USA-Deutschland:Eine Handelsfreundschaft

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Die deutsch-amerikanische Wirtschaftsbeziehung war und ist besonders. Jetzt kommt US-Präsident Barack Obama nach Hannover.

Von Nikolaus Piper, München

In der Science-Fiction-Parodie "Der Schläfer" von 1973 wird Woody Allen ohne sein Zutun tiefgefroren und 200 Jahre später wieder aufgetaut. Die USA sind eine Diktatur und Woody muss mit seiner Partnerin Diane Keaton vor deren Schergen fliehen. Sie kommen in eine verfallene Höhle und unter Staub und Schutt entdecken sie einen uralten VW Käfer. Woody dreht den Zündschlüssel, der Motor springt an und der Held sagt: "So was haben die vor 200 Jahren gebaut."

Die Szene ist nicht nur ein Lacher im Kino, sondern auch ein hintersinniger Kommentar zu den deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen. Diese sind voller Klischees, Mythen und Geschichten, faszinierenden ebenso wie bedrückenden. Es passt durchaus dazu, dass Volkswagen, Produzent von Kultautos und mutiger Werbeclips (" Thats the Power of German Engineering") jetzt ausgerechnet wegen eines Verfahrens in den USA in die größte Krise einer jüngeren Geschichte geraten ist. Und auch das: Im vergangenen Jahr haben die USA erstmals Frankreich als wichtigsten Handelspartner Deutschlands abgelöst mit Exporten und Importen von zusammen 173,2 Milliarden Euro. Jetzt besucht mit Barack Obama erstmals ein amerikanischer Präsident die Hannover Messe. Gleichzeitig aber - absurder Gegensatz - ist der Hass auf das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU nirgendwo so groß wie in Deutschland.

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts machten sich die Vereinigten Staaten und das Deutsche Reich fast gleichzeitig und mit ähnlichem Erfolg daran, England als stärkste Wirtschaftsmacht der Erde zu überholen. Dabei gab es viele Querverbindungen. Die Brooklyn Bridge in New York wurde von Johann August Roebling konstruiert, einem Ingenieur aus Mühlhausen in Thüringen. Siemens errichtete 1892 eine erste Produktionsstätte in Chicago (heute beschäftigt der Konzern 46 000 Menschen in den USA). Der Berliner Ingenieur Emil Rathenau gründete 1893 die "Deutsche Edison Gesellschaft für angewandte Elektricität", um die Glühlampen-Patente des amerikanischen Erfinder-Genies Thomas Alva Edison zu nutzen. Daraus wurde später der AEG-Konzern.

Nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurden die meisten deutschen Beteiligungen in den USA enteignet. Deshalb gibt es bis heute zwei Merck-Pharmaunternehmen: Merck & Co aus New Jersey und die Merck KGaA aus Darmstadt. Bayer verlor seine Rechte am Markennamen Aspirin. Den hat der deutsche Konzern zwar wieder zurückgekauft, bis heute jedoch haben Bayers Aspirin-Packungen in den USA ein völlig anderes Design als in Deutschland. In den Jahren der Weimarer Republik drehten sich die Kapitalströme um, die Amerikaner entdeckten Deutschland als Standort. 1929 stieg General Motors bei Opel ein; in der Weltwirtschaftskrise übernahm GM den Auto- und Nähmaschinenhersteller ganz. Ebenfalls 1929 unterzeichnete der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer einen Vertrag zum Bau einer Ford-Autofabrik in Köln. Auch während des Dritten Reiches liefen die Geschäfte bei Ford gut, wohl auch weil Firmengründer Henry Ford Antisemit war und Hitler bewunderte. Auch Coca-Cola kam 1929 nach Deutschland. Das Unternehmen konnte im Zweiten Weltkrieg weiter produzieren, obwohl Coca-Cola den Nazis als Symbol für die Kultur des Feindes galt. 1940 kam es zu dem bizarren Vorgang, dass ausgerechnet ein Coca-Cola-Manager in Essen die Marke Fanta erfand. Die Brause wurde zunächst aus Molke hergestellt und diente den Deutschen für den Rest des Krieges als Coke-Ersatz. Die Goldene Zeit der deutsch-amerikanischen Handelsbeziehungen begann dann 1948. Die Währungsreform und die Einführung der D-Mark wurden amerikanisch konzipiert. Über den Marshall-Plan strömten 1,4 Milliarden Dollar nach Westdeutschland (in heutigen Preisen 130 Milliarden Dollar). Der Korea-Krieg schließlich wirkte von 1950 bis 1953 wie ein gigantisches Konjunkturprogramm für den deutschen Maschinenbau. Besonders die jungen Deutschen nahmen das amerikanische Lebensgefühl begierig auf. Während die Alten noch die "Oberflächlichkeit des "Amerikanismus" (so der Philosoph Martin Heidegger) und die "Negermusik" beklagten, hatte die neue Generation Spaß an Coca-Cola, an Hula-Hoop-Reifen, Petticoats, Jazz und Rock'n Roll.

Währenddessen florierte der wechselseitige Außenhandel. Bereits 1947, also noch von der Währungsreform, wurde in New York die Deutsch-Amerikanische Außenhandelskammer gegründet. Die Währungsordnung der Nachkriegszeit, 1944 in Bretton Woods (New Hampshire) beschlossen, basierte faktisch auf einem überwerteten Dollar. Das mag unbeabsichtigt gewesen sein, in der Praxis kam diese einem Aufbauprogramm für die Bundesrepublik, Frankreich, Italien und anderen gleich. Damals wurde der Goldschatz der Deutschen Bundesbank gebildet, von dem heute immer noch ein Teil im Keller der Federal Reservebank of New York unter dem Granit von Manhattan liegt.

Heute, im Zeitalter der Globalisierung, sind die Beziehungen enger denn je. Google, Facebook, Apple und Microsoft prägen den Alltag der Deutschen, im Guten wie im Schlechten. Deutsche Manager streifen durchs Silicon Valley auf der Suche nach Ideen und Kapital. Umgekehrt sind deutsche Autos in den USA der Inbegriff von Qualität und Zuverlässigkeit. Wie groß der Kollateralschaden der VW-Abgas-Affäre sein wird, muss man erst noch sehen. Jedenfalls sind das, was Käfer und VW-Bus für die Woodstock-Generation waren, für junge wohlhabende Leute in New York, Boston und San Francisco BMW, Mercedes und Audi.

Präsident Barack Obama setzt bei seinem Versuch, die Reindustrialisierung Amerikas voranzutreiben, gezielt auf die Deutschen. Ihm gilt, wie vielen Experten in den USA auch, das deutsche System der Berufsausbildung als vorbildlich. Das machte er bei seiner Rede zur Lage der Nation am 24. Januar 2012 auf sehr symbolhafte Weise deutlich. Auf der Ehrentribüne neben First Lady Michele Obama saß Jacky Bray, eine alleinerziehende Mutter, die bei Siemens in North Carolina eine Lehre nach deutschem Muster absolviert hatte. Deutschland als Vorbild - auch das gibt es heute.

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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