Unsichere Energieversorgung:Der Traum von der eigenen Quelle

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Um nicht von Russland erpressbar zu sein, sucht ganz Europa nach alternativen Energien. Noch tragen Sonne, Wind und Biomasse weniger als sieben Prozent zur Energieversorgung in der EU bei.

Alexander Hagelüken und Jeanne Rubner

Eines weiteren Beweises für Europas unsichere Energieversorgung hätte es eigentlich nicht mehr bedurft - nach Russlands Gaspoker vor einem Jahr.

Am Montag mussten Deutschland und Polen um die Verlässlichkeit der Öllieferungen aus dem Osten bangen, denn die ,,Druschba''-Pipeline wurde zugedreht.

Wieder einmal zeigt sich, wie abhängig die EU ist. Schon heute bezieht sie 82 Prozent des Öls und 57 des Gases aus Drittstaaten.

Viele Mitgliedsstaaten importieren Gas aus nur einem Förderstaat - häufig aus Russland. Ohne eine neue Energiepolitik, warnt die Brüsseler Kommission, wird die Union in 25 Jahren unberechenbaren Lieferanten ausgeliefert sein. Denn dann werde die Abhängigkeit auf 93 Prozent beim Öl und auf 84 Prozent beim Gas gestiegen sein. An diesem Mittwoch stellt Kommissionschef Jose Manuel Barroso deshalb einen Aktionsplan zur Energie vor.

Der erste Schritt sind Pläne für eine mögliche Krise, sollten Öl oder Gas ausbleiben. In den nächsten Monaten wird Brüssel daher ein Netz von Energiekorrespondenten auf die ganze Gemeinschaft verteilen, Fachleute also, die rechtzeitig vor möglichen Engpässen warnen.

Barroso will das Netz der Lieferanten ausweiten

Ist der Notfall eingetreten, sollen die Mitgliedsstaaten ihre Reserven an ein Nachbarland abtreten, das von der Versorgung abgeschnitten wurde. Diese Idee ist jedoch umstritten, da manche Staaten weniger vorsorgen als andere.

Barroso will außerdem das Netz der Lieferanten ausweiten. Gas lässt sich schließlich auch in Algerien kaufen. Der Bau neuer Leitungen wie der Nabucco-Pipeline vom Kaspischen Meer wird völlig neue Quellen erschließen. Die noch etwas ferne Vision ist, dass die EU-Staaten künftig gemeinsam als Einkäufer von Öl und Gas auftreten - und so die Macht von 500 Millionen Konsumenten ausspielen.

Die Abhängigkeit von den fossilen Brennstoffen Öl und Gas lässt sich aber auch anders reduzieren - indem nämlich Europa weniger Energie verbraucht und auf erneuerbare Quellen setzt, was zugleich das Klima weniger belasten würde.

Der Anteil der erneuerbaren Energien soll sich verdreifachen

Das Ziel der Kommission: Im Jahr 2020 soll Europa 13 Prozent weniger Energie als heute aufwenden - und damit sogar 100 Milliarden Euro pro anno an Kosten einsparen. Erreicht werden soll das durch sparsamere Autos und Haushaltsgeräte sowie durch wärmegedämmte Häuser.

Noch tragen Sonne, Wind und Biomasse weniger als sieben Prozent zur Energieversorgung in der EU bei. Das soll sich ändern: Der Anteil erneuerbarer Energien soll sich verdreifachen. Die Kommission setzt dabei vor allem auf Strom aus alternativen Quellen - große Offshore-Windparks oder Solarzellen-, auf Biotreibstoffe sowie die Nutzung von Erdwärme durch Wärmepumpen.

In Brüssel ist man davon überzeugt, dass sich mit regenerierbaren Quellen sogar ein Drittel des gesamten Stroms erzeugen lassen. Schließlich produziere Dänemark schon ein Fünftel seines Stroms durch Wind, heißt es im Papier der Kommission.

Energieexperten freilich sind sich uneins, wie groß das Potential der ,,Erneuerbaren'' ist, die heute zum Teil noch wesentlich teurer sind als Öl und Gas. Schon vor zehn Jahren hatte sich die Kommission das Ziel gesetzt, 2010 zwölf Prozent von Europas Energie durch regenerative Quellen zu decken; auf mehr als zehn Prozent wird man jedoch voraussichtlich nicht kommen.

Die Politik sei bisher halbherzig gewesen, meint die Kommission, jetzt sollen die hochfliegenden Ziele durch den gemeinsamen Plan erreicht werden. Nur: Der Umstieg auf andere Energiequellen ist in jedem Fall zunächst einmal teuer, bis zu 18 Milliarden Euro jährlich könnte es kosten, das gesetzte Ziel zu erreichen.

Ob die Mitgliedstaaten bereit sein werden, so viel zu investieren, ist ungewiss. Das Beispiel der umstrittenen Kernkraft, das im Papier ebenfalls als Option für einen ausgewogenen Energiemix genannt wird, belegt dies. Die Entscheidung für oder gegen Atomstrom will die Kommission den Nationalstaaten überlassen, allerdings pocht sie auf Sicherheitsstandards und die Erforschung der Kernfusion.

Uneinig sind sich Europas Regierungschefs auch im Umgang mit dem Energiegiganten Russland. Das liegt an nationalen Empfindlichkeiten: Vor allem Balten und Polen wollen keine Zugeständnisse gegenüber Moskau machen. Die Diskussion über die neue EU-Energiepolitik verspricht spannend zu werden.

© SZ vom 9.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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