Versicherungskunden:"Deutlich besser gestellt"

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Ein neues Gesetz soll die Lebensversicherer zu mehr Transparenz zwingen. Gleichzeitig sollen die Versicherten erstmals an den gewaltigen stillen Reserven der Unternehmen beteiligt werden.

Robert Roßmann

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sagte, durch die Neuregelungen würden die Versicherten "deutlich besser gestellt". Das derzeit geltende Gesetz stamme aus dem Jahr 1908 und werde den Bedürfnissen eines modernen Verbraucherschutzes nicht mehr gerecht. Deshalb habe man sich entschieden, es nicht mehr zu ändern, sondern "ein vollständig neues Gesetz" zu formulieren.

Ein Großteil der Deutschen sorgt mit einer oder mehreren Lebensversicherungen für das Alter vor. (Foto: Foto: ddp)

Im Mittelpunkt der Änderungen stehen die Lebensversicherungen. In Deutschland gibt es derzeit 94 Millionen Verträge mit einer Versicherungssumme von insgesamt 2,3Billionen Euro. Allein im laufenden Jahr leisten die Kunden dafür Beiträge in Höhe von 72,6Milliarden Euro.

Beteiligung an stillen Reserven garantiert

Das neue Gesetz garantiert den Versicherten erstmals eine Beteiligung an den gewaltigen stillen Reserven der Unternehmen. Die Versicherer müssen diese Reserven, etwa aus Wertsteigerungen von Immobilien und Aktien, künftig offen legen und jeden Kunden einmal jährlich über seinen Anteil unterrichten.

Bei Vertragsende muss die Hälfte dieser stillen Reserven ausgezahlt werden. Die andere Hälfte verbleibt im Unternehmen, um Wertschwankungsrisiken ausgleichen zu können. Zypries sagte, mit dieser "Fifty-Fifty-Lösung" wolle man die Versicherungsnehmer an den stillen Reserven beteiligen, ohne den Konzernen die nötigen Sicherheitspolster zu nehmen.

Vorzeitige Kündigung soll günstiger werden

Mit dem neuen Gesetz werden auch die Rechte der Kunden bei der Überschussbeteiligung, dem Frühstorno und der Berechnung des Rückkaufwerts der Policen verbessert. So wird der Anspruch auf eine Überschussbeteiligung künftig als Regelfall gesetzlich festgeschrieben. Die vorzeitige Kündigung einer Police soll für den Kunden günstiger werden.

Bisher werden die hohen Abschlusskosten in der Regel nur mit den Prämien der ersten beiden Versicherungsjahre verrechnet. Das führt dazu, dass bei einer Kündigung in dieser Zeit der Versicherte oft kein Geld zurückbekommt. Zypries will die Unternehmen deshalb zwingen, die Abschlusskosten auf die ersten fünf Jahre zu verteilen. Auch die Regelungen für den Rückkaufswert insgesamt sollen geändert werden.

Künftig soll der Wert nach dem eindeutig ermittelbaren Deckungskapital der Versicherung berechnet werden. Bisher wird dafür der so genannte Zeitwert herangezogen. Dieser liegt in der Regel niedriger. Außerdem ist der Zeitwert im Gegensatz zum Deckungskapital nicht klar bestimmbar. Die Regelung betrifft viele Millionen Kunden, da mehr als die Hälfte aller Lebensversicherungen vorzeitig gekündigt werden.

(Foto: SZ-Graphik)

Von der Neuregelung sind aber auch alle anderen Versicherungsarten betroffen. So führt die Bundesregierung jetzt ein allgemeines Widerrufsrecht ohne Angabe von Gründen für alle Verträge ein. Die Frist soll zwei Wochen betragen, bei Lebensversicherungen sogar 30Tage. Außerdem wird das so genannte Alles-oder-Nichts-Prinzip abgeschafft.

Leistung je nach Verschulden des Versicherten

Künftig soll sich die Versicherungsleistung danach richten, wie stark das Verschulden des Versicherten ist. Bisher hat ein Kunde überhaupt keinen Anspruch, wenn er den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, bei einfacher Fahrlässigkeit bekommt er dafür die volle Leistung. Wer etwa seine Erdgeschosswohnung trotz eines gekippten Fensters für einige Stunden verlässt, bekommt im Falle eines Einbruchs bisher keine Leistung aus der Hausratsversicherung.

Künftig soll die Versicherung trotz dieses grob fahrlässigen Verhaltens wenigstens einen Teil zahlen. Auch das Prinzip der Unteilbarkeit der Prämie wird abgeschafft. Für Verträge, die im Laufe eines Versicherungsjahres gekündigt werden, sollen Verbraucher nicht mehr die ganze, sondern nur noch eine anteilige Prämie entrichten müssen.

Bessere Beratung

Außerdem müssen die Versicherer ihre Kunden vor einem Vertragsabschluss künftig besser beraten und informieren. Die Beratungsgespräche müssen dokumentiert werden. Verletzen Vermittler diese Beratungs- und Dokumentationspflichten, sind sie schadensersatzpflichtig.

Zypries sagte, sie hoffe, dass der Bundestag den Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause 2007 verabschiedet. Dann könnten sich alle Beteiligten rechtzeitig vor dem Inkrafttreten 2008 auf die neuen Regeln einstellen. Eine Zustimmung des Bundesrats sei nicht nötig.

© SZ vom 11.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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