Vorwürfe sexueller Belästigung:American Apparel schmeißt seinen Chef raus

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Selbst inszeniert sich American Apparel gerne als Vorzeige-Unternehmen mit fairen Produktionsbedingungen, der Chef des Kleidungshersteller will allerdings so gar nicht in dieses Bild passen: Dov Charney wird seit Jahren der sexuellen Belästigung beschuldigt - jetzt zieht der Vorstand Konsequenzen.

Wer bei American Apparel kauft, entscheidet sich für die Guten: Wer hier sein Geld für Shirts und Pullover ausgibt, muss kein schlechtes Gewissen haben, will das US-Unternehmen seiner Kundschaft mit dem omnipräsenten Werbeslogan "Sweatshop-free" vermitteln.

American Apparel inszeniert sich gerne als Vorzeige-Unternehmen, die gesamte Kleidung wird direkt in Nordamerika gefertigt, die Näher bekommen 50 Prozent mehr als bei der Konkurrenz - zumindest behauptet das Textilunternehmen das auf seiner Webseite. Nicht erst seit den Fabrikeinstürzen in Bangladesch, sondern schon vor Jahren hat American Apparel erkannt, dass ein soziales Image in der Textilbranche durchaus helfen kann.

Doch einer will so gar nicht in dieses Bild passen, das American Apparel für seine Käufer zeichnet. Es ist ausgerechnet der oberste Mann der Firma. Der Mann, der die Marke American Apparel erschaffen hat: Dov Charney. Der Vorstand hat am Mittwoch dafür gestimmt, den 45-Jährigen rauszuwerfen. In schöneren Worten, laut offizieller Mitteilung: Der Vorstand habe beschlossen, ihn als Vorsitzenden zu ersetzen und ihn über die Absicht informiert, seine Zeit als Präsident und CEO der Firma zu beenden. Die Suspendierung kann demnach erst nach einer vertraglichen Frist von 30 Tagen offiziell in Kraft treten.

Vorübergehender Nachfolger soll der bisherige Finanzchef John Luttrell werden. Der Vorstand begründete seine Entscheidung, die eine Zäsur in der Unternehmensgeschichte darstellt, mit einer laufenden Ermittlung gegen Charney wegen "mutmaßlichen Fehlverhaltens". Der offiziellen Stellungnahme zufolge sagte Vorstandsmitglied Allan Mayer: "Das ist nicht leicht, aber wir glauben, dass es das Richtige ist".

Seit mehreren Jahren gibt es immer wieder Anschuldigungen gegen den Apparel-Chef, dass er seine Mitarbeiterinnen sexuell bedränge. Unter anderem verklagte ihn eine ehemalige Angestellte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, weil er sie mehrere Monate als Sex-Sklavin gehalten haben soll.

Jetzt fällt der Umbruch bei dem Textilkonzern in eine Zeit, in der es der Firma alles andere als gut geht. Im vergangenen Jahr machte American Apparel einen Netto-Verlust von etwa 122,1 Millionen US-Dollar, im Vorjahr schrieb der Kleidungshersteller ebenfalls rote Zahlen, damals waren es noch 37, 2 Millionen US-Dollar. Die Aktien des Konzerns sind heute nicht einmal mehr einen US-Dollar wert. Zum Vergleich: Vor sieben Jahren waren es noch ganze 15 US-Dollar.

Zur Entscheidung des Vorstands wollte sich Charney bisher nicht öffentlich äußern. Nach Informationen der Los Angeles Times war er allerdings "total überrascht".

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