Versicherungen:Tierliebe kann teuer werden

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Zwei Pferde auf einer Wiese bei Puchheim. Solange sie nur spielen, droht keine Gefahr und kein Schaden. (Foto: CHRISTOF STACHE/AFP)

Wer ein Pferd kauft oder eine Reitbeteiligung eingeht, braucht den richtigen Schutz.

Von Katrin Berkenkopf, Köln

Die Holsteiner Stute und der Hannoveraner Wallach grasten gemeinsam auf ihrer Kölner Weide, wie schon viele Male zuvor. Am Abend entdeckten die Besitzer bei beiden Pferden Bisswunden. Bei einem waren sie so tief, dass sie von einem Tierarzt genäht werden mussten. Das kostete die Besitzerin des Wallachs rund 500 Euro - ein Schaden, den sie nun von dem Halter der Stute ersetzt bekommen möchte. Die Summe ist in diesem Fall überschaubar. Aber bei Unfällen mit Pferden geht es schnell um mehrere 10 000 Euro Schaden. Versicherungsmakler Dennis Keller aus Haiger in Hessen ist deshalb überzeugt: "Für Pferdebesitzer ist eine Tierhalterhaftpflichtpolice zwar nicht verpflichtend, aber sie hat extrem viel Sinn."

Bei Koppelunfällen, wie dem der beiden Warmblüter, zahlt die Versicherung eines Halters für einen Schaden, den ein Tier dem anderen zugefügt hat. Sind, wie in diesem Fall, beide Pferde aktiv an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen, zahlen viele Anbieter jedoch nur die Hälfte. Die andere muss der Geschädigte selbst tragen.

Wollen der andere Halter oder seine Versicherung gar nicht zahlen, kann ein Anwalt helfen. Der wird dann den Sachverhalt und die Rechtslage prüfen, sich mit der Argumentation der Versicherung auseinandersetzen und versuchen, für den Betroffenen einen adäquaten Schadenersatz zu erzielen. Die Anwältin Daniela Lemke aus dem hessischen Hadamar hat sich auf Pferdefälle spezialisiert. "Der Tierhalter ist auf Zeugenaussagen, Videoaufzeichnungen oder andere Beweismittel angewiesen", sagt sie. Sind drei oder mehr Tiere auf der Weide und ist eines verletzt, ist es schwieriger, den Verursacher zu ermitteln. Wahrscheinlich bleibt der Halter dann auf seinem Schaden sitzen. "Es ist nicht zu empfehlen, einfach sämtliche Tierhalter als Gesamtschuldner oder nur einen der Tierhalter in Regress zu nehmen", rät die Anwältin.

Die Zahl der Versicherer, die eine Tierhalterhaftpflichtpolice anbieten, ist überschaubar. Weil es aber große Unterschiede bei den Leistungen gibt, müssen Kunden genau hinschauen, bevor sie einen Vertrag abschließen. Vor allem sollte ihnen klar sein, was überhaupt versichert sein soll.

Auch die Größe spielt eine Rolle. Manche Tarife unterscheiden zwischen Pony und Pferd

Das fängt schon damit an, dass manche Tarife zwischen Pony und Pferd unterscheiden, erklärt Makler Keller. Wichtig ist auch die Frage, ob das Tier für den Reitunterricht eingesetzt wird. Selbst dann, wenn ein Halter sein Pferd nur ein oder zwei Mal in der Woche für eine Reitstunde zur Verfügung stellt, etwa um im Gegenzug weniger Stallmiete zu zahlen, muss er dafür sorgen, dass seine Haftpflichtpolice dies abdeckt. Manche Versicherungen schließen auch Reitbeteiligungen aus. So nennt man den Fall, dass ein Reiter oder eine Reiterin das Pferd eines anderen regelmäßig versorgt und ausreitet. Wer als Besitzer oder als Reiter eine solche Beteiligung vereinbart, sollte sich daher mit dem Kleingedruckten seiner Haftpflichtpolice befassen. Sonst können bei einem Unfall beide Probleme bekommen.

