Unternehmensstrafen:An die Substanz

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Die Bundesregierung plant ein neues Strafrecht für Unternehmen. Rechtsexperten befürchten, dass die Strafen zu drastisch ausfallen und im schlimmsten Fall die Existenz des Unternehmens gefährden können.

Von Harald Freiberger, München

Widerstand aus Bayern gegen einen Gesetzesvorstoß aus Berlin: Rechtswissenschaftler haben am Mittwoch den sogenannten "Münchner Entwurf" vorgestellt. Er sieht wesentliche Änderungen am geplanten "Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität" vor. Mit diesem will die Bundesregierung schärfere und vor allem höhere Strafen für Unternehmen durchsetzen. Anlass sind schwerwiegende Fälle wie der VW-Dieselskandal.

"Deutschland braucht ein modernes Gesetz zur Sanktionierung von Unternehmen bei strafrechtlich relevanten Verstößen der Führungskräfte", sagte Frank Salinger, Professor in München für Wirtschaftsstrafrecht, der den Entwurf mit der Kanzlei Tsambikakis & Partner verfasste. Dabei müsse aber das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Derzeit sind bei Verstößen von Unternehmen Geldbußen von bis zu einer Milliarde Euro möglich. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht Strafen von bis zu zehn Prozent des Umsatzes vor. Bei großen Unternehmen kann das zweistellige Milliardenhöhe erreichen. Zudem ist ein Sanktionsregister geplant, eine Art öffentlicher Pranger.

Die Initiatoren des Entwurfs halten dies für zu drastisch. Sie fordern abgestufte Strafen bis zu einer Höhe von maximal 200 Millionen Euro. "Wir halten es für falsch, so hohe Strafen einzuführen und die Unternehmen öffentlich zu ächten", sagte Saliger. Für die Beschäftigten hätte dies ebenso dramatische Folgen wie für Aktionäre und Anteilseigner. Der Staat würde sich zudem selbst schaden, weil damit die Krise oder der Zusammenbruch von Unternehmen in Kauf genommen würden. Ziel müsse es sein, ein Unternehmen zu erhalten. Deshalb sollten bei den Ermittlungen auch Arbeitnehmervertreter angehört werden.

Auch der Verband der Familienunternehmer unterstützt die Initiative. "Der Gesetzesentwurf würde insbesondere kleine Unternehmen in völlig unverhältnismäßiger Weise belasten", sagte Ulrich Herfurth von dem Verband. Hohe Geldbußen führten schnell zum Abbau von Arbeitsplätzen. Damit würden Menschen für etwas bestraft, was andere zu verantworten hätten. Kleine Unternehmen, die nicht wie Konzerne komplexe Compliance-Systeme schaffen könnten, müssten deshalb ausgeklammert werden, so wie es der Münchner Entwurf vorsehe. Die Initiatoren hoffen nun, dass ihre Einwände noch Eingang in das Gesetz finden.

© SZ vom 06.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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