Internetkriminalität kostet Unternehmen weltweit viel Geld. Bis zu 500 Milliarden Dollar verlieren sie laut einer aktuellen Studie der Sicherheitsfirma McAfee durch den Verlust sensibler Daten. Aber nicht nur die Wirtschaft sorgt sich - auch Privatleute haben Angst, dass Cyber-Kriminelle ihre Kreditkartennummern missbrauchen oder sie bei Käufen im Netz übers Ohr hauen. Das haben auch die Versicherer entdeckt: Sie bieten spezielle Policen an, mit denen sich Verbraucher gegen solche Gefahren absichern können. Einen vollständigen Schutz bieten diese Verträge aber nicht.
Der Düsseldorfer Rechtsschutzversicherer Arag verspricht mit seiner Internet-Rechtsschutzpolice "Webaktiv" umfassenden Online-Schutz. Die Police springt nicht nur bei Problemen mit Online-Käufen oder Kreditkartenbetrug ein, sondern auch, wenn der Kunde im Internet beleidigt wird oder der Nachwuchs die neuesten Computerspiele oder Kinofilme illegal aus dem Netz lädt.
Die Arag richtet sich mit den Verträgen vor allem an Familien. "Eltern wissen relativ wenig darüber, was ihre Kinder im Internet so treiben", sagt Arag-Vorstand Matthias Maslaton. Falls dann eine Abmahnung wegen eines illegalen Downloads ins Haus flattert, zahlt der Versicherer 190 Euro für eine Erstberatung beim Anwalt. Eventuelle Schadenersatzzahlungen müssen Kunden aber selber übernehmen. "Wir wollen hier natürlich keinen Freibrief für Urheberrechtsverletzungen schaffen", sagt Maslaton. Auch die Kosten eines möglichen Verfahrens übernimmt der Versicherer nicht. Aber meist kommt es gar nicht so weit, wenn Kunden sich mithilfe eines Anwalts wehren, glaubt Maslaton. "Das sind Massenverfahren. Die Firmen wollen sich gar nicht mit jedem Einzelnen auseinandersetzen."
"In 80 Prozent der Fälle klappt das"
Auch bei Rufmord im Internet und in sozialen Netzwerken greift die Police. Kunden, die in Blogs, bei Facebook oder Twitter beleidigt werden, können sich an den Versicherer wenden. "Wir bezahlen einen Dienstleister, der versucht, die Beleidigungen aus dem Netz zu tilgen", so Maslaton. In 80 Prozent der Fälle klappe das, verspricht er. Bei Prominenten sei das schwieriger, wie der Fall von Bettina Wulff zeigt. Die Frau des Ex-Bundespräsidenten setzt sich zur Wehr, dass ihr Name im Internet mit dem Rotlichtmilieu in Verbindung gebracht wird.
Vom sogenannten Cyber-Mobbing sind vor allem Teenager betroffen. Es reicht von Beschimpfungen bis zur Verbreitung peinlicher Fotos oder Videos im Netz. Wenn Gespräche das Problem nicht aus der Welt schaffen, besorgt die Arag einen Mediator. Als letzter Ausweg bleiben rechtliche Schritte. Dafür bekommen die Kunden einen Anwalt bezahlt.
Neben der Arag bietet auch der zum Kölner Rechtsschutzversicherer Roland gehörende Anbieter Jurpartner seit Kurzem eine Internetpolice an, die bei Internetkäufen, Cyber-Mobbing oder Urheberrechtsverstößen einspringt. Auch bei einigen Rechtsschutzverträgen von Roland sind bestimmte Internetrisiken mitversichert.
Police gegen Cyber-Risiken
Der Branchenriese Allianz überlegt, ebenfalls in den Markt mit Internet-Versicherungen einzusteigen. "Wir denken intensiv darüber nach, ein solches Produkt für die Zukunft zu entwickeln, da der Kundenbedarf dafür zu erkennen ist", sagte Allianz-Sprecher Kai Kunte. Die Münchner haben gerade eine neue Police gegen Cyber-Risiken vorgestellt, mit der sich Unternehmen gegen die Folgen von Hacker-Angriffen oder Computerausfällen schützen können.
