Versicherungen:Sicher reisen

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Viele Bundesbürger planen gerade ihren nächsten Urlaub. Egal, ob es an die Nordsee oder nach Kanada geht - man sollte sich auch rechtzeitig für den Fall wappnen, dass etwas schiefgeht. Aber wie sinnvoll sind Reiseversicherungen?

Von Caroline Biallas, Köln

Eine 83-jährige Witwe bucht eine fünfmonatige Kreuzfahrt für knapp 40 000 Euro. Drei Monate vor Reisebeginn wird ihr Kniegelenk operiert, sie kann den Urlaub nicht antreten und will auf ihre Reiserücktrittsversicherung zurückgreifen. Der Versicherer weigert sich, die Kosten zu übernehmen: Die Dame habe bereits vor Buchung der Reise von ihrer Erkrankung gewusst, vier Jahre zuvor hatte sie ein künstliches Gelenk bekommen. Das Landgericht Frankfurt gibt der 83-Jährigen recht. Die Begründung: Die Witwe habe zwischen dem Einsetzen des Gelenks und der Kreuzfahrtbuchung problemlos andere Reisen unternommen. Bei der erneuten Operation habe es sich daher um eine "unerwartet schwere Krankheit" gehandelt (Aktenzeichen: 2-08 O 152/13). Der Versicherer muss der Dame die Stornierungskosten in Höhe von 3700 Euro erstatten.

Solche Rechtsstreitigkeiten werfen die Frage auf, wie nützlich Reiseversicherungen sind. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Reisekranken-, Reisegepäck-, Reiserücktritts- und Reiseunfallpolicen.

Sollten Reiseversicherungen einzeln oder im Paket abgeschlossen werden?

Versicherungen sollten besser separat voneinander gebucht werden, da nicht für jede Reise ein umfassender Schutz notwendig ist, empfiehlt Philipp Opfermann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Standardpakete enthalten normalerweise einen kompletten Schutz für Reiserücktritt und -abbruch, Krankheitsfall und Gepäckverlust. Solch ein umfassendes Paket ist jedoch meist gar nicht nötig. "Auf eine Gepäckversicherung kann man in den meisten Fällen verzichten, Preis und Leistung stimmen hier oft nicht", sagt Opfermann. Zudem biete die eigene Hausratversicherung auch im Ausland Schutz, wenn etwa ins Hotelzimmer eingebrochen oder die Handtasche geraubt wird. Während er eine Auslandsreise-Krankenversicherung sehr wichtig findet, sei eine Reiserücktrittsversicherung eine individuelle Kosten-Nutzen-Rechnung.

In welchen Fällen übernimmt eine Reiseunfallversicherung die Kosten?

Eine Reiseunfallversicherung ist in den meisten Paketen gar nicht enthalten - wohl auch, weil sie nur selten gebraucht wird und selbst von Experten als "überflüssig" bezeichnet wird. Sie tritt bei Unfällen im Ausland ein, deckt Bergungs- und Überführungskosten ins Heimatland und zahlt Entschädigungen bei Invalidität oder Tod. "Das alles sind jedoch Kosten, die meist auch eine private Unfallversicherung übernehmen würde", erläutert Thorsten Sager, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Frankfurt und Bad Homburg. Eine Reiseunfallversicherung übernimmt nicht die Behandlungskosten beim Arzt oder im Krankenhaus, die durch einen Unfall entstehen. "Die werden von der Reisekrankenversicherung übernommen", sagt Birgit Dreyer von der Ergo-Tochter Europäische Reiseversicherung (ERV).

Sind Reisekranken-Einzelpolicen oder Jahresverträge besser?

Wer mehrfach im Jahr verreist, kann von Jahrespolicen profitieren: Für 10 bis 30 Euro pro Jahr gibt es beispielsweise bei den Auslandsreise-Krankenversicherungen gute Angebote, sagt Verbraucherschützer Opfermann. Wer hingegen selten in den Urlaub fährt, benötige nur eine Einzelpolice. Die gibt es dem Vergleichsportal Check 24 zufolge schon ab 1,70 Euro pro Reise.

In welchen Ländern sollte man unbedingt krankenversichert sein?

