Versicherungswirtschaft:Tradition kauft Innovation

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Ein kaputter Helm. Das Start-up Getsurance wollte zeigen, dass man Policen für die Berufsunfähigkeit komplett online verkaufen kann - und scheiterte. (Foto: Thomas Koehler/Imago/Photothek)

Die Nürnberger Versicherungsgruppe, ein in jeder Hinsicht traditionsbewusstes Unternehmen, kauft das insolvente Berliner Start-up Getsurance. Die Nürnberger erhoffen sich einen Schub beim digitalen Vertrieb.

Von Kaja Adchayan, Köln

Das seit Oktober insolvente Berliner Start-up Getsurance wird von der Nürnberger Versicherung übernommen. Getsurance hatte versucht, online Berufsunfähigkeitspolicen sowie Versicherungen zu verkaufen, die bei Krebs zahlen. Mit diesem Geschäftsmodell ist der digitale Vermittler gescheitert. Doch das endgültige Aus konnten die Gründer Viktor und Johannes Becher gerade noch abwenden.

Die Nürnberger steigt ein und übernimmt das 2016 gegründete Unternehmen. Die Gebrüder Becher verlassen die Firma. Die Geschäftsführung hat künftig Gerlinde Wanke: Die 59-Jährige leitet die Konzernsteuerabteilung der Nürnberger und verantwortet die Digitalisierungseinheit Nürnberger Evo-X. An dem Grundgerüst von Getsurance will der Traditionskonzern nichts verändern. Die Marke Getsurance bleibe erhalten, alle Mitarbeiter würden übernommen und der Firmensitz bleibe in Berlin.

Getsurance ist rechtlich gesehen ein Versicherungsvertreter und verkauft online Policen des Liechtensteiner Versicherers Squarelife. Einen Teil des Risikos übernimmt der US-Rückversicherer RGA. Ob die Nürnberger künftig ebenfalls eigene Policen über Getsurance verkaufen wird, ließ der Sprecher offen. "Getsurance wird das Nürnberger Portfolio nachhaltig und sinnvoll erweitern", heißt es lapidar in einer Stellungnahme von Vorstand Harald Rosenberger.

Die Nürnberger sieht sich als einer der größten Anbieter im Bereich Einkommensschutz (EKS). Dazu gehören Berufsunfähigkeitspolicen (BU) sowie sogenannte Dread-Disease-Angebote: Bei Ausbruch einer vorher definierten schweren Erkrankung erhalten die Versicherten eine festgelegte Geldsumme. Die meisten Versicherer setzen bei solchen Verträgen auf den persönlichen Verkauf durch Vertreter und Makler, nicht auf den Online-Vertrieb. Dass das nicht mehr zeitgemäß ist, hat die Nürnberger schon erkannt. Über Nürnberger Digital verkauft sie schon online Risikolebens- und Grundfähigkeitsversicherungen. Eine eigene Krebsversicherung soll bald folgen.

Von der Übernahme von Getsurance erhofft sich die Nürnberger "wertvolle Impulse für den digitalen Vertrieb von EKS-Produkten". Trotzdem hält die Gesellschaft weiterhin an der Beratung durch ihre Vertreter fest. Kunden werden ihren Kaufprozess im Netz beginnen und beim Vermittler beenden, erwartet sie.

Getsurance war 2016 mit dem Ziel angetreten, den BU-Markt zu revolutionieren. Nachdem die 2017 eingeführte digitale BU-Police jedoch keinen Erfolg brachte, schwenkten die Gründer um auf die Krebsversicherung. Das Angebot verkaufte sich nach eigenen Angaben gut - bis es Anfang 2020 in die Kritik geriet. Verbraucherschützer monierten unter anderem, dass Krebs-Vorstufen nicht mitversichert sind und die Wartezeit sechs Monate beträgt. Am Ende fehlte Getsurance die Unterstützung der Investoren, die keine frischen Mittel bereitstellten. Zu ihnen gehörte die Schweizer Postfinance - mit denen die Gründer im Streit gelegen haben sollen - und der Rückversicherer RGA.

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