Die Verunsicherung vieler Verbraucher nach den Enthüllungen über das NSA-Ausspähprogramm hilft den Anbietern. "Immer wenn es solche Schlagzeilen gibt, erhöht das die Aufmerksamkeit", sagt Arag-Vorstand Maslaton. Der Versicherer begann 2012 mit dem Verkauf der Police, bis jetzt hat er knapp 10 000 Verträge verkauft. "Im Moment verkaufen wir etwa 1000 Verträge im Monat", sagt Maslaton.
Einen umfassenden Schutz bietet allerdings bislang keine der Policen. Die Verträge von Arag und Jurpartner sind als Rechtsschutzversicherung konzipiert, das heißt, sie zahlen vor allem die Kosten für den Anwalt, kommen aber nicht für einen eventuell entstandenen Schaden auf. Wird der Kunde Opfer eines Internetbetrügers und gibt seine Kontodaten aufgrund einer sogenannten Phishing-Mail preis, zahlt der Versicherer nicht für das leer geräumte Konto. Er erstattet nur die Kosten für einen Anwalt, der dabei hilft, eine Anzeige aufzugeben. Diesen Schutz bieten aber auch viele normale Rechtsschutzversicherungen.
Verbraucherschützer halten deshalb nicht viel von den Policen. "Es handelt sich nur um eine Ausschnittsdeckung, und die ist eigentlich nicht sonderlich hilfreich", sagt Timo Voss vom Bund der Versicherten. Die bei Urheberrechtsverletzungen abgedeckten 190 Euro für die anwaltliche Beratung hält er für zu wenig. "Anwaltliche Beratungen in solchen Fällen kosten in der Regel pauschal 400 bis 500 Euro plus Mehrwertsteuer", sagt Voss.
Häufig sind Internetrisiken bereits versichert
Auch der Schutz gegen Cyber-Mobbing und Shitstorms überzeugt den Verbraucherschützer nicht. "Es ist die Frage, wie weit einen hier eine Versicherung schützen kann", sagt Voss. Er empfiehlt, sich den Deckungsumfang genau anzuschauen und gut zu überlegen, ob man die Police wirklich braucht. Denn nicht immer ist eine Spezialpolice nötig. Häufig sind Internetrisiken schon über altbekannte Versicherungen wie Haftpflicht- und Hausratversicherung abgedeckt. Verbreiten Computernutzer unwissentlich Viren, Trojaner oder Würmer und kommt es dadurch bei einem Dritten zu einem Schaden, springt die Haftpflichtversicherung ein. Laut dem Vergleichsportal Check24 decken 95 Prozent der aktuellen Haftpflichttarife diese Risiken mit ab.
Der Schutz bei Kreditkartenmissbrauch gehört laut Voss zum Standardumfang der meisten Rechtsschutzverträge. Phishing, also das Abgreifen sensibler Daten über vorgetäuschte E-Mails von Banken, ist häufig in Hausratpolicen mitversichert. Bei der Allianz sind etwa Phishing-Schäden beim Online-Banking inbegriffen. Ist viel Geld im Spiel, wird der Kunde aber auch hier auf einem Teil des Schadens sitzen bleiben. Der Versicherer zahlt je nach Vertrag zwischen 0,5 Prozent und zwei Prozent der Deckungssumme. Bei einer üblichen Deckungssumme von 65.000 Euro gibt es also maximal 1300 Euro.
Arag denkt bereits darüber nach, den Deckungsumfang der Internetpolice zu erweitern. "Wir prüfen derzeit den Einschluss von Haftpflichtelementen und Schadenersatzelementen", sagt Maslaton. Denkbar sei dies für das nächste Jahr. Für welche Fälle solche Erweiterungen möglich sein sollen, weiß der Versicherer noch nicht. "Für Urheberrechtsfälle geht es nicht, das wäre unfair gegenüber Urhebern", sagt Maslaton.