US-Zölle:"Verwetten Sie nicht Ihre Farm"

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Ein US-Landwirt erntet Sojabohnen. Einer der wichtigsten Abnehmer war bislang China. (Foto: Daniel Acker/Bloomberg)

Während sich Trump im Glanz des ersten Vertrags mit China sonnt, leidet die Wirtschaft. Unternehmen haben Tausende von Ausnahmeanträgen eingereicht. Immer mehr Landwirte sind pleite.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Donald Trumps größtes handelspolitisches Problem ist derzeit, einen Termin und einen Ort für die Unterzeichnung des sogenannten "Phase-1"-Abkommens zu finden - jenes Schmalspurvertrags über die Steigerung der US-Agrarexporte nach China, den er mit Peking ausgehandelt hat. Der "Deal" klammert alle zentralen Probleme zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt aus, doch da der US-Präsident Inszenierungen liebt, muss es nun ein Treffens mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping geben. Der ursprüngliche Plan, das Abkommen Mitte November am Rande des Gipfels der Pazifikanrainerstaaten zu unterschreiben, war geplatzt, weil der Gastgeber Chile die gesamte Konferenz schlicht abgesagt hatte.

Derlei Inszenierungssorgen hätten die Tausenden US-Firmen gerne, die sich täglich mit den Folgen der Trumpschen Zollpolitik herumschlagen müssen. Der Präsident hat mittlerweile Lieferungen aus China im Wert von mehr als 360 Milliarden Dollar mit Strafabgaben von bis zu 25 Prozent belegt, um die Volksrepublik zu zwingen, ihren hohen Exportüberschuss zu beseitigen und das Subventionsprogramm zum Aufbau neuer Weltmarktführer in wichtigen Zukunftstechnologien zu stoppen - bisher ohne Erfolg. Anders als von Trump behauptet, bleiben die Zollkosten nur zum geringen Teil an den chinesischen Lieferanten, sondern vor allem an den amerikanischen Importeuren hängen. Allein bis Ende August soll die Politik des Präsidenten die US-Betriebe bereits mit mehr als 34 Milliarden Dollar belastet haben.

Während viele Firmen die Zusatzkosten zunächst in der Bilanz versteckten und nur teils an die Kunden weitergaben, bleibt ihnen mittlerweile nichts anderes übrig, als die Preise zu erhöhen. Andere versuchen, die Zölle mit Ausnahmegenehmigungen zu umgehen. Nach Recherchen des Nachrichtenportals Axios sind schon mehr als 44 000 entsprechende Anträge beim Amt des Handelsbeauftragten Robert Lighthizer eingegangen, nur etwa jeder zehnte wurde bisher genehmigt. Dabei ist völlig unklar, warum dem einen Gesuch stattgegeben wird und dem anderen nicht. "Das Antragsportal beim US-Handelsbeauftragten ist derzeit der wichtigste Ort der gesamten Weltwirtschaft", sagte der Handelsanwalt Daniel Ujczo dem Nachrichtenportal.

Laut Wall Street Journal hat allein der Autoteile-Lieferant Arrowhead aus Minnesota Tausende Ausnahmeanträge gestellt. Das Unternehmen kauft Ersatzteile für Pkw, Rasenmäher und andere Geräte in China ein und vertreibt diese als Alternative zu teureren Originalteilen in den USA. Seit Einführung der Zölle wird auf praktisch jedes Produkt eine Zusatzabgabe von 25 Prozent fällig, das gesamte Geschäftsmodell steht deshalb in Frage. Weil Lighthizers Amt Firmen rät, möglichst genau zu begründen, warum Importwaren von den Zöllen befreit werden sollten, hat Arrowhead für jedes einzelne Produkt einen eigenen Antrag gestellt - von der Dichtung über den Luftfilter bis zur Zündkerze.

Und noch eine Branche leidet: die Landwirtschaft. Ihr ist mit China einer der wichtigsten Absatzmärkte für Soja, Mais, Obst und andere Waren weggebrochen, weil Peking als Vergeltung für Trumps Zölle viele US-Agrarprodukte mit Importabgaben belegt hat. Die Zahl der landwirtschaftlichen Insolvenzen stieg gegenüber dem Vorjahr um 24 Prozent, die Schulden aller Farmer dürften bis Ende 2019 zusammengenommen mehr als 415 Milliarden Dollar erreichen. Hier soll Trumps "Phase-1-Deal" Abhilfe schaffen, denn er sieht vor, dass China künftig Agrarwaren im Wert von 40 bis 50 Milliarden Dollar pro Jahr aus den USA bezieht. Das wäre das Anderthalbfache dessen, was die Volksrepublik im bisherigen Rekordjahr 2013 kaufte - und mehr, als die US-Farmer derzeit überhaupt produzieren können. Er glaube deshalb nicht, dass dieses "aufgeblasene Versprechen" auch nur ansatzweise erfüllt werden könne, schrieb Jeffrey Schott vom Wirtschaftsforschungsinstitut Peterson jüngst. Er könne den Bauern deshalb nur raten: "Verwetten Sie nicht Ihre Farm auf Trumps Waffenstillstand mit China!"

© SZ vom 07.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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