US-Wahlkampf:In Erwartung des Wandels

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Ein Sieg von Barack Obama bei den US-Präsidentschaftswahlen könnte den Arbeitsmarkt dort deutlich verändern. Die Gewerkschaften hoffen auf Millionen neuer Mitglieder, Handelsexperten hingegen befürchten zunehmenden Protektionismus.

Janek Schmidt

In der Prognose steckt noch viel Spekulation, doch immer mehr Unternehmen richten ihre Planung bereits darauf aus: "Wenn Barack Obama die Präsidentschaftswahlen gewinnt, wird er mehrere Reformen auf dem Arbeitsmarkt starten", sagt Andy Kramer, Arbeitsrechtler von der Anwaltskanzlei Jones Day. "Die Auswirkungen wären massiv, auch für ausländische Firmen in den USA."

Hoffen auf Obama: Die Gewerkschaften haben eine lange Wunschliste. (Foto: Foto: AP)

Reform des Gewerkschaftsgesetzes

Andere Wirtschaftsexperten teilen diese Ansicht: Sie erwarten so unterschiedliche Reformen wie ein Gesetz zur Stärkung der Gewerkschaften, Veränderungen in der US-Handelspolitik, eine weitreichende Gesundheitsreform und eine Stärkung von Aufsichtsbehörden, etwa der Arbeiterschutzbehörde.

All diese Projekte würden die Position von Arbeitnehmern stärken - zugleich könnten sie jedoch die Produktionskosten von Unternehmen erhöhen und deren Flexibilität einschränken.

"Das Gewerkschaftsgesetz würde einen grundlegenden Wandel bringen", sagt Kramer. Der sogenannte Employee Free Choice Act würde es Arbeitnehmern erleichtern, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Bislang sind Unternehmen in den USA nur zu Verhandlungen mit Gewerkschaften verpflichtet, wenn sich die Hälfte der Angestellten in geheimen Wahlen zu der Gewerkschaft bekannt hat.

Arbeitnehmervertreter beklagen, dass Angestellte bei diesen Wahlen dem Druck ihrer Chefs ausgesetzt seien. Nach dem geplanten Gesetz könnten Firmen zu Tarifverhandlungen verpflichtet werden, wenn eine Gewerkschaft die Unterschriften der halben Belegschaft eingetrieben hat. Für die Verhandlungen gäbe es zudem ein striktes Zeitlimit.

Millionen neue Mitglieder

Ross Eisenbrey, Vizepräsident des arbeitnehmernahen Economic Policy Institute in Washington hält den Employee Free Choice Act ebenfalls für sehr bedeutsam. In den vergangenen 25 Jahren sei der Anteil der gewerkschaftlich organisierten Angestellten von 20 auf 12 Prozent gefallen. "Das neue Gesetz könnte diesen Trend umkehren und den Gewerkschaften mehr als zwei Millionen neue Mitglieder einbringen", sagt Eisenbrey.

Wie sich deren Einkommen dann verändern würden, ist umstritten. Eisenbrey erwartet, dass sie innerhalb eines Jahrzehnts mit einer Lohnerhöhung von insgesamt 15 Prozent rechnen könnten.

Kritiker bemängeln, das Gesetz gebe Gewerkschaften die Möglichkeit, Arbeitnehmer unter Druck zu setzen. Obama unterstützt das Gesetz jedoch, auch das US-Repräsentantenhaus hat bereits zugestimmt. Im Senat blockieren derzeit die Republikaner die Abstimmung, zudem hat Präsident George W. Bush sein Veto angekündigt.

Protektionismus befürchtet

Eisenbrey erwartet, dass ein Sieg der Demokraten bei den Präsidentschafts- und den Senatswahlen die Balance entscheidend ändern könnte. "Obama könnte unentschiedene Senatoren auch mit Hilfe anderer Zugeständnisse beeinflussen", sagt er.

Große Auswirkungen könnte auch eine neue US-Handelspolitik haben. Während sich John McCain zur Kontinuität beim Freihandel bekennt, folgt Obama dem Trend vieler US-Demokraten zu mehr Protektionismus. Er kritisiert das von Bill Clinton ausgehandelte Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta. Seine Vorschläge zur Handelspolitik konkretisierte er im vergangenen Jahr, als er den sogenannten Patriot Employers Act auf den Weg brachte.

