VW-Party  in Hannover:Mein Werk, mein Stolz

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Das Werk in Hannover, in dem Nutzfahrzeuge wie der VW-Bus gefertigt werden, besteht jetzt seit 60 Jahren, deshalb gibt es also diese Party. (Foto: Holger Hollemann/dpa)

Mitten in der schlimmsten Krise der Konzerngeschichte versucht sich Volkswagen an einer Party. Im Werk Hannover gibt es Stephan Weil, Musik und Currywurst.

Von Angelika Slavik

Familienfeiern zeichnen sich, in den besseren Fällen, durch allerlei offensichtliche und versteckte Komik aus. Das macht ihren Reiz aus, und deshalb weckt es hohe Erwartungen, wenn ausgerechnet der VW-Konzern zu einer Veranstaltung lädt, die er "Familienfest" nennt.

Das Unternehmen steckt in seiner schlimmsten Krise, die wirtschaftlichen Folgen der Abgasaffäre sind immer noch unabsehbar, die Reputation des Konzerns ist am Tiefpunkt. Aber das Werk in Hannover, in dem Nutzfahrzeuge wie der VW-Bus gefertigt werden, besteht jetzt seit 60 Jahren, deshalb gibt es also diese Party: 35 000 Menschen sollen kommen, hauptsächlich aktuelle und frühere Mitarbeiter und ihre Familien.

Tatsächlich bietet VW einiges auf, um die Stimmung anzukurbeln: Es gibt viele alte Autos zu sehen und eine Hüpfburg. Und, natürlich, Essen: Currywurst und Bratwurst und Burger. Auf der Hauptbühne spielt die Werksband Multiton, zehn Menschen in weißen Hemden und blauen Jeans. Sie tragen ein offenbar extra komponiertes Lied vor: "Du bist mein Werk / mein Stolz / ob Bulli, Crafter, Caddy oder Amarok / Mensch, darauf hab ich Bock!" Man dachte eigentlich, dass Autohersteller die Sache mit den Konzernsongs aufgegeben hätten, seit Konkurrent BMW mal versucht hat, mit einem "Praktikums-Rap" junge Arbeitskräfte zu gewinnen. Aber Multiton gibt sich unerschrocken: "Du hast die Sechzig auf der Uhr / aber von Rente keine Spur!" Gut, ein bisschen Reim schadet nie, nicht wahr?

Der Mensch am Computer hat einfach die richtige Antwort für Stephan Weil eingegeben

Irgendwann kommt Stephan Weil vorbei, der Ministerpräsident von Niedersachsen und Aufsichtsrat bei VW. Er tätschelt einen knallblauen Amarok und feixt, der Pick-up sei "definitiv nicht als Dienstwagen geeignet". Dann sagt er, dass VW derzeit "ausgesprochen schwere Zeiten" erlebe, aber eben auch "eine ausgesprochen stolze und erfolgreiche Unternehmensgeschichte" habe, und die könne man ja auch mal zelebrieren.

Später kommt er bei der IG Metall vorbei, die auch einen Stand bei der VW-Party hat. Er soll dort ein "Mitbestimmungsquiz" spielen. Frage: Wie viele Tarifverträge gelten für die VW AG? Weil guckt ein wenig zögernd auf die vier Antwortmöglichkeiten: "Ich sag' mal sechs", murmelt er. Es sind zwölf, aber auf dem Bildschirm erscheint dennoch ein großes "Richtig". Der Mensch, der den Computer bedient, hat einfach die richtige Antwort für ihn eingegeben. Das ist Hannover, hier kennt man sich. Auch bei der Frage nach dem Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung von Speiseplänen sieht Weil nicht gut aus, egal. Ein Erinnerungsfoto.

Die Frau vom Betriebsrat schubst den Ministerpräsidenten Richtung IG-Metall-Logo. "Stephan, wir müssen dich ein bisschen dirigieren", sagt sie. Weil lächelt.

Es gibt jetzt einen Imagefilm zu sehen in einem improvisierten Kino, mit Popcorn, versteht sich. Später steht Weil auf der Bühne und erzählt den "Nutzis", wie sie sich hier nennen, von einem Griechenland-Urlaub mit einem Bulli. Und er sagt, dass das hier ein "tolles Unternehmen" und ein "toller Standort" sei. Und dass er jetzt noch eine Currywurst essen müsse, "die berühmte VW-Currywurst". Mit der ist ja auch wirklich alles in allerbester Ordnung.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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