Volkswagen:Ankunft in der Wirklichkeit

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Die Investoren hatten offenbar gehofft, im Tarifstreit bei VW könnte die Rückkehr zur 35- Stunden-Woche gelingen. Das ist zwar nicht gelungen, dennoch ist die jetzige Einigung ein beachtlicher Erfolg.

Karl-Heinz Büschemann

Die Börse war mal wieder enttäuscht. Kaum war bekannt geworden, dass sich VW und die IG Metall nach Tarifgezerre darauf geeinigt hatten, in den deutschen Werken die Wochenarbeitszeit von 33 Stunden einzuführen, stürzte die Aktie ab. Die Investoren hatten offenbar gehofft, es könnte die Rückkehr zur 35- Stunden-Woche gelingen, die das Management gefordert hatte.

Die Enttäuschung ist übertrieben, denn dieser Kompromiss bringt dem Unternehmen klare Vorteile, während die Belegschaft deutliche Lasten tragen muss.

Kein Siegesgebrüll

Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass die verwöhnte VW-Belegschaft ihre Konzessionen auf einem Lohnniveau machte, von dem andere Metallarbeiter träumen. Dass sich die Verhandlungspartner äußerst zurückhaltend über das Ergebnis äußerten und sich jedes Siegesgebrülls enthielten, spricht dafür, dass beiden Seiten die Opfer der Gegenseite klar sind.

Das wichtigste Ergebnis ist, dass in den Fabriken von Volkswagen die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um 17 Prozent ausgeweitet wird, in der Verwaltung sogar um 25 Prozent. Damit ist die Vier-Tage-Woche beendet, für die VW vor einem Jahrzehnt gelobt wurde, die den Konzern zuletzt aber unter hohen Kostendruck der Konkurrenz geraten ließ.

Das bedeutet für die Beschäftigten eine drastische Senkung ihrer Stundenlöhne, und es mag manchen schmerzen, dass er bald für das gleiche Geld mehr arbeiten muss. Aber VW hat sich zu einer Reihe von Einmalzahlungen bereit erklärt, die den Schmerz dämpfen können.

Beachtlicher Erfolg

Der von politischen und gewerkschaftlichen Interessen stark geprägte Wolfsburger Konzern kommt langsam in der Wirklichkeit an. In einem Unternehmen, in dem die Gewerkschaften zeitweilig eine absurd starke Position hatten, in der die Betriebsräte das Unternehmen zu führen schienen, ist dieser Abschluss ein beachtlicher Erfolg.

Die Löhne in Wolfsburg liegen künftig auf dem Niveau von Audi in Ingolstadt, der erfolgreichsten VW-Tochter. Den Rest der Sanierungsarbeit muss nun das Management übernehmen und neue Automodelle für die Märkte von morgen entwickeln. Die Schuld für schlechte Zahlen allein bei den Arbeitnehmern zu suchen, ist dann nicht mehr möglich.

© SZ vom 30.09.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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