Volkswagen:Gefangen in der Wolfsburg

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Der Einfluss der Politik auf die Unternehmen ist ein beliebtes Wahlkampfthema. Dabei lehrt der Fall VW: Die Politik sollte sich aus den Konzernen zurückziehen - nur dann arbeiten sie profitabel.

Karl-Heinz Büschemann

Bei Volkswagen tobt ein Kulturkampf. Gewerkschaften und das Land Niedersachsen, das 20 Prozent der VW-Aktien hält, kämpfen erbittert gegen den Stuttgarter Autohersteller Porsche, der den Wolfsburger Autohersteller übernehmen und den Einfluss von Politik und Gewerkschaften auf den Konzern zurückdrängen will. Am Donnerstag wurde der Streit auf die offene Bühne der Hauptversammlung verlagert.

Staat entscheidet mit: Bei VW hat das Land Niedersachsen eine wichtige Position im Aufsichtsrat. (Foto: Foto: dpa)

Auf dem Aktionärstreffen standen sich die Parteien unversöhnlich gegenüber. Der Kampf wird sich noch Monate hinziehen. Im September wird sich sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Konflikt einschalten. Auf einer Betriebsversammlung in Wolfsburg wird sie wohl unter tosendem Beifall erklären, dass auch sie ein neues Gesetz will, das den Einfluss von Niedersachsen im größten europäischen Autokonzern zementiert.

Trotz Einflussnahme immer wieder Krisen

Der Einfluss der Politiker auf Unternehmen ist zum Wahlkampfthema geworden. Mit ihrer Hilfe, so die Botschaft, ließen sich Arbeitsplätze sichern und Unglücksfälle vermeiden, in denen - wie bei Nokia in Bochum - eine Fabrik einfach dichtgemacht wird. Immer neue Phantasien geistern durch die Medien, wo der Staat noch segensreich in Unternehmen eingreifen könnte. Zum Beispiel wünschen sich offenbar Wirtschaftspolitiker, dass die Deutsche Bahn die TUI und damit die Reederei Hapag-Lloyd übernimmt. Die traditionsreiche Schifffahrtsgesellschaft müsse in deutscher Hand bleiben.

Gerade entsteht in Berlin sogar ein Gesetz, das den Einfluss ausländischer Investoren auf deutsche Firmen beschränken soll. Das gilt besonders für Fonds, die ausländischen Regierungen gehören. Deutsche Politiker machen einen feinen Unterschied. Der eigene Staat als Unternehmer geht in Ordnung, fremde dagegen sind von Übel.

VW war über Jahrzehnte ein Konzern, in dem die Sicherung der Arbeitsplätze im Vordergrund stand. Das sieht aus wie ein Vorteil für die Mitarbeiter. Doch das gilt nur für den ersten Blick. Diese Kultur, die sich aus der Stärke der IG Metall und aus dem Einfluss des Landes Niedersachsen ergibt, hat die Arbeitsplätze bei VW keineswegs sicher gemacht. Auch in Wolfsburg gab es trotz politischer Rücksichtnahmen immer wieder Krisen und Entlassungen.

Markt wird unheimlich

Noch vor einigen Jahren hatte der Staat einen weit schlechteren Ruf. Er galt als Störenfried und sollte sich aus der Wirtschaft zurückziehen. Die Bundesregierung brachte die Lufthansa an die Börse, die Telekom oder die Post. Noch immer will Berlin die Deutsche Bahn privatisieren. Doch der Schwung lässt nach. Der freie Markt wird vielen unheimlich. Sie sagen, er bedrohe Arbeitsplätze und stelle Profitinteressen der Aktionäre über die Bedürfnisse von Mitarbeitern und Kunden.

Es mag Fälle geben, wo der Rückzug des Staates aus einem Unternehmen nicht die richtige Lösung wäre. Aber meist hat die Politik keinen segensreichen Einfluss auf die Wirtschaft. Gerade VW zeigt, dass die Dominanz der gemeinsamen Kraft von Politik und Gewerkschaften Nachteile haben kann. Dass der große VW-Konzern von dem Winzling Porsche so billig gekauft werden kann, der jetzt bei der VW-Belegschaft Angst und Schrecken verbreitet, ist die Folge der unguten Koalition aus Politik und IG Metall bei VW. Die sorgte lange dafür, dass die Rentabilität von VW weit niedriger war als bei der Konkurrenz.

Kooperationsmodell ohne Zukunft

Die Folge war ein niedriger Aktienkurs, der VW zur leichten Beute für Aufkäufer machte. Es mag für die VW-Beschäftigten eine Demütigung sein, dass sich Porsche an VW vergreift. Aber die besorgten Mitarbeiter können froh sein, dass nicht ein amerikanischer Finanzinvestor in Wolfsburg zugriff. Was eine sogenannte Heuschrecke unter der VW-Belegschaft angerichtet hätte, mag sich niemand vorstellen.

Das sollten Politiker im Auge haben, die sich wieder verstärkt für die wahren Anwälte der Arbeitnehmer halten. Es mag für sie schwer einzusehen sein, dass das Wolfsburger Kooperationsmodell keine Zukunft hat und politischer Einfluss auf Unternehmen schädlich ist. Aber die Fakten sprechen gegen sie.

© SZ vom 25.4.2008/jkf/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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