Umwelt:Rodungen an Südschnellweg: Umstrittener Ausbau läuft an

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Menschen demonstrieren gegen die Rodungsarbeiten für den Ausbau des Südschnellwegs. (Foto: Moritz Frankenberg/dpa)

Im Süden Hannovers stockt der Verkehr schon seit längerem erheblich. Eine wichtige Schnellstraße wird jetzt ausgebaut - für ein Brücken- und Tunnel-Teilprojekt müssen erste Bäume weichen. Umweltaktivisten warnen vor einer Ausweitung auf ein Schutzgebiet in der Nähe.

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Hannover (dpa/lni) - In Hannover hat am Montag die Startphase eines hochumstrittenen Straßenbauprojekts begonnen: Für die Erneuerung des Südschnellwegs sind seit dem Morgen erste Bäume gerodet worden. Dabei geht es zunächst um einen Abschnitt, der östlich des Schutzgebietes Alte Leine rund um die Ricklinger Teiche liegt. Die von Protesten flankierten Rodungen seien bis zum Abend ohne größere Zwischenfälle verlaufen, teilte die Polizei mit. Eine Person, die versuchte, einen Zaun zu überklettern und in den Rodungsbereich zu gelangen, kam demnach in Gewahrsam. Eine Spontanversammlung mit bis zu 100 Teilnehmenden sei friedlich verlaufen.

Nach Angaben der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Niedersachsen müssen die Bäume im Stadtteil Döhren unter anderem weichen, weil dort zusätzlicher Bauplatz benötigt wird. Geplant ist ein Tunnel, der die marode Brücke über die Hildesheimer Straße - einen zentralen Innenstadt-Zubringer - im Laufe der kommenden Jahre ersetzen soll. Übergangsweise muss an dieser Stelle jedoch eine Behelfsbrücke konstruiert werden. Auch zwischen der Schützenallee und der Leinebrücke beginnen Vorbereitungen für den Ausbau.

Während der Arbeiten soll der Südschnellweg (B3/B6/B65) vom Landwehrkreisel bis zum Seelhorster Kreuz gesperrt bleiben. Voraussichtlich am Mittwoch werde der erste Teil der Rodungen beendet sein, hieß es aus der Behörde. Schon seit längerem kommt es häufig zu Staus auf der West-Ost-Achse zwischen Bundesstraße 6 und Autobahn 7, zudem sollen weitere Brücken in einem schlechten Zustand sein.

Widerstand von Umwelt- und Klimaschützern gibt es vor allem gegen den ebenfalls vorgesehen Ausbau des weiter westlich liegenden Abschnitts der Schnellstraße. Die für den Fern-, Umgebungs- und Berufsverkehr im Großraum Hannover wichtige Trasse, die schon jetzt durch den Überschwemmungsbereich der Leine führt, soll auch hier erneuert und mit Standstreifen verbreitert werden. Aktivisten errichteten bereits Mahnwachen, das Bündnis „Leinemasch bleibt“ besetzte Bäume.

Am vergangenen Wochenende versammelten sich nach Angaben der Initiative rund 150 Unterstützerinnen und Unterstützer. Sie lehnen die Verbreiterung der Fahrbahn ab und kritisieren die Rodungspläne scharf. Die Leinemasch ist auch ein beliebtes Naherholungsgebiet mit Badeseen. Im östlichen Bereich an der Schützenallee und Hildesheimer Straße stehen mehrere Absperrzäune, Polizisten sicherten das Gebiet.

Die Region Hannover und das Land Niedersachsen hatten das Vorhaben mit geprüft, das Gesamtprojekt ist ein Bundesthema. Eine Sprecherin von „Leinemasch bleibt“ nannte es einen „krassen Erfolg“, dass Landesverkehrsminister Olaf Lies (SPD) zugesagt habe, für Bäume im Westteil auf eine Rodung vorerst bis Oktober 2023 zu verzichten. Man werde dies weiterverfolgen. Im Koalitionsvertrag versprach die rot-grüne Landesregierung, sich „kritisch mit tradierten Formen einer jahrzehntelang verankerten Verkehrspolitik und ihren gesellschaftlichen und ökologischen Folgen“ auseinanderzusetzen. Es könnte weitere Gespräche mit dem Bundesverkehrsministerium geben.

Bei der Landesbehörde betonte man, möglichst schonend vorzugehen: „Die Arbeiten erfolgen bedarfsgerecht und angepasst an den Bauablauf. Es werden immer nur auf denjenigen Flächen Gehölze entnommen, die für den weiteren Bauabschnitt zwingend erforderlich sind.“ Anfangs seien dies nun solche, die wegen der Behelfsbrücke und Vorbereitung des Tunnelbaus an der Hildesheimer Straße/Schützenallee gebraucht würden.

Nach den ersten Rodungen kam es am Montagnachmittag allerdings zu neuem Streit. Laut Beobachtern sollen auch einige Bäume entfernt worden sein, die nach Gesprächen mit der Polizei am Wochenende zunächst ausgenommen werden sollten, so die Darstellung von „Leinemasch bleibt“. Die Initiative „Ende Gelände“ teilte am Abend mit, es seien etwa zehn Meter zu weit Bäume zerstört worden. Sie forderte einen sofortigen Rodungsstopp und einen öffentlichen Prozess der Aufklärung.

Ob und wie viele Bäume in dieser „geschützten Zone“ nun möglicherweise doch schon gerodet wurden, prüfe man jetzt, hieß es aus der Behörde. Eine Sprecherin der Polizei Hannover sagte, man habe zuvor zumindest einen Baum in direkter Nähe des Camps wieder aus der Umzäunung für die Rodung genommen - nähere Angaben machte sie nicht und verwies auf die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr.

Dessen Sprecher teilte am Montagabend mit, dass die Vorwürfe nach einer Überprüfung bislang nicht verifiziert werden konnten. „Wir als Landesbehörde haben derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass den mündlich getroffenen Absprachen zwischen Polizei und Demonstrierenden vom Sonntag anlässlich des zuvor besetzten Baumes zuwider vereinzelte Bäume gefällt wurden“, hieß es in der Stellungnahme. Die Behörde setze weiter auf den Dialog mit den Demonstranten. Bei allen Fällarbeiten werde darauf geachtet, den Eingriff in die Natur so minimal wie möglich zu halten. Die Rodungen sollen am Dienstag fortgesetzt werden.

© dpa-infocom, dpa:221205-99-785893/7

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