Urheberrecht:Brosamen für die Kreativen

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Die Vergütung urheberrechtlich geschützter Werke soll neu geregelt werden: Die hierzu bislang vorliegenden Pläne des Justizministeriums verärgern die Künstler und erfreuen die Industrie.

Heribert Prantl

Wenn Frau Bundesjustizministerin nicht Bundesjustizministerin wäre, sondern die freie Autorin, Kabarettistin oder Komponistin, Werbetexterin, Schriftstellerin, Journalistin oder Übersetzerin Brigitte Zypries - wäre sie auch dann mit ihrem neuen Urheberrecht zufrieden? Wäre sie es, wenn sie von den Einnahmen leben müsste, die ihr das Gesetz zuweist, das heute im Bundesrat beraten wird? Die Ministerin stutzt und schmunzelt dann: "Vielleicht wäre ich ja berühmt ..."

Berühmte Urheber mit hohen Gagen oder stolzen Honoraren freilich müssen sich keine Sorgen um ihren Lebensunterhalt machen; für sie ist das Urheberrecht die Bekräftigung ihrer Bedeutung auf dem Markt.

Im Kaufpreis bereits enthalten

Die weniger berühmten "Kreativen" aber müssen mit den Bröseln zurechtkommen, die finanziell beim Kopieren und Speichern von urheberrechtlich geschützten Werken abfallen. Das funktioniert in der Praxis so, dass beim Kauf von Geräten, mit denen zulässige Kopien hergestellt werden (elektronische, magnetische oder optische Speicher) eine Abgabe bezahlt werden muss, die im Kaufpreis enthalten ist.

Der Nutzer erwirbt also beim Kauf nicht nur das Gerät, sondern gleichzeitig auch eine gesetzliche Lizenz zum privaten Vervielfältigen. Die Lizenzgebühren werden dann von den Verwertungsgesellschaften (zum Beispiel Gema oder VG Wort) nach einem bestimmten Schlüssel verteilt.

Erbitterter Streit über Details

So weit das Prinzip. Über die Details und Modalitäten wird nun seit Jahren erbittert gestritten. Die einstige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin lag darüber in Fehde auch mit Kanzler Gerhard Schröder und der Industrie; sie galt als sehr urheberfreundlich.

Justizministerin Brigitte Zypries hat diesen Ruf nicht. Ihr Gesetzentwurf sieht vor, dass Abgaben nicht mehr auf die Geräte entrichtet werden müssen, die zum Kopieren "bestimmt" sind. Ob Geräteabgaben bezahlt werden müssen, soll vielmehr künftig davon abhängen, ob das Gerät tatsächlich und "in nennenswertem Umfang" zum Kopieren auch benutzt wird.

Führt das nicht zu endlosen Streitigkeiten, während derer dann gar kein Geld fließt? Nein, meint Ministerin Zypries. Der generelle Umfang der Nutzung der Geräte könne ja "durch Marktforschung schnell festgestellt werden".

Vertrauen in die Vernunft

Über die grundsätzliche Abgabepflicht und die Höhe der Abgabe müssen sich dann Verwertungsgesellschaft und Geräteindustrie einigen - oder die Sache vor Gericht und durch alle Instanzen ausfechten. Kompliziert? Nein, meint die Ministerin wieder und setzt auf die "Vernunft" der Beteiligten, sich schnell zu einigen.

Das tun diese aber nach bisherigen Erfahrungen nicht, und die Seite der Industrie kann diese Streitigkeiten länger durchstehen als die Seite der Urheber, die ja von der anderen Geld kriegen soll.

Werden die Urheber in dieser Zeit des Streits also quasi ausgehungert? Die Ministerin schüttelt den Kopf: Solange das neue Recht nicht am Laufen sei, würden ja die Regeln des alten Rechts weiter gelten. Die Vergütungen, die dort noch per Gesetz festgelegt sind (und künftig frei ausgehandelt werden sollen), sind allerdings schon seit zwanzig Jahren nicht mehr erhöht worden.

Zweifel an Selbsteinschätzung

Die Ministerin sieht sich als "ehrliche Maklerin" zwischen den beiden Seiten. Diese Selbsteinschätzung teilen die Urheber durchaus nicht; für sie steht Zypries zu sehr auf der Seite der Industrie.

Ihr Gesetz sieht nämlich zwei besonders bittere Regelungen für die Urheber vor: Erstens sollen Geräte, deren Nutzungsgrad für private Kopien bei unter zehn Prozent liegt, nach der "Bagatellklausel" völlig gebührenfrei bleiben. Zweitens sollen die Vergütungssätze an den Verkaufspreis der Geräte gekoppelt und gedeckelt werden: Bei fünf Prozent des Verkaufspreises ist Schluss. Das kann bei fallenden Geräteverkaufspreisen ziemlich wenig sein.

Geändertes Verbraucherverhalten

Die Ministerin kontert: "Kleinvieh macht auch Mist". Das Verbraucherverhalten habe sich geändert; heute kaufe man alle zwei Jahre einen neuen Computer und jedes Jahr einen neuen MP-3-Player - "und immer fallen dann Urheberabgaben an".

Die Urheber laufen Sturm gegen diese "Enteignung der Urheber zu Gunsten der Geräteindustrie", die Journalistenverbände ebenso; auch hauptberufliche Redakteure erzielen nämlich aus den Abgaben via Kopiervergütung bisweilen ein nettes Nebeneinkommen.

Der Bundesrat kommt ihnen, wie es nun aussieht, entgegen. In den Empfehlungen dreier Ausschüsse werden nämlich die zwei bitteren Regelungen aus dem Gesetz herausgenommen: Die Bagatellklausel soll gestrichen werden, die Deckelung der Urheber-Abgabe auf fünf Prozent des Geräteverkaufspreises auch. Begründung: zu industriefreundlich. Die geistige Leistung dürfe nicht zum Spielball des Preiskampfes großer Konzerne werden.

Kompromissbereitschaft

Ministerin Zypries signalisiert im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung die Bereitschaft zum Nachgeben: "Kein Gesetzentwurf ist betoniert." Im Übrigen empfiehlt sie den Verwertungsgesellschaften, sich zu fragen, ob das Geld, das hereinkommt, richtig verteilt werde und ob nicht die Verwaltungs- und Inkassokosten viel zu hoch lägen - auf Kosten der Urheber.

© SZ vom 19.05.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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