Volkswagen:Abbild der gesamten Republik

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VW-Vorstand Wolfgang Bernhard glaubt, dass der Konzern ebenso modernisiert werden muss wie das Land. Die Zeiten, in denen IG Metall und Politik das Sagen hatten, sind vorüber.

Karl-Heinz Büschemann

Der Kurssprung vom Freitag spricht Bände. Um mehr als acht Prozent schnellte die VW-Aktie zeitweise in die Höhe, nachdem der größte Autohersteller Europas am Freitag ein hartes Sanierungsprogramm angekündigt hatte.

Volkswagen-Auslieferungsturm in Wolfsburg. (Foto: Foto: dpa)

Bis zu 20.000 der 103.000 deutschen Arbeitsplätze sind in Gefahr. Schon einmal hatte es eine solche Kursreaktion gegeben. Am 6. Oktober 2004 hatte VW bekannt gegeben, dass Wolfgang Bernhard, der frühere DaimlerChrysler-Manager, die Führung der Marke VW übernehmen solle. Dem heute 46-Jährigen ging damals der Ruf des harten Sanierers voraus.

Kaum hatte der Kostenmanager vor einem Jahr begonnen, die VW-Werke unter die Lupe zu nehmen, die dem Konzern 2004 einen Verlust brachten, war dem stillen, aber harten Manager klar, dass er sich eine schwere Aufgabe aufgehalst hatte.

Modernisierungsdruck

"Volkswagen ist das Abbild dieser Republik", sagt er. Wie die Bundesrepublik umgekrempelt werden müsse, so müsse man auch VW modernisieren, um konkurrenzfähig zu werden.

Sein Ziel sei klar: "Wir können nicht einfach Jobs ins Ausland verlagern. Wir müssen in der Lage sein, Autos wie den Golf in Deutschland zu bauen." Er werde in dem Unternehmen "jeden Stein umdrehen", um Sparpotenziale zu finden, so Bernhard.

Bis 2008 müsse die Marke VW Kosten in Höhe von sieben Milliarden Euro sparen; der gesamte Konzern einschließlich der Töchter Seat, Skoda und Audi müsse bis dahin die Kosten um zehn Milliarden Euro reduzieren.

Schwer umzusetzen

Das ist schwer umzusetzen, denn kaum ein Unternehmen in Deutschland ist so schwierig zu führen wie VW. Nach dem Krieg gehörte die von den Nazis gegründete Firma erst dem Bund. Noch heute ist Niedersachsen mit 20 Prozent beteiligt. Die Gewerkschaften haben eine starke Stellung. Bei VW galt seit den Zeiten des Käfers, dass die Zahl der Arbeitsplätze möglichst hoch sein muss.

Die Vertreter von Landesregierung und Gewerkschaften im Aufsichtsrat stellten stets sicher, dass der Gewinn weniger wichtig war als die Zahl der Arbeitsplätze.

In den deutschen VW-Fabriken verdienen die Arbeiter dank der IG Metall pro Stunde deutlich mehr als andere Metallarbeiter. So aber litt die Wettbewerbsfähigkeit. Die Konkurrenten in Frankreich oder Asien werfen mehr Gewinn ab.

Das hatte Ferdinand Piëch ganz anders geplant. Der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche, der als genialer Autoingenieur gilt, übernahm die Führung in Wolfsburg im Jahr 1993. Damals stand Volkswagen am Rand der Pleite.

Begeisterung für den Autobau

Dass Piëch als Retter von VW gefeiert wurde, lag an seiner Begeisterung für den Autobau. Er sparte Kosten, in dem er den Konzernmarken Volkswagen, Audi, Skoda und Seat die gleiche Technik verordnete, so waren alle Autos ähnlich. Auch das Image aller Marken wurde aufpoliert, denn Piëch wollte mit besseren Autos höhere Preise erzielen, wenn er schon die Macht der Gewerkschaften nicht drosseln konnte.

Peter Hartz, sein Vertrauter und Personalchef, hielt die Gewerkschaften dadurch in Schach, dass es keine Entlassungen gab. Als die Nachfrage zurückging, erfand Hartz ein Modell zur Verringerung der Arbeitszeit. So blieben die Jobs erhalten, aber die Werke standen teilweise still. VW könnte sechs Millionen Autos pro Jahr bauen, verkauft aber nur fünf Millionen.

Bernd Pischetsrieder, dem ehemaligen BMW-Chef, fiel im April 2002 die Aufgabe zu, das System Piëch aufzubrechen, das nur noch wenig Gewinn abwarf. Er musste sich mit den Gewerkschaften anlegen.

Demontage durch Lustreisen

Dabei half, dass sich die Belegschaftsvertreter selbst demontierten, als im vergangenen Jahr ruchbar wurde, das Unternehmen habe den Betriebsräten Lustreisen bezahlt. Pischetsrieder, der für sein zögerliches Handeln berüchtigt ist, ging behutsam ans Werk. Nur langsam gelang es ihm in Wolfsburg, die Piëch-Vertrauten aus Schlüsselpositionen zu verdrängen.

Sein Meisterstück schaffte er, als er mit Wolfgang Bernhard einen Manager ins Unternehmen holte, der die Entscheidungsfähigkeit hat, welche ihm selber fehlt.

Seitdem herrscht bei VW Aufbruchstimmung. Nicht einmal von den Gewerkschaften ist laute Kritik an der neuen Strategie zu hören. Im vergangenen Herbst übernahm der Porsche-Konzern eine Beteiligung von 22 Prozent an VW; das verstärkt die Gewissheit, dass bei VW die Zeiten, in denen IG Metall und Politik das Sagen haben, vorüber sind.

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