Urteil für Bankhändler:14 Jahre Haft für den Zins-Betrüger

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Tom Hayes und seine Frau Sarah auf dem Weg in den Southwark Crown Court: Das Gericht verurteilte den früheren Bankhändler zu 14 Jahren Haft. (Foto: Simon Dawson/Bloomberg)

Der Brite Tom Hayes muss für überraschend lange Zeit ins Gefängnis. Das Verfahren zeigt, wie verbreitet die Manipulationen in der Branche waren.

Von Björn Finke, London

14 Jahre: Solange muss Tom Hayes ins Gefängnis, weil der Bankhändler über Jahre hinweg den wichtigen Zinssatz Libor manipuliert hat. Die Jury im Londoner Southwark Crown Court sprach den 35-jährigen Briten am Montag der Verschwörung zum Betrug in acht Fällen schuldig. Die Strafe fiel überraschend hart aus. Damit endet nach neun Wochen der weltweit erste Prozess gegen einen Banker wegen des Libor-Skandals. Weitere werden folgen. Das Verfahren zeigte, wie sicher sich die Banker fühlten, die den Zinssatz zu ihrem Vorteil drehten, und wie verbreitet solche Manipulationen waren.

Finanzaufseher begannen vor sieben Jahren mit ihren Ermittlungen. In der Folge zahlten Geldinstitute insgesamt neun Milliarden Dollar an Strafen, die Deutsche Bank einigte sich erst im April mit Kontrollbehörden auf eine Buße von 2,5 Milliarden Dollar. Der Libor ist ein sogenannter Referenz-Zinssatz; die Zinssätze von Krediten und Wertpapieren im unvorstellbaren Volumen von 350 Billionen Dollar orientieren sich an diesem täglich ermittelten Wert. Später kam noch heraus, dass auch bei anderen wichtigen Kursen auf den Finanzmärkten gemauschelt wurde, etwa bei Devisen-Notierungen.

Hayes hatte auf unschuldig plädiert, aber die Jury - sieben Männer, fünf Frauen - entschied nach einer einwöchigen Beratung anders. Bei der Urteilsverkündung in dem klobigen Gerichtsgebäude am südlichen Themse-Ufer sagte Richter Jeremy Cooke, dem einstigen Star-Händler Hayes fehle jene Integrität, die im Bankgeschäft üblich sein sollte. Hayes nahm das Urteil scheinbar emotionslos entgegen, seine Frau Sarah, eine Anwältin, und seine Eltern saßen der Schilderung britischer Medien zufolge mit gesenkten Köpfen im Zuschauerraum.

Thomas - oder Tom - Hayes war angeklagt, zwischen August 2006 und September 2010 zusammen mit Kollegen bei mindestens zehn anderen Banken und Brokerhäusern den Libor-Satz für Papiere in der japanischen Währung Yen frisiert zu haben. Der studierte Mathematiker, der Millionen verdiente, spekulierte in Tokio erst für die Schweizer Bank UBS und dann für den amerikanischen Rivalen Citigroup mit Termingeschäften auf Yen-Zinsprodukte: Er schloss also Wetten auf die Entwicklung dieses Zinses ab.

Den Libor-Wert legte damals noch der britische Bankenverband BBA fest, auf Grundlage der Angaben von Geldinstituten, wie viel Zinsen sie untereinander zahlen müssen. Hayes und seine Kumpanen in anderen Banken sorgten dafür, dass die Konzerne irreführende Daten schickten, damit sich der Yen-Libor in die gewünschte Richtung bewegt. Der Angeklagte zahlte dafür manchmal Schmiergeld.

Hayes, der an einer milden Form des Asperger-Syndroms leidet, also an Autismus, sagte vor Gericht, solche Absprachen seien in der Branche üblich gewesen. Seine Vorgesetzten hätten seine Methoden gekannt; und es habe keine Fortbildungen der Bank gegeben zur Frage, welche Strategien legal sind und welche nicht. Hayes machte sich deswegen nicht die Mühe, E-Mails oder Chat-Protokolle zu löschen, in denen er mit Kollegen über die Manipulation des Zinssatzes beriet. Er versicherte dem Richter, er habe nicht unehrlich gehandelt, sondern seinen Job einfach nur so perfekt wie möglich erledigen wollen, um seinen Arbeitgeber zufriedenzustellen.

Zwei weitere Strafverfahren gegen Banker werden im kommenden Jahr beginnen

Als die Jury sich vorige Woche zu den Beratungen zurückzog, gab Richter Cooke ihr etwas mit auf den Weg, das für Hayes nichts Gutes bedeuten konnte: Bei der Frage, ob der Angeklagte falsch gehandelt habe, sollte die Jury die Maßstäbe "vernünftiger, ehrlicher Mitglieder der Gesellschaft" anlegen. Und nicht besondere Maßstäbe "von Bankern und Händlern in diesem Markt", selbst wenn viele oder alle der Händler Hayes' Verhalten akzeptabel gefunden hätten, sagte der Richter.

Nach seiner Verhaftung im Dezember 2012 arbeitete Hayes zunächst gut mit den Ermittlern vom Serious Fraud Office zusammen, der Londoner Behörde für Fälle schwerer Wirtschaftskriminalität. Bereitwillig legte er dar, wie sein System funktioniert; die Aufnahmen der Verhöre gehen über 82 Stunden. Der Staatsanwalt spielte diese oft im Verfahren vor.

Später machte Hayes aber einen Rückzieher, verweigerte die Aussage und plädierte auf unschuldig. Vor Gericht sagte der Angeklagte, er habe nur deswegen anfangs mit der britischen Polizei kooperiert, weil er eine Auslieferung in die Vereinigten Staaten fürchtete.

Für die Ermittler vom Serious Fraud Office ist der Schuldspruch ein großer Erfolg. Sie wollen im kommenden Jahr zwei weitere Libor-Verfahren vor Gericht bringen. Insgesamt führen Behörden in den USA und Großbritannien 21 Banker als Beschuldigte. Für die Manager ist das harte Urteil gegen Hayes kein gutes Zeichen.

© SZ vom 04.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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