Unternehmen:Szenen einer Krise

Lesezeit: 3 min

Von Adidas bis RWE: Immer mehr Firmen schließen Fabriken, verschieben Hauptversammlungen und schicken Mitarbeiter in Kurzarbeit.

Geschäfte müssen schließen, Fabriken auch, und wie lange das so bleibt, weiß niemand. Die Aussichten für viele Unternehmen sind derzeit düster. Wie heftig es am Ende genau wird, traut sich keiner vorherzusagen. Aber viele Firmen rechnen mit schweren Zeiten. Ein Überblick.

Adidas: "Home Ground" heißt die Anlage mit Unterkünften, Speise- und anderen Räumen, die der Sportartikel-Konzern gerade auf dem Campus seiner Zentrale in Herzogenaurach baut. Eigentlich für die Fußball-Nationalmannschaft, die hier vor und während der EM im Sommer logieren und trainieren sollte. Die EM wird nun verschoben - "Home Ground" aber werde planmäßig fertiggebaut, heißt es. Die Anlage dürfte ohnehin das kleinste Problem der weltweiten Nummer zwei der Branche sein: Für vorerst zwei Wochen schließt Adidas wegen des Coronavirus alle Geschäfte in Europa, den USA und Kanada. Betroffen sind auch die Shops der Tochtermarke Reebok. Die Beschäftigten würden trotzdem regulär weiterbezahlt. Bereits am Montag hatte Branchenführer Nike angekündigt, alle seine Läden außerhalb Chinas zu schließen. Wie viel Geschäft Adidas nun am europäischen Heimatmarkt sowie im größten Sportartikelmarkt Nordamerika entgeht, wagt noch niemand vorherzusagen.

Airbus: Auch der Flugzeughersteller muss sich auf massive Folgen der Covid-19-Krise einstellen. Die Analysten von Agency Partners gehen davon aus, dass der Rückgang der Produktion zwar 2020 noch auf etwa zehn Prozent beschränkt werden kann, weil Kunden nicht so schnell aus ihren Verträgen herauskommen und Airbus mit Krediten helfen wird. 2021 aber würde sie dann aber, gemessen an den ursprünglichen Zielen, praktisch halbiert.

Ceconomy: Die Konzernmutter der Elektronik-Ketten Media Markt und Saturn kassiert wegen wegbrechender Geschäfte in der Coronavirus-Krise ihre Jahresziele. Nach aktuellem Stand blieben alle Geschäfte in Österreich, der Schweiz, Belgien, Italien, Spanien, Polen, Luxemburg sowie Deutschland vorerst geschlossen.

Deutsche Post: Um die weitere Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen, verzichten die Post und ihre Tochter DHL ab sofort bei der Übergabe von Paketen und Einschreiben auf die Unterschrift des Empfängers. Stattdessen sollten die Zusteller die erfolgreiche Auslieferung mit ihrer eigenen Unterschrift dokumentierten. Das solle den persönlichen Kontakt reduzieren.

Heideldruck: Der Weltmarktführer bei Bogenoffset-Druckmaschinen baut in der Krise 2000 von bisher 11 500 Stellen ab und stellt die Fertigung von zwei neuen Produktlinien ein. Vorstandschef Rainer Hundsdörfer schloss außerdem die Schließung "einzelner Betriebsstätten" nicht aus, nannte aber keine Details. Er begründete die Schritte einerseits mit einem "starken Rückgang der Aufträge in Nordamerika und Europa" aufgrund der Coronavirus-Epidemie. Zugleich räumt er ein, dass das Management in der Vergangenheit "strategische Fehler" gemacht habe. Der Traditionskonzern leidet unter der generellen Krise der Druckindustrie aufgrund der Digitalisierung. Wann, wie und wo die Jobs wegfallen werden, sagte er nicht.

Hella: Der Autozulieferer kann seine Prognose fürs laufende Geschäftsjahr nicht halten. Weil immer mehr Autohersteller die Produktion vorübergehend stilllegen, will auch das M-Dax-Unternehmen die Kosten senken, etwa durch einen Einstellungsstopp. "Darüber hinaus ist Kurzarbeit an inländischen Standorten in Vorbereitung", teilte Hella mit. Das Unternehmen ziehe zudem in Betracht, ganze Produktionsstätten zeitweise zu schließen. Wie stark das Geschäft insgesamt leiden wird, lasse sich noch nicht genau beziffern.

MAN: Eigentlich sind es Zeiten, in denen Lastwagen gebraucht werden. Wenn sich sonst schon nichts bewegt, dann müssen zumindest Waren von A nach B kommen. Jetzt aber hat der Münchner Lkw-Bauer MAN für seine deutschen Werke Kurzarbeit beantragt; sie solle "für einen Großteil der Beschäftigten an den produzierenden Standorten gelten", hieß es. Dabei geht es nicht nur um die Konjunktur, die brachliegt, sondern auch um die Sorge um Nachschub und Auslieferung. Dabei war MAN schon vor dem Coronavirus in Schwierigkeiten: Ein Sechstel der rund 36 000 Stellen stand angesichts der schwachen Konjunktur bereits Anfang des Jahres auf dem Prüfstand. MAN gehört, wie Scania aus Schweden, zum Volkswagen-Konzern.

RWE: Der Energiekonzern verschiebt wegen der Coronavirus-Krise die für Ende April geplante Hauptversammlung. Diese werde später im Jahr nachgeholt, hieß es. Durch die Verschiebung werde auch die Dividende später an die Aktionäre gezahlt.

Strabag: Österreichs größter Baukonzern stellt aufgrund des Coronavirus bis mindestens Ende der Woche den Baubetrieb am Heimatmarkt ein. Betroffen seien rund 1000 Baustellen, hieß es. Begründet wurde der Schritt damit, dass der gesetzlich geforderte Ein-Meter-Abstand zwischen den Mitarbeitern am Bau nicht gewährleistet werden könne. Zudem sei der Materialnachschub nicht mehr sichergestellt. Ob es auch in anderen Ländern zu temporären Baustopps kommt, sei noch nicht klar.

© SZ vom 19.03.2020 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: