine Zeit haben: elektronische Nestwärme-Alternativen. Spielkonsolen und Software machen nach Angaben der Spielwaren-Industrie in Deutschland bereits 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Videospiele legten im vergangenen Jahr um 20 Prozent zu.

"Sozialisierung findet zunehmend online statt - gerade weil viele Kinder ohne Geschwister aufwachsen, so die Hamburger Trendforscherin Karen Meyer-Vokrap. Zugleich - und das sei neu - gebe es eine große Sehnsucht "nach zwischenmenschlichen Verbindlichkeiten und alten Werten". So könne etwa ein einfacher Adventskalender mit nostalgischen Engelmotiven "die Sehnsucht nach einer heilen Welt mit traditionellen Strukturen" widerspiegeln. Der Deutsche im Jahr 2008 sei nämlich vor allem eines: "emotional unterfordert und rational überfordert."

Ganzkörperskulptur aus Lego

In dieser Hinsicht hilft ihm auch der Weihnachtskatalog der amerikanischen Nobelhauskette Neiman Marcus - für Menschen, die sonst schon alles haben - nicht weiter. Dort kann man dem Nachwuchs zwar noch rasch eine Elektrogitarre für 22.750 Dollar bestellen, ein Designer-Motorrad für 110.000 Dollar oder die wichtigsten Hitparaden-Songs von 1955 bis 1990 auf Original-VinylSingles (nur 275.000 Dollar). Originell wäre auch eine lebensgroße Ganzkörperskulptur aus Legosteinen für 60.000 Dollar. Doch eine Garantie für ein glückliches Leben ist auch das nicht.

© SZ vom 03.12.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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