VW will Zahl der Beschäftigten in Osnabrück verdoppeln:Das Erbe von Karmann

Lesezeit: 3 min

Zwei Jahre nach der Pleite des Autozulieferers rollen in Osnabrück wieder Golf-Cabrios vom Band - gebaut von Volkswagen

Kristina Läsker

Wolfsburg - Hubert Waltl erlaubt sich nicht viel Firlefanz. Weiße Schrankwände geben dem Büro des Produktionschefs der Marke VW etwas Sachliches. Stünden da nicht diese silbernen Modellautos im Regal, jedes so groß wie ein Schuh. Gerne stellt Waltl, 52, sein jüngstes Spielzeug mitten auf den Besprechungstisch: Es ist ein silberner Karmann Ghia. Also der legendäre Sportwagen, den die Firma Karmann einst auf der Basis des VW-Käfers baute. Ein Auto mit Kultcharakter. "Den haben mir die Mitarbeiter geschenkt", sagt Waltl, und er ist stolz darauf.

Denn Waltl ist nicht nur im Vorstand der Marke VW mit Sitz in Wolfsburg, er steuert auch die Geschicke der Volkswagen Osnabrück GmbH. Waltl ist damit so etwas wie der Erbe von Karmann. Im April 2009, mitten in der Autokrise, musste der Zulieferer Insolvenz anmelden. Im Sommer begann VW dann zu verhandeln, mehrfach reiste Karmanns Insolvenzverwalter Ottmar Hermann persönlich zu den Automanagern nach Wolfsburg. Im folgenden November griff Europas größter Autokonzern zu und übernahm Teile der traditionsreichen Familienfirma. Dazu gehörten Maschinen, Anlagen und Grundstücke, aber keine Mitarbeiter. Doch VW gab damals das Versprechen ab, neue Stellen zu schaffen.

Im Eiltempo hat der Autokonzern - der in seinen deutschen Werken unter der hohen Auslastung ächzt - seither die Anlagen von Karmann auf eigene Standards umgerüstet und die Maschinen wieder hoch gefahren. Der neue alte Standort Osnabrück sei wieder komplett funktionsfähig, meint Waltl. "Ich habe noch nie erlebt, dass wir so etwas in so kurzer Zeit zum Laufen gebracht haben."

Das erste Auto ist - als Vorserienmodell - erst kürzlich vom Band gelaufen. Der Wagen knüpft an die gemeinsame Geschichte der beiden Autounternehmen an. Es ist der großteils in Osnabrück entwickelte neue Golf Cabrio, den Volkswagen beim Genfer Autosalon vorstellen wird. Ein flotter Viersitzer mit Stoffverdeck. Als Cabriolet gab es in den 50er Jahren bereits den Karmann Ghia, ebenso wie den Käfer und den Golf. Die Karmänner waren damals auf kleine Stückzahlen spezialisiert, und das soll so bleiben, verspricht Waltl. "Volkswagen Osnabrück ist für Kleinserienfahrzeuge ausgelegt."

Den Golf will VW von April an in Serie produzieren. Die geplanten Stückzahlen hält der Konzern geheim. Maximal könnte VW in Osnabrück etwa 100000 Autos pro Jahr bauen. Doch im Werk soll nicht nur der Golf produziert werden, es ist auch der Bau von zwei Modellen von VWs Konzerntochter Porsche geplant. Mittelfristig sollen in Osnabrück die Sportwagen Boxster und Cayman vom Band rollen und zwar immer dann, wenn an Porsches Hauptstandort Zuffenhausen die Kapazitäten zu knapp werden.

Mit den drei Modellen will Volkswagen die versprochenen Arbeitsplätze sichern. Etwa 900 Menschen arbeiten für die Volkswagen Osnabrück GmbH bereits. Fast alle sind ehemalige Karmänner, erzählt Waltl. "Das sind Topleute." Bis Ende 2012 will Volkswagen die Zahl der Beschäftigten auf 1800 verdoppeln. In Osnabrück dürfte dieses Versprechen neue Hoffnung geben, war es doch zuletzt mit Karmann stetig bergab gegangen. Noch im Jahr 2005 waren bei dem Zulieferer etwa 10000 Menschen angestellt. Es folgten viele Fehler der drei Eignerfamilien und der Manager sowie die bisher größte Krise der Autoindustrie - kurz vor der Insolvenz war nur noch jeder fünfte Job bei Karmann übrig.

Volkswagen hat vor allem den Beschäftigten von zwei der ehemaligen vier Karmann-Sparten einen Arbeitsplatz angeboten: den Ingenieuren aus der Technischen Entwicklung und den Facharbeitern aus der Metallgruppe, zu der Presswerke, Werkzeugbau und Lackiererei gehören. Ohne Zugeständnisse ist das nicht abgelaufen: Volkswagen bezahlt den Angestellten in Osnabrück weniger als an anderen deutschen Standorten. So war es mit der IG Metall bei der Übernahme von Volkswagen im November 2009 vereinbart worden. Die Mitarbeiter verzichten auf fünf Prozent des üblichen Tariflohns sowie auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Im Gegenzug erhielten sie eine Beschäftigungsgarantie bis 2014. Trotz dieser finanziellen Einbußen herrsche Aufbruchstimmung, sagt Waltl: "Die Leute sind hoch motiviert, sie hatten ja bereits die Kündigung vor Augen und nun wieder eine Perspektive."

Nicht alle Karmänner konnten auf VW setzen: Der ehemalige Fahrzeugbau war mit der Insolvenz im April 2009 eingestellt worden, und Karmanns Dachsparte mit den noch 350 Beschäftigen wollte VW gar nicht erst haben. Sie wurde schließlich vom finnischen Hersteller Valmet übernommen. Eine Kooperation zwischen den einst gemeinsamen Sparten will Waltl nicht ausschließen. "Es wird aber kein Automatismus sein, bloß, weil die Firmen Zaun an Zaun sind."

Insgesamt werde Volkswagen bis Ende des Jahres gut 300 Millionen Euro in das Karmann-Erbe stecken, so Waltl. Einiges Geld könnte noch in die Markenrechte von Karmann fließen. Noch hat Insolvenzverwalter Ottmar Hermann die Traditionsmarke und die Rechte daran nicht verkauft. Ein erster Vertrag mit Volkswagen sei längst fertig, doch über Details werde noch heftig gestritten, heißt es. Doch die Markenrechte werden spätestens dann wichtig, wenn VW an die Historie anknüpfen will. So mancher Autofan dürfte von einem neu aufgelegten Karmann Ghia träumen. Oder von einer Sonderedition wie einem neuen Golf-Cabrio-Karmann.

© SZ vom 28.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: