Ungarn: MAL-Eigner Bakonyi:Och, der Umweltschutz

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Die Eigner der ungarischen Fabrik MAL gehören zu den reichsten Familien des Landes. Die Bakonyis haben bei der Privatisierungswelle in den neunziger Jahren ein Vermögen gemacht - der Vater des MAL-Chefs lässt sich als Umweltschützer feiern.

Kathrin Lauer

Er ist der zur Zeit meistgehasste Mann Ungarns. Wütende Blogger empfehlen ihm "Kurpackungen mit Rotschlamm". Zoltan Bakonyi, erst verhafteter und dann wieder freigelassener Geschäftsführer der ungarischen Aluminiumfabrik MAL, hatte nach der Schlammkatastrophe erklärt, die Brühe sei ungefährlich, nur "baden" solle man darin lieber nicht. Ihre rote Färbung sei harmloser Farbstoff, der auch "für die Produktion von Ziegeln verwendet wird".

Angeblich müssen in der MAL-Fabrik die Rentner ran: Nur sie wissen noch, was in welchen Röhren fließt. (Foto: dpa)

Diese Worte fielen, als bereits die ersten Toten geborgen und mehr als hundert Menschen wegen Hautverätzungen durch Kontakt mit dem Giftschlamm im Krankenhaus waren. Neun Tote hat Ungarns größte Umwelthavarie bisher gefordert. 2009 habe er für MAL einen Katastrophenschutzplan unterschrieben, sagte Bakonyi, doch habe er nicht gewusst, dass dieser auch Sicherheitsmaßnahmen für den Fall eines Deichbruchs beinhalten müsse. "Keine Behörde hat das verlangt".

Bakonyis Freilassung begründete das Gericht damit, dass derzeit noch nicht einmal ein Anfangsverdacht gegen den Geschäftsführer bestehe, weil es unklar sei, warum der Deich geborsten ist. Zudem sei nicht damit zu rechnen, dass Bakonyi Zeugen beeinflusse.

Dummdreist oder zynisch?

In Zeitungsberichten hatte es dagegen geheißen, dass die MAL-Leitung ihren Angestellten mit Entlassung gedroht habe, sollten sie über die desolate Sicherheitslage in der Fabrik etwas verraten. Bakonyi bekräftigte unterdessen, dass er sich keiner Schuld bewusst sei. Niemand habe einen Deichbruch vorausahnen können, sagte er nach seiner Haftentlassung im CNN-Interview. Allenfalls "durch einen Terrorangriff" sei dieses Unglück vorstellbar gewesen.

Ist dies dummdreist oder zynisch? Vorsichtshalber ist Bakonyi nur noch in gepanzerten Sicherheitsdienst-Autos unterwegs und kleidet sich auffallend bescheiden, um nicht aufzufallen. Er habe lange vorher um die Gefahr eines Dammbruchs gewusst, das haben laut ungarischen Medien inzwischen 20 MAL-Angestellte den Ermittlern gesagt.

Welche Schlamperei bei MAL geherrscht haben muss, lässt ein Bericht der Budapester Boulevardzeitung Blikk erahnen. Demnach weiß offenbar kein MAL-Angestellter, welche Chemikalien durch welche Fabrikröhren fließen. Bei anfallenden Reparaturen müssten inzwischen pensionierte Arbeiter herangezogen werden, weil nur diese sich mit den Gegebenheiten der alten Fabrik auskennten.

Regierung dementiert Verstaatlichung

Vorerst steht die MAL, die vielleicht sogar bald wieder mit der Produktion beginnen soll, unter staatlicher Verwaltung. Die Regierung dementierte, dass es sich dabei um eine Verstaatlichung handle. Ungarn habe daran "kein Interesse", sagte Umweltstaatssekretär Zoltan Illes, der dem Werk kurz nach der Schlammlawine die Betriebsgenehmigung entzogen hatte. Wie nun alles weitergehen soll, ist unklar. Vorerst hat ein 18-köpfiges "Sekretariat" unter dem Vorsitz des Regierungskommissars György Bakondi bei MAL das Sagen.

Der bisher kaum auffällige Bakonyi dürfte nur eines der Räder im Unglücksgetriebe gewesen sein. Seine Bestallung zum Geschäftsführer vor zwei Jahren ist nur durch das Wirken seines Vaters Arpad Bakonyi zu erklären, der Miteigentümer der Aluminiumfabrik ist und einer der reichsten Männer Ungarns.

