Ungarn:Spiel mit dem Feuer

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Ungarn bekommt sein Haushaltsdefizit nicht in den Griff - damit steigt das Risiko für eine Währungskrise.

Hans von der Hagen und Kathrin Lauer

Die Überschrift in der ungarischen Zeitung war knapp: "Das war's." Und: "Die fetten Jahre sind in Budapest vorbei." Es ging um die Aktienbörse des Landes. Sie war Anfang März innerhalb von zwei Wochen um rund zehn Prozent eingebrochen.

Zwar nimmt sich der Rückgang gemessen an dem Zuwachs von gut 50 Prozent seit Januar 2005 noch bescheiden aus - die Überschrift spiegelt dennoch die wachsende Verunsicherung in Ungarn wider. Auch die Entwicklung der Währung signalisiert dies: In den letzten Wochen hat der Forint deutlich an Boden verloren und liegt derzeit mit rund 267 Forint für einen Euro auf einem Niveau, das er zuletzt während der Währungsturbulenzen zu Beginn des Jahres 2004 gestreift hatte.

Große Wahlversprechen

An der Börse blieb das nicht ohne Folgen: Die jüngsten Kursverluste am Aktienmarkt seien durchaus Folge des schwachen Forint, sagt Alexandre Dimitrov, Fondsmanager bei der Bank-Austria-Tochter Capital Invest. Zugleich aber auch politisch bedingt, denn in Ungarn werde am 9. und 23. April eine neue Regierung gewählt. Die Ungarn müssen sich bei der Parlamentswahl zwischen dem Unternehmer und Sozialisten, Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany, und dem rechtskonservativen Berufspolitiker Viktor Orban entscheiden.

Wer immer in Budapest das Ruder übernimmt, wird mit einer widerprüchlichen Wirtschaftslage fertig werden müssen. Einerseits steht Ungarn einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 4,1 Prozent 2005 nicht schlecht da, wenn auch die hohe Dynamik vom Ende der 90er Jahre nicht wiederbelebt werden konnte. Andererseits hat sich Ungarn in den letzten Jahren budgetpolitisch derart vergaloppiert, dass das Datum der Euro-Einführung schlichtweg in den Sternen steht.

Wichtigste Bedingung ist hierfür ein Haushaltsdefizit von weniger als 3,0 Prozent des BIP. Die jetzige Regierung beteuert, dieses Kriterium bis 2008 erfüllen zu können, um den Euro dann 2010 einzuführen. Dass dies machbar sei, glaubt außer der Regierung niemand. Denn 2005 verfehlte das Land mit einem Defizit von 6,1 Prozent des BIP deutlich das Ziel von 4,7 Prozent.

2006 könnte es nach den Prognosen der Volkswirte auf mehr als sieben Prozent steigen. Und Istvan Zsoldos, Analyst bei Goldman Sachs, befürchtet gar, dass Anleger mit noch Schlimmerem rechnen müssen, denn an der laxen Ausgabenpolitik dürfte sich wenig ändern - unabhängig vom Wahlausgang: Der Negativsaldo könnte auf über zehn Prozent wachsen.

Die beiden großen Parteien, die derzeit regierende sozialistische MSzP und der konservative Fidesz, liegen in den Umfragen nahezu gleich auf. Darum reihen beide Parteien derzeit ein Wahlversprechen an das andere: Die Beiträge zur Sozialversicherung sollen gesenkt, Familien unterstützt und die Steuern reduziert werden. Zudem können sich Rentner womöglich auf ein vierzehntes Monatsgehalt freuen. Derartige Zusagen machen die Experten nervös. Denn wie die Zugeständnisse an die Wähler finanziert werden sollen, bleibt offen.

Die Finanzmärkte, die EU und die Ungarische Notenbank hofften auf einschneidende Veränderungen nach der Wahl, "doch sie werden möglicherweise weiter warten müssen, zumindest bis zu den Kommunalwahlen im September", schreibt Zsoldos in seiner jüngsten Studie.

Das Risiko einer Währungskrise nehme damit zu. Und die wäre nicht nur für Anleger fatal, sondern auch für zahlreiche Ungarn: Viele nehmen mittlerweile hohe Kredite in ausländischer Währung auf, um etwa bei der Immobilienfinanzierung von den niedrigeren Zinsen zu profitieren. Sollte der Forint deutlich an Wert verlieren, würden das die Rückzahlung erheblich erschweren.

Paradoxerweise machten es aber gerade die günstigen globalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen den Politikern schwer, eine straffere Fiskalpolitik durchzusetzen, weiß Zsoldos. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für Sparmaßnahmen wäre höher, wenn sich unter den Wählern ein Bewusstsein für die angespannte Haushaltssituation entwickelte.

Analysten halten jetzt eine Euro-Einführung frühestens 2012 für realistisch. Am optimistischsten wirkten hierbei die in Ungarn aktiven deutschen Unterneh-mer. Laut einer Umfrage der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer (DUIHK) sei 2011 machbar.

Ungarns neue Regierung müsse aber "sofort Schritte einleiten, um das Gleichge-wicht im Interesse der Stabilität" wieder herzustellen, sagte der DUIHK-Vorsitzende Elek Straub. Der nunmehr dritte Finanzminister dieser Legislaturperiode, Janos Veres, stellte jetzt ein Referendum zur Euro-Einführung in Aussicht.

Das Ergebnis solle aber nicht bindend sein. Sprächen sich die Ungarn dagegen aus, müsse man sie eben davon überzeugen, "dass der Forint auf dem Markt nicht standhält, ohne ein Ziel für Spekulationen zu werden".

Bleibt angesichts der insgesamt unsicheren wirtschaftlichen Aussichten die Frage: War es das tatsächlich für den ungarischen Aktienmarkt? Fondsmanager Dimitrov ist jedenfalls vorsichtig geworden und hat sein Engagement in Ungarn reduziert.

"Die Börsen konkurrieren untereinander", sagt er. Und derzeit seien in dieser Region der russische wie auch der türkische Markt eben interessanter für die Investoren als der ungarische.

© SZ vom 7.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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