VDO wird verkauft:Der neue Chef baut Siemens radikal um

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Peter Löscher will Siemens schneller und weniger komplex machen - und schließt schon kurz nach Amtsantritt ein umstrittenes Geschäft ab.

Markus Balser und Meite Thiede

Der neue Siemens-Chef Peter Löscher stellt kurz nach seinem Amtsantritt die Weichen für eine Neuausrichtung des skandalbelasteten Technologie-Konzerns. Er verkauft für 11,4 Milliarden Euro den Autozulieferer VDO und baut zugleich die Medizintechniksparte aus.

Löscher begründete die Entscheidungen damit, dass Siemens schneller und weniger komplex werden müsse. Der Verkauf von VDO mit seinen 50.000 Mitarbeitern und der Ausbau des Zukunftsfeldes Medizintechnik durch den Kauf der US-Firma Dade Behring seien Teil dieser Strategie, sagte er am Mittwoch in München.

Mit den Milliardengeschäften setzt der Österreicher die Strategie seines Vorgängers Klaus Kleinfeld fort, den Konzern auf die drei Bereiche Industrie, Medizintechnik und Energie zu konzentrieren. Kleinfeld hatte den Konzern inmitten des Korruptionsaffäre Ende Juni wegen Differenzen um seine Vertragsverlängerung verlassen. Löscher trat die Nachfolge dann Anfang Juli an.

Im Wettstreit um die Sparte VDO setzte sich der deutsche Zulieferkonzern Continental gegen den US-Wettbewerber TRW durch, hinter dem der Finanzinvestor Blackstone steht. Zusammen kommen Continental und VDO auf einen Umsatz von 25 Milliarden Euro und beschäftigen 140.000 Mitarbeiter. VDO stellt Navigationssysteme, Motorsteuerungen und Tachometern her.

Mit dem Kauf steht Continental jetzt in der Branche weltweit an dritter Stelle hinter Bosch und dem japanischen Denso-Konzern. Der VDO-Kauf markiert nach Angaben des Continental-Vorstandschefs Manfred Wennemer "einen vorläufigen Höhepunkt" in der Einkaufstour der vergangenen zehn Jahre.

Gewerkschaft protestiert

Die Vertreter der IG Metall in den Aufsichtsräten von Siemens und Continental sprachen sich gegen den Verkauf von VDO aus. Beide Unternehmen hätten die Belange der Beschäftigten nicht ausreichend berücksichtigt, teilte der IG-Metall-Vizevorsitzende Berthold Huber mit. Sie seien nicht bereit gewesen, den Beschäftigten verbindliche Zusagen über den Erhalt von Arbeitsplätzen und Standorten für den Zeitraum von fünf Jahren zu geben. Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer sagte der Agentur dpa: ,,Ich befürchte, wir werden noch ein Desaster erleben.'' Er fürchte den Verlust von bis zu 7000 Arbeitsplätzen.

Continental-Chef Wennemer erwartet Einsparungen von 170 Millionen Euro im Jahr. Er versicherte, dass zur Finanzierung kein Verkauf von Unternehmensteilen geplant sei. Es sei aber ,,völlig klar'', dass es zu Restrukturierungen kommen müsse, sagte Wennemer und versprach ,,faire Lösungen''.

Continental gehört in der Branche zu den bestverdienenden Konzernen und hatte die Gewinne zuletzt auch mit Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer ausgebaut.Im Gegenzug für den Verkauf will Siemens etwa sieben Milliarden Dollar für Dade Behring auf den Tisch legen.

Das Unternehmen ist im Bereich der medizinischen Labordiagnostik aktiv. Mit der Medizintechnik baut der Konzern ein erklärtes Zukunftsfeld aus. In den weiteren Umbau geht Siemens mit gehörigem Rückenwind. Umsatz und operatives Ergebnis legten im zweiten Quartal 2007 deutlich zu.

In der Korruptionsaffäre bei Siemens stoßen die internen Ermittler des Konzerns derweil auf immer neue Details. Es gebe "zusätzliche Bankkonten und Kassen an unterschiedlichen Orten, die nicht in der Konzernbilanz erfasst wurden", teilte das Unternehmen mit. Die Untersuchungen könnten sich ausweiten, hieß es weiter. Geldbußen, Schadenersatz oder Ausschlüsse von öffentlichen Aufträgen seien möglich, teilte der Konzern weiter mit.

© SZ vom 26.07.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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