Wall Street:"Wie eine zu Ende gehende Party mit einsetzendem Kater"

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Für die US-Investmentbanker lief es im vergangenen Jahr nicht gut. Gar nicht gut. (Foto: AP)

Die Wall Street hat 2022 das schlimmste Investmentbanking-Jahr seit 2016 erlebt. Besonders hart trifft es die "Dealmaker" - und ihre Boni.

Steigende Zinsen und eine düstere Wirtschaftslage haben den weltweit größten Investmentbanken in Bezug auf Transaktionen und Mittelbeschaffung ihr schlechtestes Jahr seit 2016 beschert. Die 100 ertragsstärksten Banken erwirtschafteten im Jahr 2022 mit Fusionen und Übernahmen sowie der Emission von Aktien und Schuldverschreibungen 77,1 Milliarden Dollar (umgerechnet 73,4 Milliarden Euro), was einem Rückgang von 38 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das zeigt eine Erhebung von BCG Expand Research in London, einem Analystenbüro der Boston Consulting Group. Der Wert der weltweiten Fusionen und Übernahmen ist laut von Bloomberg zusammengestellten Daten im vergangenen Jahr um ein Drittel auf 3,6 Billionen Dollar gesunken.

"Bei der derzeitigen Inflation wird das Hochzinsumfeld nicht von heute auf morgen verschwinden, und auch dieses Jahr dürfte schwierig werden", sagte Jordan Galhardo-Burnett von Expand Research. Die Banken könnten sich auf andere Bereiche wie den Handel mit Anleihen und Rohstoffen konzentrieren, die im Jahr 2022 gut gelaufen seien, führte er aus.

Zu den von BCG erfassten Unternehmen gehören Goldman Sachs, Citigroup, JPMorgan Chase & Co. und Morgan Stanley. Goldman Sachs arbeitete 2022 an Transaktionen im Wert von 982 Milliarden Dollar, der höchste Betrag unter allen von Bloomberg erfassten Banken. Das war dennoch etwa ein Viertel weniger als das Gesamtvolumen der US-Bank im Jahr 2021. An zweiter Stelle lag JPMorgan mit 733 Milliarden Dollar an Transaktionswerten, was einem Rückgang von mehr als einem Drittel gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Für die "Dealmaker" dürfte es dieses Mal keine fetten Boni geben

Die US-Banken, die diese Woche ihre Ergebnisse für das vierte Quartal vorlegen werden, haben bereits signalisiert, dass sich die schwierigen Bedingungen auf ihre Zahlen auswirken. Die Erträge von Goldman Sachs im Investmentbanking gingen im dritten Quartal um 57 Prozent zurück und damit stärker als von Analysten erwartet. Die Einnahmen aus dem Aktien- und Anleiheemissionsgeschäft brachen ebenso ein wie die Gebühren für die Fusionsberatung. Bei der Citigroup stürzten die Einnahmen aus dem Investmentbanking im dritten Quartal um 64Prozent ab, während JPMorgan einen Rückgang von 47 Prozent verzeichnete.

Das alles führt zu einer düsteren Bonussaison für sogenannte "Dealmaker", jene Banker, die bei Fusionen und Übernahmen beraten, werden wahrscheinlich einen Rückgang ihrer Boni um bis zu 20 Prozent hinnehmen müssen, schätzte die Beratungsgesellschaft Johnson Associates im vergangenen Jahr. Ihre Kollegen in der Emissionsabteilung werden wahrscheinlich die größten Einbußen hinnehmen müssen, da die Bonuszahlungen um bis zu 45 Prozent sinken werden, so der Vergütungsberater. Den Bloomberg-Daten zufolge haben die Unternehmen im Jahr 2022 rund 204 Milliarden Dollar durch Börsengänge eingenommen. Das sind mehr als zwei Drittel weniger als im Jahr 2021.

Das vergangene Jahr war für das Investmentbanking "wie eine zu Ende gehende Party mit einsetzendem Kater", als die Regierungen ihre Unterstützung für die Pandemiebekämpfung einstellten und Russland in die Ukraine einmarschierte, so Julian Morse, Chef des Brokers Cenkos Securities. Er glaubt jedoch, dass weitere schlechte Nachrichten über Krieg und Wirtschaft bereits eingepreist seien, sodass mögliche positive Überraschungen das Vertrauen im Markt wiederherstellen könnten. Einige Unternehmen dürften zudem in der Lage sein, den Ertragsrückgang durch eine stärkere Performance in Bereichen wie etwa dem Staatsanleihehandel auszugleichen, so Eric Li, Leiter des globalen Banking-Research bei Coalition Greenwich.

Die Banken gingen davon aus, dass sich das Investmentbanking ab Mitte 2023 wieder erholen wird, so Li. Entlassungen dürften weniger ausgeprägt sein als in der Finanzkrise. Zudem sei der Arbeitsmarkt angespannt. "Aber es wird einen Stellenabbau geben und nicht jeder Arbeitsplatz wird sicher sein", sagte Li.

© SZ vom 10.01.2023 / Bloomberg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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