Vodafone-Chef:"Die gesamte Industrie ist gefordert"

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Konkurrenzkampf, Regulierung und Investitionen in den neuen Mobilfunkstandard 5G: Vodafone-Chef Vittorio Colao ist trotzdem optimistisch, hat aber an die Regierungen auch Wünsche.

Von Helmut Martin-Jung, Barcelona

Wird es Europa schaffen bei der kommenden Mobilgeneration 5G, wie wird sich der Brexit auf sein Unternehmen auswirken, das seinen Sitz in Großbritannien hat? Wie werden die Netzwerk- und Mobilfunkanbieter auf Dauer bestehen gegen die großen Internetanbieter wie Google und Facebook? Es gäbe wirklich Gründe genug für Vittorio Colao, sich besorgt zu zeigen, doch der Italiener, 56, Chef des Mobilfunkkonzerns Vodafone, sagt: "Ich bin ein optimistischer Mensch."

Bis vor kurzem war das in Bezug auf Google und Co. noch anders, so viel gibt er zu, aber: "Der Wind hat sich hier komplett gedreht", sagt er, "ich bin da wieder optimistischer als früher." Optimistischer, dass die Politik durch Regulierung Chancengleichheit herstellt.

Regulierung, das ist natürlich ein Gebiet, auf dem es für eine Firma wie Vodafone Licht und Schatten gibt. Die Investitionen, die Firmen wie Vodafone machten, müssten sich eben auch lohnen. Wenn also die Anbieter für viel Geld Funkfrequenzen einkaufen müssten, dann solle man ihnen doch bitteschön auch ermöglichen, diese Summen wieder hereinzuholen. Ansonsten sei eben auch die Innovationskraft der Unternehmen in Gefahr. "Wir machen ja verrückte Dinge", sagt Colao, "wir ermöglichen es, Drohnen zu kontrollieren, anstatt sie einfach zu verbieten." Es gibt viele Feldversuche, "ich wünsche mir, dass die erste automatisierte Autobahn zum Beispiel von München nach Verona führt".

Voraussetzung dafür ist der Ausbau der mobilen Datennetze mit der Technik der jüngsten, der fünften Generation, kurz 5G. Eine wichtige Frage für ihn ist dabei: Wie viele Mobilfunkanbieter sind in einem Land notwendig? Pauschal könne man das nicht sagen, aber ein vierter Anbieter für Australien mit seinen gut 24 Millionen Menschen, der müsse eher nicht sein, glaubt Colao. Dadurch würden bloß die zur Verfügung stehenden Funkfrequenzen unnötig zersplittert und das Preisniveau so gesenkt, dass keiner der Anbieter seine Investments mehr vernünftig refinanzieren könne.

Diese Gefahr sieht der Vodafone-Chef auch in Europa: "Es gibt hier ein Risiko, zurückzufallen, weil es zu viele Anbieter gibt", argumentiert er, "wir müssen die Bedürfnisse ausbalancieren". Konkurrenz sei zwar wichtig, aber zu viel davon gefährde die Innovationskraft der Unternehmen.

Konkurrenz also ja, doch auch der Stil ist Colao dabei ein Anliegen. Die Aussage von Tim Höttges, dem Chef der Deutschen Telekom, Vodafone sei auf dem Weg, mit dem Kauf des deutschen Kabelanbieters Unitymedia den Wettbewerb auszuschließen, "hätte ich so nie getroffen", sagt er, "ich muss aufpassen, dass ich da nicht persönlich werde". Die Logik, die die Telekom vertritt, sei schon interessant. Ein nationaler Anbieter wolle verhindern, dass ein Mitbewerber einen nationalen Kabelanbieter kauft, weil das eine Bedrohung für etwas sei. Folge man dieser Logik, dann müsste die Telekom aus Monopolgründen eigentlich aufgeteilt werden: für das sehr erfolgreiche ost- und westeuropäische Geschäft.

"Wenn es so wird wie bei 4G, dann wird es zu langsam sein und zu zersplittert."

Abseits solcher Konkurrenzkämpfe sieht Colao aber "die gesamte Industrie gefordert", die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen, und die sind nicht klein. Er meint damit vor allem den Ausbau der neuen Netzwerktechnik 5G. "Das ist ein weltweiter Kampf um die Technik und die Standards", sagt Colao. Aber die Einführung, der Ausbau, das sei, was wirklich zähle, "das ist eine Riesen-Gelegenheit. Europa, dicht besiedelt, viel Industrie, ist doch der perfekte Ort für 5G". Doch auch Coloa, der Optimist, ist nicht zu 100 Prozent davon überzeugt, dass Europa es schafft, vorne mitzumischen, so wie man das in Brüssel gerne erzählt. "Wenn es so wird wie bei 4G, dann wird es zu langsam sein und zu zersplittert." Die meisten Chancen für die neue Technologie 5G sieht Coloa bei der Automatisierung von Produktionsanlagen, beim autonomen Fahren, in der Logistik, im Gesundheitsbereich sowie bei Sicherheit und Überwachung.

Ein Baustein dafür, dass die Netzwerkanbieter diese Aufgabe bewältigen können, ist für Coloa, dass Chancengleichheit zwischen den großen Internetkonzernen und deren Industrie herrsche. Er habe zwar nichts gegen die Internetkonzerne - "ohne sie wären wir nicht da, wo wir heute sind" - aber es dürfe eben nicht sein, dass sich eine Firma wie Facebook einfach weigern könne, mit einem Anbieter wie Vodafone etwa bei einem Messenger-Dienst zusammenzuarbeiten. "Ich aber muss es dulden, wenn in einem Land ein neuer Konkurrent entsteht." Und in Italien müsse er teuer für Frequenzen bezahlen, die er erst in vier Jahren überhaupt nutzen könne. "Dieses Geld ist erst einmal einfach weg."

Sorge bereitet Coloa auch, dass immer mehr für Inhalte verlangt werde, zum Beispiel für die Rechte an der Übertragung von Fußballspielen. "In Großbritannien sollten sich die Vereine wirklich überlegen ob sie ihren Spielern weiter immer höhere Gehälter zahlen wollen." Da könnte er sich allerdings auch selbst an die Nase fassen - er gehört schließlich zu den zehn bestbezahlten Managern in Europa.

Bei einem anderen wichtigen Thema, der europäischen Datenschutz-Grundverordnung, ist Coloa zwiegespalten. Einerseits sei es gut, dass die EU endlich zu einer einheitlichen Regelung gefunden habe: "Die EU tritt als Ganzes auf". Es gibt seiner Meinung aber ein Risiko, nämlich das der Überregulierung. Die Mitgliedsländer der EU dürften keinesfalls wieder eigene Regeln aufstellen. Dies würden den Vorteil der einheitlichen Regelung zerstören und zu einer ähnlichen Zersplitterung führen, wie sie davor geherrscht habe.

© SZ vom 27.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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