Schenken Eltern ihrem Kind ein Pferd, schließen sie oft die Tierhalterhaftpflicht mit ab. Das ist kein Problem, solange der Nachwuchs im gemeinsamen Haushalt lebt und noch in der Ausbildung steckt. Spätestens wenn das Kind finanziell und örtlich auf eigenen Beinen steht, sollte es aber die Versicherung auf den eigenen Namen abschließen, rät der Makler. Er hat einen abschreckenden Fall erlebt: Die erwachsene Tochter hatte die Boxentür ihres Pferdes offen gelassen, das Tier lief auf die Straße und verursachte einen Unfall mit hohem Sachschaden. Weil die Versicherung noch immer auf den Vater lief, lehnte die Tierhalterhaftpflicht eine Übernahme der Kosten ab.

Sind nur notwendige Eingriffe abgedeckt, muss der Halter eine Kastration des Tieres selbst zahlen

Makler Keller rät von sogenannten "Gnadenbrot-Tarifen" ab. Sie sind für betagte Pferde erhältlich, die nicht mehr geritten werden. Dafür sind die Prämien günstiger. Doch lässt sich kann ausschließen, dass sich nicht doch jemand auf den Rücken des Pferdes setzt und damit Schaden anrichtet, warnt Keller, der von einem weiteren Fall erzählt: Ein Mädchen hatte sich unerlaubt auf ein altes Pony gesetzt und es auf der Koppel geritten. Es kam zu einem Unfall - das Mädchen wurde schwer verletzt und musste mit dem Hubschrauber in eine Klinik geflogen werden, das Pony wurde eingeschläfert. Die Krankenversicherung des Mädchens verlangte von der Besitzerin die Erstattung für die Behandlungskosten. Ihre Versicherung winkte ab, denn Reiten war im "Gnadenbrot"-Tarif ausgeschlossen. Die Pferdebesitzerin blieb auf der Forderung sitzen.

Nicht in allen Fällen ist es sinnvoll für den Pferdebesitzer, nach einem Schaden seine Versicherung in Anspruch zu nehmen, meint Keller. Sind die Kosten überschaubar, kann es sich lohnen, selbst zu zahlen. Bei mehreren Bagatellschäden riskieren Pferdebesitzer sonst die Kündigung durch den Versicherer. Da die meisten Gesellschaften bei Abschluss einer Police nach Vorschäden fragen, wird die nächste Prämie dann in der Regel höher ausfallen als beim alten Anbieter.

Wer hier auf Nummer sicher gehen will, macht bei seiner Versicherung eine sogenannte "vorsorgliche Meldung", erklärt Keller. Damit weist er auf einen möglichen Schaden hin und wahrt Meldefristen. Steht die Schadenhöhe dann fest, kann der Versicherungsnehmer immer noch entscheiden, ob er selbst zahlt. Umgekehrt ist das nicht möglich: Wer plötzlich von hohen Forderungen überrascht wird, hat die Frist zur Meldung womöglich verpasst. "Halter sollten sich nicht darauf verlassen, dass nichts Schlimmes passiert ist", sagt der Makler. "Ein anderes Pferd kann selbst durch einen Tritt ans Bein sterben."

Teuer kann auch die Behandlung des eigenen Pferdes bei Krankheit werden. Viele Besitzer schließen deshalb eine OP-Versicherung ab, die zwar nicht jede Behandlung durch einen Tierarzt abdeckt, aber bei kostenintensiven Operationen zahlen soll. Doch auch hier gibt es Fallstricke, warnt Makler Keller. Oft sind nur medizinisch notwendige Eingriffe abgedeckt. Das klingt einleuchtend, bedeutet jedoch in der Praxis, dass der Versicherer etwa für eine gewünschte Kastration nicht zahlt.

Medizinischen Fortschritt gibt es auch in der Tiermedizin. So können Ärzte immer mehr Operationen in Standnarkose durchführen, bei der das Pferd stehen bleiben kann. Das ist schonender für das Tier - wer aber eine Police hat, in der nur Vollnarkose abgedeckt ist, muss bei einem solchen Eingriff selbst zahlen. Wer das vermeiden will, muss vor Vertragsabschluss darauf achten, dass Standnarkose mitversichert ist.

© SZ vom 29.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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