Der Gesetzentwurf sieht einen einprozentigen Steuervorteil für Unternehmen vor, die mehrere Regeln einhalten: Erstens dürften sie das Verhältnis von Angestellten im Ausland zu Angestellten in den USA nicht erhöhen. Firmen, die im Ausland Jobs schaffen, müssten das also auch zu Hause tun. Zweitens müssten sie statt des landesweiten Mindestlohns von 5,85 Dollar mindestens 7,80 Dollar pro Stunde bezahlen, um den Steuervorteil zu erhalten.

Der Wirtschaftsprofessor Willem Buiter von der London School of Economics kritisiert diese Pläne als fremdenfeindlich und populistisch: Es sei buchhalterisch unmöglich, heimische und ausländische Jobs aufzurechnen, und verleite Firmen zu unproduktiver Bilanztrickserei. Die Lohnerhöhung würde Geringqualifizierte aus dem Arbeitsmarkt treiben und die Arbeitslosigkeit erhöhen, sagt er.

Aufsichtsbehörden stärken

Die vielleicht weitreichendste Reform planen beide Präsidentschaftsanwärter in der Gesundheitsversorgung. John McCain will eine Art Privatisierung der Krankenversicherung. Dafür will er Familien einen 5000-Dollar-Bonus für ihre Versicherungskosten zahlen. Dafür soll die steuerliche Förderung für Krankenversicherungen durch den Arbeitgeber abschafft werden. "Das Geld, das Firmen heute steuerfrei in die Versicherung ihrer Angestellten investieren, würden sie in Zukunft eher als versteuertes Gehalt auszahlen", sagt der Gesundheitsökonom der University of Rochester, Charles Phelps.

Der Staat erhielte so mehr Steuern, und Unternehmen müssten sich weniger um Krankenversicherung kümmern. McCain hofft, so von den derzeit 47 Millionen Amerikanern ohne Krankenversicherung bis zu 44 Millionen zu einer Versicherung zu verhelfen.

Im Gegensatz dazu möchte Obama Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen: Neben dem Zwang für Eltern, eine Versicherung für ihre Kinder abzuschließen, schlägt Obama ein sogenanntes "pay-or-play"-System für Arbeitgeber vor: Demnach müssten sie entweder in eine Art nationalen Fonds einzahlen oder eine Krankenversicherung für ihre Angestellten abschließen. Viele Firmen, die bereits Versicherungen für ihre Angestellten anbieten, begrüßen den Vorschlag, doch die meisten anderen kritisieren ihn.

Attraktiver Investitionsstandort

Zusätzlich zu diesen Vorhaben will Obama die nationalen Regulierungsbehörden stärken, die unter Bushs Ägide extrem zurückhaltend agierten. Umwelt- und Arbeitsrechtler erwarten vor allem ein stärkeres Durchgreifen der Environmental Protection Agency, der einst einflussreichen Umweltaufsicht, und der Arbeiterschutzbehörde.

Inwieweit diese Reformen ausländische Unternehmen von Investitionen in den USA abschrecken könnten, ist unsicher. Die meisten Experten erwarten jedoch keinen Investitionsrückgang. "Man kann Kapital nirgends so gewinnbringend und zugleich mit so niedrigem Risiko einsetzen wie in den USA", sagt Aaron Brickman, Chef von Invest in America, der neu geschaffenen Abteilung im US-Handelsministerium (siehe Ende des Artikels).

Die USA lägen auf der UN-Rangliste der attraktivsten Investitionsländer auf Platz eins, laut Weltbankbericht " Doing Business 2008" haben nur Singapur und Neuseeland wirtschaftsfreundlichere Gesetze. Die Kombination aus gut ausgebildeten Arbeitnehmern, hoher Innovationsfähigkeit und Rechtsschutz für Investoren zeichneten die USA weiterhin aus, sagt Brickman. "Zumindest daran werden auch die Wahlen nichts ändern."

Invest in America Bis vor kurzem waren die USA eine der letzten Industrienationen, deren nationale Regierung kein spezielles Büro zum Anwerben von Direktinvestitionen hatte. Nachdem aber der Anteil der weltweiten Direktinvestitionen, die in die USA fließen, von mehr als 40 Prozent in den 1980er Jahren zuletzt unter 15 Prozent sanken, gründete die Regierung von Präsident Bush 2007 im US-Handelsministerium die neue Abteilung Invest in America. Ausländische Firmen, die bei ihrer Investitionsplanung Ansprechpartner in bestimmten Rechtsfragen, Handelsbranchen oder für bestimmte Bundesstaaten suchen, werden fündig auf www.trade.gov/investamerica

© SZ vom 24.06.2008/jpm/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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