Vodafone-Steuerpläne:"Völlige Perversion"

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Vodafone will gegenüber dem Finanzamt Buchverluste von 50 Milliarden Euro abschreiben. Das Vorhaben hat in allen Parteien für Unruhe gesorgt. In Reaktionen war von Dreistigkeit und "völliger Perversion" die Rede.

Von Nina Bovensiepen und Michael Kläsgen

Nach Auffassung der Bundesregierung erfordern die Vodafone-Pläne keine neuen Gesetzesinitiativen. Unter anderem könnten seit 2002 Teilwertabschreibungen nur noch begrenzt bei dauerhafter Wertminderung steuerlich geltend gemacht werden, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums am Montag in Berlin.

Zudem dürften Konzerne seit 2004 höchstens noch 60 Prozent des aktuellen Gewinns mit Verlusten verrechnen und so die Steuerlast mindern.

Ob Vodafone tatsächlich Abschreibungen in der Größenordnung von 50 Milliarden Euro geltend machen könne und auf Jahre keine Steuern mehr zahle, müssten allein die Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen prüfen.

Regierungssprecher Béla Anda sprach von einem "komplexen Sachverhalt". Den Verästelungen müsse nachgegangen werden. Für das Erscheinungsbild der Wirtschaft sei es aber in der Tat nicht hilfreich, wenn sich solche Entwicklungen bewahrheiten würden.

Keine weiteren Steuerausfälle erwartet

Weitere Steuerausfälle für den Fiskus durch solche Abschreibungen würden nicht erwartet, sagte der Ministeriumssprecher weiter. Die im Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen angenommenen Werte zu Verlustabschreibungen seien zwar Prognosen gewesen. "Wir gehen aber nicht von zusätzlichen Steuerverlusten aus." Dem Bund seien bisher keine anderen Unternehmen mit derartigen Steuerplänen bekannt.

Die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel nannte das Verhalten des Unternehmens "dreist" und forderte eine gründliche Prüfung durch die zuständigen Behörden.

Der CDU-Haushaltsexperte Dietrich Austermann sagte, der "beabsichtigte steuerliche Beutezug" müsse verhindert werden, notfalls durch eine rückwirkende Änderung des Steuerrechts. Der CSU-Mittelstandsexperte Hans Michelbach nannte "Teilwertabschreibungen auf eine Luftblase" eine "völlige Perversion".

Zuvor war bekannt geworden, dass die Düsseldorfer Vodafone GmbH Teilwertabschreibungen in Höhe von 50 Milliarden Euro beim Düsseldorfer Finanzamt geltend gemacht hat. Ein Sprecher des Konzerns bestätigte dies am Wochenende. Die Abschreibungen seien eine Konsequenz der starken Kursverluste des Unternehmens an der Börse, sagte er.

Teilwertabschreibungen erlaubt das Steuerrecht dann, wenn der Wert eines Bilanzpostens dauerhaft unter den Buchwert gesunken ist.

Die britische Vodafone hatte die Düsseldorfer Mannesmann AG im Februar 2000 auf dem Höhepunkt des Börsenbooms übernommen. Aktien im Wert von 180 Milliarden Euro wechselten den Besitzer. Mannesmann-Aktionäre erhielten für jedes ihrer Papiere Vodafone-Aktien im Wert von 353 Euro.

Kurz darauf, im März 2000, brachen die Aktienkurse weltweit ein. Ende 2000 wurde das Mannesmann-Aktienpaket dann von einer Luxemburger Vodafone-Tochter für 147 Milliarden Euro an Vodafone Deutschland verkauft. Das entsprach einem Kurs von 309 Euro. Ein weiteres Jahr später taxierte Vodafone Deutschland den Kurs nur noch auf 200 Euro. Daraus ergibt sich der Buchverlust von 50 Milliarden Euro.

Vodafone beabsichtigt, die in dieser Höhe außergewöhnliche Abschreibungssumme gegen seine Gewinne zu verrechnen.

Prüfung angekündigt

Das Düsseldorfer Finanzministerium kündigte an, den Fall in den kommenden Tagen zu prüfen. Ein Sprecher von Finanzminister Hans Eichel betonte, man werde den Vorgang genau verfolgen. Es könne nicht sein, dass am Ende die deutschen Steuerzahler eine Unternehmensfusion inklusive der Manager-Abfindungen zahlten.

Die Grünen-Politikerin Scheel sagte, die genannten Beträge erschienen ihr als "viel zu hoch gegriffen". "So einfach, wie es derzeit dargestellt wird, kann man das nicht rechnen. Ich bin da sehr skeptisch."

Scheel verwies darauf, dass seit Anfang dieses Jahres eine neue gesetzliche Regelung in Kraft ist, mit der die Möglichkeiten, Verlustvorträge geltend zu machen, reduziert werden.

Während es in der Vergangenheit möglich war, Verlustvorträge in vollem Umfang mit Gewinnen zu verrechnen, müssen künftig in jedem Fall 40 Prozent der Gewinne versteuert werden. Nur auf die übrigen 60 Prozent dürfen Verluste angerechnet werden.

Um kleine und mittlere Betriebe nicht zu stark zu belasten, gilt ein Freibetrag von einer Million Euro, bis zu dem die volle Anrechnung weiter möglich ist.

Nach Aussage von Scheel haben zurzeit alle deutschen Unternehmen Verlustvorträge in Höhe von insgesamt 450 Milliarden Euro angesammelt. Erst angesichts dieser "gigantischen Beträge" habe Rot-Grün die Opposition im vergangenen Jahr überzeugen können, die Gesetzesänderungen im Dezember 2003 im Vermittlungsausschuss mitzutragen.

Der Fall Vodafone zeige, wie nötig eine Mindestbesteuerung von Unternehmen sei und welche fatalen Folgen die "jahrelange Blockade" von Union und FDP nun habe.

© SZ vom 07.06.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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