Versicherungen:Die große Abwicklung

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Der Verkauf von Versicherungsbeständen wird immer beliebter. Lebensversicherern bietet die Bestandsabgabe einen dringend benötigten Ausweg. Die Gesellschaften ächzen unter den hohen Garantieversprechen der Vergangenheit und können sich so von Altverträgen trennen.

Von Anna Gentrup, Hamburg

Noch vor wenigen Jahren war das undenkbar: Ein Versicherer schließt einen Bestand für das Neugeschäft und verkauft ihn an eine externe Firma zur Abwicklung. Was im Branchenjargon "Run-off" heißt, ist heute salonfähig. Kürzlich hat die deutsche Versicherungsaufsicht Bafin den Verkauf eines Lebensversicherungsbestandes der Basler an die Abwicklungsgesellschaft Frankfurter Leben genehmigt, einer Tochter des chinesischen Investors Fosun. Aber auch Sachversicherungsbestände werden inzwischen gerne verkauft. "Run-off hat einen hohen Stellenwert bekommen", sagte Arndt Gossmann, Chef des Hamburger Run-off-Spezialisten Darag, bei einer SZ-Fachkonferenz in Hamburg. Er glaubt, dass in den nächsten fünf Jahren Bestände mit einem Volumen von insgesamt 80 bis 90 Milliarden Euro übertragen werden - meistens aus Geschäftsfeldern, die der abgebende Versicherer nicht weiter betreibt und für die er weder IT noch Fachkräfte vorhalten will.

Lebensversicherern bietet die Bestandsabgabe einen dringend benötigten Ausweg. Die Gesellschaften ächzen unter den hohen Garantieversprechen der Vergangenheit. Der anhaltende Niedrigzins drückt in der Kapitalanlage auf die Renditen. Bei kalkulierbarem Anlagerisiko können Versicherer den Kunden kaum überzeugende Renditeaussichten bieten. Bei der Digitalisierung, die Versicherern hohe Millionensummen kostet, setzt die Abspaltung von unrentablem Altgeschäft dringend benötigtes Kapital frei.

Inzwischen haben auch die Aufsichtsbehörden erkannt, dass sie den Gesellschaften den Notausgang offenhalten müssen - vor allem, um die Ansprüche der Versicherten nicht zu riskieren. Geht ein Versicherer an seinen Altlasten zugrunde, sind es in erster Linie die Kunden, die darunter leiden. Die europäische Aufsicht Eiopa hat nichts gegen den Bestandsverkauf einzuwenden - sofern die Kunden dadurch nicht schlechter gestellt werden. Die Abwicklung ermögliche es den Versicherern, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, sagte Eiopa-Exekutivdirektor Fausto Parente: "Run-off ist nicht zwingend ein Werkzeug, um das Versagen von Versicherern zu managen". Zurzeit prüft die Behörde die Rahmenbedingungen. Beispielsweise soll geklärt werden, ob die Aufsicht das Recht bekommen soll, bei schwächelnden Versicherern einzugreifen und sie zur Bestandsabgabe zu verpflichten.

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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