Wefox:Blicke nach New York

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Alles digital: Anleger haben große Erwartungen an den Versicherer Lemonade. Können sie für Wefox dieselbe Begeisterung entwickeln? (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Die schweizerisch-deutsche Versicherungsfirma Wefox will an die Börse. Vorbild ist Lemonade in den USA.

Von Herbert Fromme, Köln

Der US-Versicherer Lemonade ist noch klein. Er kam im ersten Halbjahr 2020 gerade mal auf 56 Millionen Dollar (46 Millionen Euro) Umsatz. Im selben Zeitraum machte er einen Verlust von 58 Millionen Dollar. Aber Lemonade wächst stark und ist voll digital - und entzündet damit die Fantasie von Investoren.

Am 2. Juli 2020 ging das Unternehmen an die Börse, die Papiere kosteten 29 Dollar. Jetzt werden sie für 151 Dollar gehandelt. Heute ist die kleine Firma an der Börse satte neun Milliarden Dollar wert. Zum Vergleich: Die Allianz kommt auf einen Umsatz von 142 Milliarden Euro im Jahr. Und sie ist profitabel. Aber der Versicherungsriese ist mit 80 Milliarden Euro (97 Milliarden Dollar) Börsenwert nur elfmal so teuer wie das New Yorker Start-up.

Anleger haben große Erwartungen an die Zukunft des voll digitalen Versicherers, deshalb der Höhenflug. Lemonade ist das Vorbild von Julian Teicke, Chef des schweizerisch-deutschen Versicherungsunternehmens Wefox. Denn auch Teicke spielt mit dem Gedanken an einen Börsengang.

2019 machte er Schlagzeilen, weil prominente Investoren ihm 235 Millionen Dollar anvertrauten. Dazu gehörten der Staatsfonds von Abu Dhabi und Samsung. Aktuell ist Teicke wieder in Investorengesprächen. 100 Millionen Euro hat er schon Ende 2020 erhalten, weitere 100 bis 150 Millionen Euro sollen in den kommenden Wochen folgen. Die 200 bis 250 Millionen Euro will Teicke dann in der Öffentlichkeit als dritte Finanzierungsrunde oder C-Runde verkaufen. Nach der C-Runde folgt bei Start-ups fast immer der Börsengang. Vielleicht traut sich Teicke schon 2022 auf das Parkett. Wenn er das tut, dann wohl nur, wenn Wefox schon bei der Aktienausgabe im Milliardenbereich bewertet wird.

Die Firma hat 2020 rund 100 Millionen Euro Umsatz gemacht, 2021 sollen es 300 Millionen Euro werden. Für 2022 peilt Teicke 1,4 Milliarden Euro an. Möglicherweise gibt es 2021 auch den ersten Gewinn. Dabei soll ein neuer Markenauftritt helfen, der für März 2021 angedacht ist. Aus den Marken Wefox (Maklerportal und Vertrieb), One (eigener Versicherer) und Koble (Software und Design für Versicherer) will Teicke dann die einheitliche Marke Wefox machen.

Die große Frage ist: Können Anleger für Wefox die selbe Begeisterung entwickeln wie für Lemonade? Das ist zweifelhaft. Denn im Kern ist das Unternehmen eine Plattform für kleinere Versicherungsmakler, kein digitaler Versicherer. Wefox verkauft vor allem für andere Gesellschaften. Die Versicherungstochter One in Liechtenstein arbeitet zwar digital, kann diesen Mangel aber nicht wettmachen. Wefox ist in erster Linie Vermittler - und damit wohl deutlich weniger interessant als sein Vorbild.

© SZ vom 27.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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