Versicherungen:Plan B und C

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Protektionismus kann Firmen viel Geld kosten, aber dagegen gibt es Mittel wie Single-Risk-Policen oder eine Absicherung gegen Zahlungsunfähigkeit, die auch bei Schäden durch Kriege, Streiks oder Terrorangriffe greifen.

Von Nina Nöthling

Sind die finanziellen Folgen von Protektionismus versicherbar? Diese Frage stellen sich deutsche Unternehmen angesichts der weltweiten politischen Lage immer häufiger. Protektionistische Regierungen benachteiligen ausländische Unternehmen durch Sanktionen, Steuern oder diskriminierende technische Auflagen. In solchen Ländern sorgen Behörden dafür, dass missliebige ausländische Anbieter ihre Importlizenz verlieren, Vereinbarungen mit örtlichen Unternehmen hinfällig werden oder örtliche Kunden ihre internationalen Lieferanten nicht mehr bezahlen dürfen. Versicherungspolicen allein lösen das Problem nicht - die Unternehmen wollen schließlich in den problematischen Märkten weiter Geschäfte machen. Aber es gibt Policen, die zumindest die unmittelbaren finanziellen Folgen von protektionistischen Maßnahmen abfedern.

Sie greifen allerdings nicht bei Schäden durch Kriege, Streiks oder Terrorangriffe. Dafür bieten die Versicherer separate Abdeckungen an. Policen zur Absicherung von politischen Risiken handeln Unternehmen und Versicherer in der Regel individuell aus. Gibt es Schäden durch die von US-Präsident Donald Trump gebaute Mauer nach Mexiko oder sorgt der Brexit für Einschläge in der Bilanz? Eine Firma könnte sich dagegen versichern.

Ein deutscher Mittelständer würde auch entschädigt werden, wenn seine ausländische Tochterfirma enteignet wird oder er auf Rechnungen für seine Exportwaren sitzen bleibt - Voraussetzung ist natürlich, dass er den nötigen Versicherungsschutz gekauft hat. Solche Policen erweitern die klassische Kreditversicherung, die bei Zahlungsunfähigkeit eines Abnehmers einspringt und das Risiko abfedert, dass ein Lieferant wegen Insolvenz sein Geld nicht bekommt. Grundsätzlich gilt: "Alle Risiken, die zur Insolvenz der eigenen Firma führen könnten, sollten abgesichert werden", rät Silja-Leena Stawikowski, Expertin für politische Risiken beim Makler Aon Deutschland. Er gehört zum weltweit agierenden Aon-Konzern.

Firmen können einzelne Lieferungen oder die Geschäfte mit Abnehmern in ganzen Regionen gegen Zahlungsausfall absichern. Daneben bieten Versicherer Single-Risk-Policen an, mit denen Großaufträge über mehrere Jahre abgesichert werden, zum Beispiel Infrastrukturprojekte. Single-Risk-Policen starten bei einer Deckungssumme von einer Million Euro und einer Prämie von 15 000 Euro.

Bei einer politisch unsicheren Lage wird die Finanzierung oft schwieriger

Die Expertin Kutloano Tshabalala glaubt allerdings nicht, dass die Trump-Regierung oder der Brexit die Unternehmensrisiken maßgeblich erhöhen. Tshabalala ist Analystin beim britischen Beratungsunternehmen Red 24, das auch für die Allianz tätig ist. "Weder in den USA noch in Großbritannien passieren außergewöhnliche Dinge", meint sie. Schließlich gebe es in jedem Land der Welt ständig Veränderungen.

Analystin Tshabalala nennt ein Beispiel: Das britische Oberhaus hat sich geweigert, den Brexit-Gesetzentwurf von Premierministerin Theresa May einfach durchzuwinken. Die Lords bestehen auf Garantien für EU-Bürger, die in Großbritannien leben. Das zeige, dass es ein weiter Weg von Ankündigungen zur politischen Praxis und damit zum möglichen Unternehmensrisiko sei, sagt sie.

Auch Maklerin Stawikowski von Aon ist der Ansicht, dass ganz andere Ereignisse als der Brexit negative Auswirkungen auf Unternehmen in Deutschland haben könnten: Sie nennt beispielsweise die bevorstehenden Wahlen in europäischen Ländern und im Iran.

Anders ist ihre Einschätzung zu den politischen Risiken für Unternehmen, die sich aus den Trump-Plänen entwickeln könnten: Die Vorstellungen des US-Präsidenten könnten weltweite Konsequenzen haben, die dann auch deutsche Firmen treffen würden. "Viele Immigranten schicken Geld in ihre Heimatländer", erläutert Stawikowski mit Blick auf die harte Einwanderungspolitik Trumps.

Dort kommt es der gesamten Wirtschaft zugute, wenn die Familien es im Land ausgeben. "Wenn es das Geld plötzlich nicht mehr gibt, kommen die Länder in Bedrängnis." Das könnte wiederum zu wirtschaftlichen Problemen oder protektionistischen Maßnahmen führen.

Eine politisch unsichere Lage hat noch einen anderen, sehr unangenehmen Effekt, sagt Risikoexpertin Stawikowski von Aon: Firmen haben immer mehr Probleme, die Finanzierung im Zusammenhang mit Lieferungen in Problemländer sicherzustellen. Sie rät mittelständischen Unternehmen, auf Lieferanten- und Besteller-Kredite zurückzugreifen. Bei einem Besteller-Kredit haftet eine Bank für die Verpflichtungen eines ausländischen Kunden bei einem deutschen Unternehmen. Beim Lieferantenkredit holt sich der Exporteur selbst Geld von einer Bank und schließt als Sicherheit für diese Finanzierung eine Kreditversicherung ab. Im Schadenfall erhält die Bank ihr Geld aus dieser Police zurück. "Im Gegensatz zu früher bieten immer mehr Banken diese Kredite auch für die Privatwirtschaft an", sagt Stawikowski.

Ludovic Subran ist Chef bei Euler Hermes Economic Research und stellvertretender Chefökonom bei Allianz Research. Er ist davon überzeugt, dass der Protektionismus weltweit weiter zunehmen wird. "Es wird weniger offensichtliche, rabiate Handelsverbote geben, aber mehr anspruchsvolle Maßnahmen, die dafür sorgen, dass lokale Unternehmen begünstigt werden", schreibt er im Risk-Barometer 2017 der Allianz. 31 Prozent der 1040 Befragten sehen laut einer Umfrage des Versicherers Protektionismus als Bedrohung für ihr Unternehmen. "Es ist wichtig, dass jedes Unternehmen die politische Entscheidungsfindung bis zur lokalen Ebene genau mitverfolgt, verschiedene Szenarien durchspielt und eine Notfallplanung, auch für die Tochtergesellschaften in verschiedenen Regionen, durchführt", rät Subran.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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