VDA:In diplomatischer Mission

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Der frühere Ford-Deutschland-chef und Präsident der US-Handelskammer in Deutschland, Bernhard Mattes, könnte bald den Verband der Automobilindustrie führen und damit Matthias Wissmann folgen. In der Branche löst dies Unruhe aus.

Von Thomas Fromm und Max Hägler, München

Es waren die Wochen nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, in denen Bernhard Mattes ganz in der neuen Rolle aufging, der des Diplomaten. Aufgehen musste, sollte man vielleicht sagen, als Chef der US-Handelskammer (AmCham) in Frankfurt musste er nun auf zwei Seiten sehr gut zuhören - in den USA und in der deutschen Wirtschaft.

Der langjährige Ford-Deutschlandchef Mattes tat es auf seine Art: mit wie immer leiser Stimme und dem nötigen Fingerspitzengefühl. Bei einem Treffen mit Journalisten im Frühjahr sprach in München der Amerika-Freund von seinen Reisen in die USA, von Gesprächen mit Managern, Politikern, Diplomaten, und er warnte davor, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen leiden könnten. Ein Thema, das ihn seit vielen Monaten umtreibt. "Wir als Kammer sagen ganz klar: 'America first' ist in einer einseitigen Form nicht zum Vorteil der Amerikaner", sagte er. Vornehm im Ton, aber sehr konkret in der Sache - Mattes ist ein Mann für das Alltagsgeschäft, aber auch für die Krisenmomente. Und deshalb dürfte diese Wahl auf ihn fallen, wenn es nun um die Nachfolge von Matthias Wissmann als Präsident des Lobbyvereins der Autoindustrie geht, des mächtigen VDA.

Vom Wesen her sind sich die beiden ähnlich, der jetzige und der womöglich neue Präsident: Ruhig und eher mit Krawatte als ohne, was derzeit Dresscode ist bei einigen, die so irgendwie Lässigkeit in die Branche bringen wollen. Jedenfalls hört man in der Industrie auch keinen Widerstand gegen den 61-jährigen Wirtschaftswissenschaftler, der auch lange bei BMW arbeitete. Obwohl der Prozess der Neubesetzung und der Zeitpunkt des Durchsickerns eines neuen Namens einige vor den Kopf stoßen. Offenbar hat Daimler-Chef Dieter Zetsche bei ihm vorgefühlt, der auch eine Art Mandat hat als Vizepräsident im VDA. Entschieden sei noch nichts, sagte ausgerechnet der bisherige Präsident am Mittwoch, nachdem sich die Mitglieder, also die Automanager, zu einer Vorstandssitzung getroffen hatten.

Der Aufschub und die damit anhaltenden Spekulationen um einen der wichtigsten deutschen Lobbyposten mag auch damit zu tun haben, dass Chefs von einigen der größten Autotechnik-Konzerne Deutschlands noch Fragen stellen: Sollten wir nicht zuvorderst überlegen, wie ein Lobbyverband in Zukunft aussehen soll, wie also gewissermaßen die Aufgabenbeschreibung lauten soll? Vielleicht wäre es auch dann auf Mattes zugelaufen.

Vielleicht habe Zetsche dem Wissmann noch eine mitgeben wollen, mutmaßen Manager

Dann aber stelle sich schon die Frage, wieso ausgerechnet jetzt diese Personalie durchgestochen wird. Um Mattes zu beschädigen? Den VDA zu beschädigen? Um Wissmann zu beschädigen? Irgendwann im Frühjahr 2018, das hätte genügt und wäre auch von besserem Stil gewesen. Vielleicht habe Zetsche dem Wissmann noch eine mitgeben wollen, mutmaßen Managerkollegen in anderen Häusern. Das ist unwahrscheinlich, auch wenn er am deutlichsten verwundert war über Wissmann, als der VDA-Chef im Sommer die Autokonzerne kritisierte: Die hätten "im Graubereich" gesurft, angesichts andauernder Absprachen über Fahrzeugtechnik. Nach dieser Kritik des obersten Angestellten an seinen Arbeitgebern wurde schon damals laut erzählt, dass Wissmann abgelöst werden solle, obwohl er sowieso im kommenden Jahr in den Ruhestand geht. Die Manager bezichtigten sich hernach gegenseitig der Illoyalität - aber rissen sich noch einmal zusammen: Denn letztlich stellen nur wenige in Frage, dass Wissmann für die Branche insgesamt im Wortsinne Gold wert ist und war mit seinen Kontakten in die Politik - wie sich erst jetzt wieder zeigte bei der Aufweichung der CO₂-Vorgaben in Brüssel .

Den kurzen Draht zur Bundeskanzlerin hätte Mattes nicht, trotz seiner Arbeit in der Handelskammer. Aber vielleicht ist er anschlussfähiger an die hemdsärmeligen Autoleute als der Schöngeist Wissmann: Gern redet Mattes über seinen Verein, den 1. FC Köln, oder auch den Karneval im Rheinland. Geboren ist er übrigens in Wolfsburg, der VW-Stadt.

Die meiste Zeit allerdings arbeitete er eben bei Ford, diesem deutsch-amerikanischen Autobauer. Dadurch kennt er alle deutschen Automanager, die gemeinsam mit den Zulieferern den VDA bilden. Aber er war nicht direkter Teil der Kerngruppe. In Zeiten, in denen die deutsche Autobranche unter Kartellverdacht steht, in der die Hersteller Daimler und VW Kronzeugenschaft beantragt haben und BMW sich nun von den anderen hintergangen fühlt, in der die Einheit der Industrie bröckelt und hinter den Kulissen jeder gegen jeden schießt, ist dies von einigem Wert.

© SZ vom 09.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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