Er hatte ein Vermögen zusammengerafft, als er sich in den neunziger Jahren an der dubiosen Privatisierung der ungarischen Aluminiumindustrie beteiligte. Bakonyi senior wurde 1995 zum Chef des staatlichen Trusts Hungalu ernannt, der in mehrere Firmen zerteilt und im Lauf von zwei Jahren nach und nach verkauft wurde.

Politisch-ökonomische Verflechtungen

Dabei erwarb er auch Anteile an der Fabrik MAL, weit unter Preis. Co-Teilhaber wurden Lajos Tolnay, der heute Vorstandsvorsitzender der als Aktiengesellschaft funktionierenden MAL ist, außerdem der Geschäftsmann Bela Petrusz. Damals wurde offenbar die Basis für den fahrlässigen Umgang mit der Umwelt geschaffen. Zwar legte die privatisierte Firma einen Umweltfonds von 500 Millionen Forint (damals etwa 2,6 Millionen US-Dollar) an, von denen 55 Prozent aus EU-Mitteln stammten.

Wie dieses Geld verwendet wurde, ist unklar, denn die zuständige Abteilung innerhalb der Treuhandgesellschaft, die dies hätte kontrollieren sollen, wurde bald abgeschafft. Diese Historie breitet jetzt genüsslich die konservative, regierungstreue Budapester Presse aus - zumal es sich um Vorgänge während der Regierung des Sozialisten Gyula Horn handelt. Dabei hat es wohl weitreichende politisch-ökonomische Verflechtungen gegeben, die noch heute fortwirken dürften.

Vater und Sohn Bakonyi sind in der MAL-Geschichte ein untrennbares Paar. Der Vater, während des Kommunismus 20 Jahre lang Beamter im Schwerindustrieministerium, dürfte dem Sohn die MAL-Führung zugeschanzt haben. In der Rangliste der 100 reichsten Ungarn liegt die "Familie Bakonyi" mit einem Vermögen von 16,5 Milliarden Forint (58 Millionen Euro) auf Platz 28. Sollte es wirklich zur Verstaatlichung der MAL kommen, wären die Bakonyis empfindlich getroffen, denn ihr Imperium ruht auf dem Aluminiumgeschäft. Die Anteile der Familie an MAL liegen bei 30 Prozent. Der 68-jährige Vater Bakonyi ist die treibende Kraft, obwohl er offiziell an der Geschäftsführung nicht beteiligt ist.

Wirtschaftlichkeit hängt am Strompreis

MAL besitzt nach eigenen Angaben eine Bauxitmine in Bosnien und in Ungarn, außerdem die Mehrheitsanteile der slowenischen Aluminiumfabrik Silkem. Eine weitere Aluminiumfabrik im ungarischen Inota musste MAL 2006 stilllegen, nach eigenen Angaben wegen drastisch gestiegener Strompreise. Aluminium wird grundsätzlich mit einem hohen Aufwand an elektrischer Energie hergestellt, die Wirtschaftlichkeit hängt daher wesentlich vom Strompreis ab.

Zugleich hat sich Bakonyi senior einen guten Ruf zugelegt - ausgerechnet als Umweltschützer. Der gelernte Volkswirt und Chemiker wurde 2002 zum Direktor des staatlichen Chemiewerks Nitrokemia im Plattensee-Ort Balatonfüzfö ernannt, damals ein berüchtigter Umweltverschmutzer. Bakonyi sollte dort die Umweltschäden beseitigen lassen.

Dies tat er zur Zufriedenheit der damals regierenden Sozialliberalen und bekam dafür 2007 sogar den Staatspreis für Umweltschutz. Jetzt befasst sich die frühere Dreckschleuder nur noch mit "Umweltschutz-Beratung und Dienstleistungen". Demnächst will die Fabrik auf Initiative von Bakonyi kompostierbaren Kunststoff produzieren. Trotz dieser beflügelnden Pläne ist Vater Bakonyi jetzt wegen der Schlammkatastrophe von der Nitrokemia-Führung zurückgetreten. Umweltschutz hat er immer als Hobby angegeben. Dies dürfte er behalten.

© SZ vom 16.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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