Union und SPD:Eine Frage der Führung

Lesezeit: 4 min

Drei mächtige Ministerpräsidenten, drei Parteien, eine Aufgabe: Armin Laschet, Markus Söder und Stephan Weil spielen eine entscheidende Rolle dabei, wie es mit Deutschland weitergeht - und wer das Land führt.

Von Von Markus Balser, Bastian Brinkmann und Cerstin Gammelin, Berlin

Wie sehr die Zukunft der großen Koalition in den vergangenen Tagen am seidenen Faden hing? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gewährt am Montag mit einem Vergleich einen überraschenden Einblick in den Krisengipfel des Wochenendes. Wegen 50 Euro habe es am Sonntag bei der Debatte um die Grundrente im Kanzleramt leidenschaftliche Diskussionen gegeben. Er habe die Runde dann daran erinnert, dass in der Weimarer Republik 1930 eine große Koalition an einer kleinen Frage zur Arbeitslosenversicherung gescheitert sei, sagt Söder. So etwas dürfe sich doch in der instabilen aktuellen Lage für das Land auf keinen Fall wiederholen, mokierte sich der Ministerpräsident.

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Am Eröffnungstag des Wirtschaftsgipfels der Süddeutschen Zeitung traten am Montag in Berlin mit Söder, seinem niedersächsischen Amtskollegen Stephan Weil (SPD) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gleich drei Landeschefs auf, die Amt und Herausforderung eint: Als Regierungschefs vertreten sie Bundesländer, die stark vom Strukturwandel betroffen sind, aber auch von der Unsicherheit durch den drohenden Brexit, internationale Handelskonflikte und die Unsicherheit über den Fortbestand der großen Koalition in Deutschland. Die Wirtschaft brauche nun eine starke und stabile Regierung, mahnte Weil. Das Abschneiden der AfD bei den jüngsten Landtagswahlen stelle sogar die Demokratie auf den Prüfstand.

Zwar legte die große Koalition den größten Streit am Wochenende bei. Doch vor allem eine Zukunftsfrage schwelt weiter und beschäftigt auch die führenden Ministerpräsidenten: Noch ist völlig unklar, wer die derzeit regierenden Parteien in den nächsten Wahlkampf führt. Innerhalb der SPD ist offen, wer den Parteivorsitz übernimmt. In der Union kämpft die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer um ihre Autorität und ihr Recht, als Kanzlerkandidatin anzutreten. Nur sechs bis zehn Prozent der Unionsanhänger nennen in der jüngsten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen Kramp-Karrenbauer als Person mit den besten Chancen auf ein gutes Wahlergebnis. Die Werte für Markus Söder, Armin Laschet und Friedrich Merz sind teils deutlich höher.

CSU-Chef Markus Söder will nicht Kanzlerkandidat werden, freut sich aber, mitzubestimmen

Die Anwesenden heizten den Kampf um die Kandidatur am Montag weiter an. Ob er der Analyse widerspreche, dass er auch Kanzler könne, wird Armin Laschet gefragt. "Nein", lautet Laschets entwaffnende Antwort. Er stehe ja immerhin dem größten Bundesland mit 18 Millionen Einwohnern vor. "Wir haben viele der Probleme, die sich im Bund auch stellen." Die Frage aber solle beantwortet werden, wenn sie sich wirklich stelle. "Das ist dann das Ende der Ära Merkel, das ist im September 2021. Bis dahin ist noch genug Zeit, ein geeignetes Verfahren zwischen CDU und CSU zu überlegen." Laschet kritisierte indirekt das Vorpreschen einiger Parteifreunde, jetzt schon über das Verfahren der Kanzlerkandidatur zu entscheiden. "Bei allem Weiteren wäre jeder klug beraten, es dann zu fragen, wenn es ansteht und nicht vorher."

