Verbot von Leerverkäufen:Attacke auf Spekulanten

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Aktien verkaufen, die man nicht hat? Investoren können das. Doch das soll sich ändern. Und Brüssel will Finanzkonzerne nun europaweit zur Kasse bitten: Sie sollen bis zu 500 Milliarden Euro in Rettungsfonds einzahlen.

C. Gammelin u. A. Hagelüken

Die Bundesregierung will Finanzgeschäfte noch stärker einschränken als bisher bekannt. Wie aus einem Gesetzentwurf des Finanzministeriums hervorgeht, sollen alle ungedeckten Leerverkäufe auf Aktien verboten werden.

Das Verbot von Leerverkäufen geht wesentlich weiter als bislang bekannt. (Foto: ag.dpa)

Die Finanzaufsicht Bafin hatte in der vergangenen Woche lediglich ungedeckte Leerverkäufe von Aktien von zehn deutschen Finanzinstituten wie Allianz und Deutsche Bank verboten. Der Gesetzentwurf geht hier deutlich weiter, da er keine Beschränkung auf bestimmte Aktien vorsieht - ungedeckte Leerverkäufe auf Aktien sollen generell untersagt werden. Mit Leerverkäufen können Investoren auf fallende Kurse wetten: Dabei leihen sie sich ein Wertpapier, verkaufen es und hoffen, sich den Titel vor der fälligen Rückgabe billiger beschaffen zu können. Bei ungedeckten Leerverkäufen verfügt der Spekulant noch nicht einmal über das Papier, das er verkauft.

Der Entwurf sieht zudem die Einführung von Meldepflichten bestimmter Leerverkaufspositionen vor. Auch viele Währungsderivate auf den Euro sollen untersagt werden. Der deutsche Alleingang beim Verbot ungedeckter Leerverkäufe war vergangene Woche von mehreren EU-Ländern scharf kritisiert worden. Auch die Privatbanken laufen dagegen Sturm. Der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt sieht die Vorstöße ebenfalls skeptisch. "Es ist ein isolierter Schritt in einer globalisierten Welt", sagte der Chef des Essener RWI-Instituts.

Auch die EU-Kommission erhöht den Druck auf die Finanzbranche: Sie will durch eine europaweite Bankenabgabe erreichen, dass Finanzkrisen künftig nicht mehr zulasten des Steuerzahlers gehen. Geldhäuser sollen in nationale Fonds einzahlen, die die Sanierung und Abwicklung gescheiterter Institute finanzieren. Vergangene Woche hatten sich die EU-Finanzminister geeinigt, möglichst die Gewinne der Banken höher zu besteuern oder alle Börsengeschäfte zu belasten. Einer solchen Transaktionsteuer wird aber von einigen europäischen Regierungen keine große Chance eingeräumt, beim nächsten G20-Gipfel die Zustimmung anderer großer Industriestaaten zu finden.

Deshalb forciert die EU-Kommission jetzt eine Bankenabgabe, die international oder im europäischen Alleingang eingeführt werden könnte. "Es ist inakzeptabel, dass die Steuerzahler weiter die hohen Kosten von Bankenrettungen tragen. Die Verursacher der Probleme sollten zahlen", fordert Binnenmarktkommissar Barnier in einem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Nach einer früheren Schätzung der Kommission kostet die Bankenrettung in der aktuellen Krise Europas Steuerzahler bis zu 1800 Milliarden Euro, umgerechnet 3500 Euro pro EU-Bürger. Wie viel die Geldhäuser in nationale Abwehrfonds gegen künftige Krisen einzahlen sollen, beziffert Barnier noch nicht. Er beruft sich aber auf einen Vorschlag des Weltwährungsfonds IWF, wonach solche Fonds im Laufe der Jahre mit zwei bis vier Prozent der Wirtschaftsleistung ausgestattet werden sollten. Das wären im Fall der 27 EU-Staaten 250 bis 500 Milliarden Euro, die in die Fonds fließen müssten.

Mitgliedsstaaten wie Deutschland und Schweden planen bereits eine Bankenabgabe, die im deutschen Fall gut eine Milliarde Euro im Jahr einbringen soll. US-Präsident Barack Obama hat eine höhere Abgabe für sein Land vorgeschlagen, die auf Deutschland umgerechnet etwa neun Milliarden Euro Einnahmen bringen würde. Kommissar Barnier favorisiert statt nationalen Gesetzen eine europaweite Lösung, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Die Sorge ist, dass Geldhäuser sonst Geschäft etwa aus Deutschland in europäische Länder verlagern könnten, in denen es keine Abgabe gibt. Damit würden in Deutschland Arbeitsplätze verlorengehen, gleichzeitig würde das Ziel verfehlt, genügend Mittel für die Bewältigung der Krise von den Banken einzutreiben.

Barnier betont, dass angeschlagene Banken künftig in erster Linie weder vom Steuerzahler noch von den neuen Fonds aufgefangen werden sollen. Bankaktionäre und -manager dürften sich nicht auf die Rettung von Geldhäusern verlassen, und deshalb zu hohe Risiken eingehen. "Aktionäre und unversicherte Kreditgeber müssen die ersten sein, die die Konsequenzen einer Schieflage der Bank tragen." Der Fonds hat aus Barniers Sicht eine andere Aufgabe: Er soll Übergangshilfen für ein angeschlagenes Geldhaus finanzieren, die Aufspaltung der Bank in zukunftsträchtiges und todgeweihtes Geschäft erleichtern oder die Abspaltung fauler Wertpapiere in eine schlechte Bank (Bad Bank) ermöglichen.

Kommissar Barnier will sicherstellen, dass die Geldhäuser die Zahlungen an die Fonds nicht auf ihre Kunden abwälzen können. Ob die Abgabe auf die Gewinne der Geldhäuser, auf ihr Vermögen oder auf ihre Schulden berechnet wird, darauf legt sich der Kommissar noch nicht fest. Die Abgabe müsste von den 27-EU-Staaten beschlossen werden.

© SZ vom 26.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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