Volkswagen:Ein Konzern, der allen gehört

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Bei Volkswagen gelten andere Gesetze als in normalen Unternehmen - das hat sich gerächt.

Karl-Heinz Büschemann

Der Name Volkswagen steht für solide Autos, für Tradition - und für Politik. Das Volkswagenwerk war eine Erfindung Adolf Hitlers, der in den dreißiger Jahren das deutsche Volk auf zivile Weise mobil machen wollte. Nach dem Krieg stand Volkswagen fürs Wirtschaftswunder und den wachsenden Wohlstand der Bürger. Dazu passte, dass das Wolfsburger Werk lange dem Staat gehörte. Der hat VW erst Anfang der sechziger Jahre privatisiert, dennoch blieb Volkswagen ein politisches Unternehmen.

Das lag nicht nur daran, dass auch nach dem Ausstieg des Bundes das Land Niedersachsen im Aktionärskreis blieb. Noch heute ist das Bundesland mit 20 Prozent an VW beteiligt. Ein weiterer Grund ist, dass die IG Metall bei VW so stark ist wie in keinem anderen Unternehmen. Wer bei VW einen Arbeitsplatz antritt, bekommt schon von der Personalabteilung das Aufnahmeformular für die Gewerkschaft ausgehändigt.

In keinem deutschen Unternehmen ist die Belegschaft so stark wie in dem Unternehmen am Mittellandkanal in Wolfsburg. Die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat und die beiden Abgesandten von Niedersachsen, das in erster Linie die Arbeitsplätze im Auge hat, hatten im VW-Kontrollgremium gemeinsam immer die Mehrheit. Nach der Meinung der IG Metall soll das auch so bleiben, wenn jetzt Porsche die Mehrheit in Wolfsburg übernimmt. Bei VW, sagt der heutige Gewerkschaftsvorsitzende Berthold Huber, sei die nachhaltige Beschäftigung stets ebenso wichtig gewesen wie eine gute Rendite. "Jedem, der Anteile an diesem Unternehmen erwirbt, muss bewusst sein, er übernimmt auch eine historische Verantwortung, die in einer erweiterten Mitbestimmung und im VW-Gesetz ihren Niederschlag findet."

Es läuft nicht mehr

Das besonders enge Verhältnis von Arbeitnehmern, Politikern und Management hat das Unternehmen nicht vor Krisen bewahrt. Als Ende der sechziger Jahre der legendäre Käfer aus der Mode kam, hatte VW zunächst keinen Nachfolger für den Dauerbrenner mit luftgekühltem Heckmotor. Die Wende brachte erst 1974 der in Italien entworfene Golf.

Anfang der neunziger Jahre steckte VW wieder in einer Krise. Die Produktion war zu teuer. Ferdinand Piëch, ein Enkel des Käfer-Entwicklers Ferdinand Porsche, wurde 1993 Chef von Volkswagen und musste sogleich die Kosten drücken. Er machte es auf Wolfsburger Weise und schonte die Arbeitsplätze. Unter anderem drückte er die Kosten, indem er den als Kostenkiller bei General Motors bekannten spanischen Einkaufsmanager Ignacio Lopez nach Wolfsburg holte. Die Folge dieser Sparmaßnahmen aber waren rufschädigende Qualitätsmängel. Immerhin brachte Piech den Konzern wieder auf Erfolgskurs. VW etablierte sich als größter Autohersteller Europas. Die Töchter Audi und Skoda entwickelten sich unter der Regie von Technik-Fan Piëch zum Schrecken der Konkurrenz und zu Gewinnbringern.

In dieser Zeit kamen sich aber auch Management und Betriebsrat der Muttergesellschaft besonders nahe. Gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung führte der frisch engagierte Personalchef Peter Hartz 1994 die Viertagewoche bei VW ein. So wurde die geringer werdende Arbeit gleichmäßig auf die Belegschaft verteilt. Damals galt das als Fortschritt. Doch als Hartz das Unternehmen 2005 im Unfrieden verlassen musste, lagen die Lohnkosten bei VW um 25 Prozent höher als bei der VW-Tochter Audi. Hartz, der für seine Kreativität bei der Erfindung von Arbeitszeitmodellen bekannt war, hatte sich selbst austricksen müssen. Um auch bei VW die Löhne senken zu können, erfand Hartz das Modell 5000 mal 5000. Fünftausend Arbeitslose sollten bei VW für damals 5000 DM im Monat in einer neuen Untergesellschaft ein neues Modell bauen. Für VW-Verhältnisse war das ein niedriges Einkommen.

Parallel zur Befriedung des Betriebsrates durch Hartz lief eine Luxusstrategie des Vorstandsvorsitzenden an. Der autobegeisterte Piëch kaufte nicht nur die prestigeträchtige, aber herunterwirtschaftete Automanufaktur Bugatti und entwickelte unter dieser Marke ein eine Million Euro teures Kraftpaket mit 1001PS. Die Betriebsräte hatten keine Einwände, dass die Polo-Käufer dieses Hobby des Chefs finanzierten.

Von den Arbeitnehmervertretern unbehelligt entwickelte Piëch auch ein VW-Luxusauto. Für das neu entwickelte Fahrzeug baute er eine eigene Fabrik in Dresden. Es erreichte nie rentable Stückzahlen. Bald nachdem Piëch den Chefstuhl in Wolfsburg an den ehemaligen BMW-Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder übergeben hatte, wurde deutlich, dass dieses besondere Modell der Mitbestimmung nicht recht funktionierte: Die Marke VW machte keinen Gewinn mehr.

Zufall oder nicht: Zur gleichen Zeit, im Jahr 2005, flog der Bestechungsskandal auf. VW hatte Betriebsräte geschmiert. Ex-Personalvorstand Peter Hartz bekam eine Bewährungsstrafe. Betriebsratschef Klaus Volkert wurde wegen Beihilfe und Anstiftung zur Untreue zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Das VW-System war diskreditiert. "Wahrscheinlich habe ich vielen geschadet", räumte Volkert ein. "Den Belegschaften. Der Gewerkschaft. Auch der Idee der Mitbestimmung."

Der Niedergang war auch am Börsenkurs abzulesen. 2005 lag der VW-Aktienkurs unter 40 Euro. Der gewaltige Konzern war nur noch zehn Milliarden Euro wert. Der Sportwagenhersteller Porsche nutzte die glückliche Stunde und begann, VW schrittweise aufzukaufen.

© SZ vom 11.03.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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