Ein anderer Konkurrent nahm sich dagegen zumindest vordergründig aus dem Rennen. Will Bayerns Ministerpräsident Söder Kanzlerkandidat der Union werden? "Nein", sagte der CSU-Parteichef. Er freue sich aber, dass er als Parteichef diese Personalie mitbestimmen könne. Wer das sein könne, ließ Söder offen. Den traditionellen Automatismus, dass die CDU-Parteichefin als Kanzlerkandidatin gesetzt sei, erwähnte er nicht. Im Gegenteil: "Timing und Tuning sind wichtig", sagte Söder. Das Wann bestimme das Wer. "Bis 2021 passiert noch so viel", sagte Söder. Vielleicht sehe das In- und Ausland dann schon völlig anders aus.

Es komme darauf an, wer dann die besten Chancen bei den Wählern habe und wer die Partei am stärksten begeistern könne.

Es müsse in die erneuerbaren Energien investiert werden, fordert Stephan Weil

Ministerpräsident Weil heizte seinerseits die Debatten an, wie die SPD in die Auseinandersetzung mit dem Koalitionspartner geht. Zur Wahl für die SPD-Mitglieder stehen Olaf Scholz und Klara Geywitz oder Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Weil betonte auf dem SZ-Gipfel, dass er das Team Geywitz/Scholz unterstütze. "Ich hoffe, die Mitglieder entscheiden vernünftig und gut", sagte Weil. Scharf kritisierte er dagegen den Vorschlag von Walter-Borjans, keinen SPD-Kanzlerkandidaten mehr aufzustellen. "Wer ins Rennen geht, muss auch mitlaufen wollen", sagte Weil. Wenn die Koalition bis 2021 halte, dürfe sich die SPD doch nicht jetzt schon festlegen, keine Kanzlerkandidatin oder einen Kandidaten aufzustellen. Die Demoskopen, so Weil, würden für die SPD ein großes Potenzial messen. Es gebe Millionen Menschen, die nur auf ein richtiges sozialdemokratisches Angebot warteten.

Das sieht Söder wohl anders, er hat schon die Grünen als Hauptwettbewerber bezeichnet - und schaltete auch am Montag auf Angriff. Die Grünen würden die für Deutschland so wichtige Autoindustrie zu stark angreifen. Ein SUV werde als teuflischer angesehen als ein AKW. "Das muss aufhören", sagte Söder. Die Ministerpräsidenten von Bayern und Niedersachsen fordern von der Bundesregierung weitere Hilfen für die Autoindustrie und die Energiewende. Die nächsten zehn Jahre seien für die deutsche Autoindustrie entscheidend, sagten sowohl Markus Söder als auch Stephan Weil am Montag in Berlin. "Der Bund ist im Obligo, mehr zu machen", sagte Bayerns Ministerpräsident Söder. "Wir müssen die Technologieführerschaft in der Welt behalten", mahnte er.

Vor allem die Alltagsprobleme müsse die Regierung in den Griff bekommen und etwa mehr Ladesäulen in Städten und auf dem Land schaffen. Es nutze niemanden, wenn zwar Elektroautos gekauft würden, diese dann aber nicht geladen werden könnten oder mit Kohlestrom führen, weil die Energiewende auf der Strecke bleibe. Deshalb müssten die erneuerbaren Energie wie Windstrom erheblich ausgebaut werden, sagte Weil. "Wenn nichts passiert, dann hängt diese Schlüsselindustrie für den Klimaschutz am seidenen Faden", warnte er mit Blick auf den vom Windturbinen-Hersteller Enercon angekündigten Wegfall Tausender Jobs.

Die Ministerpräsidenten mischten sich am Montag auch in die Debatte um einen Ausschluss des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei beim Aufbau des neuen 5G-Mobilfunknetzes ein. Die USA fordern dies unter Verweis auf Spionage- und Sabotagebedrohungen durch China und drohen Deutschland. Söder lehnte den Ausschluss ab und warnte vor "ideologischen" Positionen. Es sei nicht entscheidend, woher ein Unternehmen komme, sondern wie Deutschland sein 5G-Mobilfunknetz schütze, sagte Weil. Erst vorige Woche hatte US-Außenminister Mike Pompeo bei einem Besuch in Berlin erneut den Ausschluss von Huawei gefordert.

© SZ vom 12.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: