Unicredit:"Ronaldo" soll's richten

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Die Führungskrise in der zweitgrößten Bank Italiens geht zu Ende: Andrea Orcel soll Chef von Unicredit werden. Ihn erwarten einige heikle Aufgaben.

Von Ulrike Sauer, Rom

Am Tag, an dem in Rom Giuseppe Conte als Regierungschef zurücktrat, ging in Mailand nach zwei Monaten die Führungskrise in der zweitgrößten Bank des Landes zu Ende. Das muss nicht unbedingt Zufall sein. Denn zwischen der italienischen Regierung und dem paneuropäischen Geldkonzern Unicredit wird seit dem vergangenen Sommer hart verhandelt. Wenn sich Unicredit nun nach langer Suche schließlich für Andrea Orcel, den "Ronaldo der Banken", als neuen Chef entschieden hat, spricht daraus zunächst einmal eine deutliche Botschaft: Der Verwaltungsrat will sich freispielen vom Vorwurf einer schleichenden Politisierung der Bank.

Nun stammt Orcel zwar ausgerechnet aus Rom. Doch seine Heimatstadt hat er 1992 gleich nach dem Studium in Richtung London verlassen. Dort stieg der Investmentbanker in den Zeiten des Großfusionen in der europäischen Geldbranche zu einem Star der Dealmacher auf. Angriffslustig, arrogant, hochbezahlt - so machte sich der Italiener einen Namen in der internationalen Finanzszene. Und just das Thema Übernahmen ist es, das nun schon seit Monaten im Unicredit-Turm in Mailand für erhebliche Unruhe sorgt. Besonders seit die Bank den früheren Finanzminister Pier Carlo Padoan Mitte Oktober zum neuen Aufsichtsratschef designiert hat.

Orcel hat quer durch Europa seine Spuren hinterlassen. Für die amerikanische Geschäftsbank Merrill Lynch war er der Regisseur einiger der wichtigsten Fusionen in Europa.

Orcel wird vermutlich im April die Nachfolge von Jean Pierre Mustier antreten, der am 30. November seinen Job als Chef der Konzernmutter der Münchner Hypovereinsbank hingeschmissen hat. Das Verhältnis zwischen dem Franzosen und den Unicredit-Aktionären galt seit Längerem als angespannt. Sein Mantra "keine Fusionen" missfiel in Mailand. Den Ausschlag für die Trennung gab die Weigerung Mustiers, dem italienischen Staat die taumelnde Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) abzunehmen. Die römische Regierung sitzt in der Klemme: Sie muss die toskanische Bank auf Geheiß der EU-Kommission nach der Staatsrettung nun wieder privatisieren. Ein Interessent ist jedoch nicht aufgetaucht. Darum übte der Finanzminister Roberto Gualtieri, der 68 Prozent der MPS-Anteile besitzt, Druck auf Unicredit aus. Eine Mitgift von sechs Milliarden Euro soll Unicredit die Übernahme versüßen.

Der Aktienkurs von Unicredit ist im vergangenen Jahr um 38 Prozent gesunken

Für Orcel haben sich die Unicredit-Aktionäre Leonardo Del Vecchio und die norditalienischen Sparkassenstiftungen stark gemacht. Sie gelten als Gegner einer Übernahme des Monte dei Paschi. Auch internationale Großanleger wie Blackrock und Capital Research stehen hinter dem Investmentbanker.

Für den Neuen ist Unicredit eine alte Bekanntschaft. Gerade mal 30-jährig hat Orcel 1998 den Konzernarchitekten Alessandro Profumo bei der Fusion von Credito Italiano und Unicredito beraten, durch die dann Unicredit entstand. Heute erwartet ihn in Mailand nicht nur die heikle Angelegenheit Monte dei Paschi. Die Börse wartet seit Längerem auf eine Neuausrichtung des Konzerns. Der Aktienkurs der Bank ist im vergangenen Jahr um 38 Prozent gesunken. Die Mailänder Rivalin Banca Intesa Sanpaolo baute ihren Vorsprung kräftig aus - zuletzt durch die Übernahme der norditalienischen Bankengruppe Ubi. Während Analysten für Unicredit einen Verlust in Höhe von 2,3 Milliarden Euro für 2020 erwarten, macht der Marktführer Intesa weiter Milliardengewinne. Orcel soll nun in Italien verlorenen Boden wiedergutmachen. Die Börse begrüßte ihn mit einem kräftigen Kursanstieg.

Doch Orcel kennt pikanterweise auch eine andere Bank gut: den Monte dei Paschi. 2007 fädelte er für den Patriarchen des spanischen Banco Santander, Emilio Botin, den Verkauf der italienischen Regionalbank Antonveneta an die toskanische Traditionsbank ein. Ihm gelang ein außerordentliches Kunststück. Der damalige MPS-Chef Giuseppe Mussari ließ sich Antonveneta für die schwindelerregende Summe von neun Milliarden Euro andrehen. Zusätzlich übernahm er sieben Milliarden Euro Schulden. Santander hatte die Bank erst vier Wochen zuvor für 6,5 Milliarden Euro von Abn Amro übernommen. Von diesem Fehltritt hat sich die älteste Bank der Welt nie mehr erholt. Die Übernahme löste ihren Niedergang aus. Orcel strich dafür eine fürstliche Bonuszahlung ein.

Auch ein anderer Makel hat dem Ruf des Investmentbankers nach Mailand nicht im Weg gestanden. Vor zwei Jahren hat Orcel Santander auf die Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 112 Millionen Euro verklagt. Er hatte 2018 seinen damaligen Arbeitgeber UBS verlassen, um in Madrid Santander-Chef zu werden. Der Wechsel scheiterte jedoch, weil die Bank die ihm zugesagte millionenschwere Antrittsprämie nicht bei den Aktionären durchsetzen konnte. Am Mittwoch zeichnete sich nun eine einvernehmliche Lösung des Streits ab.

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