In Europa und Ländern, mit denen Deutschland ein Sozialabkommen hat, springt die gesetzliche Krankenversicherung ein. "Allerdings nur bei Vertragsärzten, und die Kosten werden nur in der Höhe übernommen, wie sie in Deutschland anfallen würden", warnt Dreyer von der ERV. "Kosten von privaten Gesundheitsdienstleistern werden nicht erstattet. Dadurch können selbst in Ländern wie Österreich oder Italien Kosten entstehen, die der Reisende selbst tragen muss." Eine Reisekrankenpolice sei daher unbedingt notwendig, vor allem wenn man die EU verlasse. Gerade in den USA und Kanada sind Arztbesuche extrem teuer: "Da kommen schnell sehr hohe Kosten zusammen", so Dreyer. Beim Abschluss sollte man unbedingt darauf achten, dass ein Krankenrücktransport inbegriffen ist, weil er nicht von der gesetzlichen Kasse übernommen wird.

Wo sollte eine Reiseversicherung am besten abgeschlossen werden ?

Das ist eine reine Typ-Entscheidung: Einige Kunden informieren sich gerne selbst im Internet, andere schätzen eine umfassende Beratung im Reisebüro. "Entscheidend ist das Produkt, nicht der Kanal", so ERV-Expertin Dreyer. Bei Last-Minute-Reiseversicherungen, wie sie einige Versicherungs-Start-ups (Insurtechs) per App offerieren, ist der Preis angesichts der begrenzten Leistungen, die die Policen bieten, dagegen relativ hoch. Verbraucherschützer Opfermann warnt außerdem vor unübersichtlichen Angeboten: "Viele Apps sind so aufgebaut, dass man das Kleingedruckte überliest." Wer mit seiner Urlaubsreise im Reisebüro auch eine Versicherung abschließt, sollte auf das Kündigungsdatum achten und rechtzeitig handeln. Sonst verlängert sich der Vertrag - und der Kunde muss möglicherweise auch für Jahre Beitrag zahlen, in denen er nicht verreist.

Ist eine Selbstbeteiligung nötig?

Bei Reisekranken- und Reisegepäckversicherungen sieht Experte Opfermann keine Notwendigkeit. Bei einer Reiserücktrittsversicherung kann eine Selbstbeteiligung durchaus sinnvoll sein - zumindest bei teuren Urlauben: "Die Prämie kann mit einer Selbstbeteiligung gesenkt werden." Im Falle eines Schadens kommen aber zusätzliche Kosten auf den Versicherten zu.

Worauf sollten Reisende bei Familientarifen achten?

Ein Jahresfamilientarif bietet nicht nur Schutz bei gemeinsamen Urlauben, sondern gilt auch dann, wenn ein Familienmitglied einzeln verreist, erklärt Dreyer. Wichtig ist aber, wie eine Versicherung den Begriff Familie definiert: Bei der ERV sind es zwei Erwachsene, unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis, sowie deren Kinder bis 25 Jahren. Weiter entfernte Angehörige wie Großeltern, Schwager oder Neffen gelten nicht automatisch als sogenannte "Risikopersonen", also Familienmitglieder, die neben den namentlich versicherten Personen einen Versicherungsfall auslösen und einen Reiserücktritt oder -abbruch bedingen können. Wenn die Reiseversicherung in der Kreditkarte enthalten ist, sollten Urlauber auf die Leistungen dahinter achten: Sind auch mitreisende Familienmitglieder abgesichert oder nur der Karteninhaber? Erstattet die Versicherung in jedem Fall oder nur unter bestimmten Bedingungen Kosten, beispielsweise wenn auch der Hauptanteil der Reise mit der Kreditkarte bezahlt worden ist?

Was sind die häufigsten Streitfälle?

Bei den meisten Fällen, die Rechtsanwalt Sager vertritt, geht es um Reiserücktrittsversicherungen. Es stehen vor allem zwei Fragen im Vordergrund: Liegt eine "unerwartet schwere Krankheit" - wie im Fall von Gerda S. - vor, die zwingend zur Stornierung der Reise führen muss? Und: War dem Versicherungsnehmer die Krankheit zum Zeitpunkt der Reisebuchung bereits bekannt? "In diesem Fall verweigern die Versicherer häufig die Kostenübernahme, weil die Erkrankung nicht unerwartet ist", erklärt Sager.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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