Es ist einer der exklusivsten Orte, um in London eine Party zu schmeißen. Ein 6000 Quadratmeter großer Dachgarten im Herzen des Reichen-Stadtteils Kensington, mit einem künstlichen Bach, echten Bäumen und echten Flamingos. Ein schickes Restaurant und ein Privat-Klub gehören auch zu diesen Kensington Roof Gardens. Unter anderem lädt dort der Frauen-Tennisverband WTA jeden Sommer zur Wimbledon-Sause. Kurz vor Turnierstart stöckeln da die Sportlerinnen über den roten Teppich, bevor sie sich in den Tagen danach Bälle um die Ohren schlagen.
Der Dachgarten und der Art-déco-Büroblock, der ihn beherbergt, gehören jedoch einem Mann, der mit Glamour und roten Teppichen nicht viel am Hut hat.
Einem Mann aus dem nicht ganz so mondänen Duisburg, dessen Vater und Onkel mit sozialem Wohnungsbau dort und in Mülheim ein Vermögen machten.
Einem Immobilien-Milliardär, der notorisch verschwiegen ist. Und den deutsche Mietervereine übelster Methoden beschuldigen: Eigentümer des Londoner Dachgartens ist Henning Conle. Vor genau einem Jahr kaufte die Liechtensteiner Gesellschaft Sirosa, eine der ungezählten Holdings in Conles Firmengeflecht, die grüne Oase in Kensington - für umgerechnet 270 Millionen Euro, wie es heißt.
Damit nicht genug. Keine drei Monate später erwarb Sirosa das Shell-Mex-House, einen wuchtigen Art-déco-Klotz direkt am Nordufer der Themse, in dem früher die Zentrale von Shell residierte. Preis: geschätzte 730 Millionen Euro. In den weltweit bekannten Einkaufsmeilen Regent Street und Oxford Street gehören dem 70-jährigen Conle außerdem mehrere Kaufhausgebäude. Insgesamt habe die Gruppe sieben Gewerbe-Immobilien in der britischen Hauptstadt gekauft, teilt eine von Conles deutschen Tochterfirmen auf Anfrage mit.
Conle hat sich einen Ruf als Hassfigur erarbeitet
Diese Gesellschaft namens Westfalia Immobilienverwaltung sitzt in einem weiß geklinkerten viergeschossigen Haus am Kaiserberg, einem Villenviertel in Duisburg. Schlicht, unauffällig. Genauso unauffällig wie das ganze öffentliche Leben des Milliardärs. Keine Auftritte auf roten Teppichen, keine Beziehungsdramen in den Boulevard-Blättern.
So wenig über die Person Henning Conle bekannt ist, so viel wurde aber über seinen rüden Umgang mit Mietern publik. Conle hat sich über die Jahrzehnte einen Ruf als Hassfigur vieler Mietervereine erarbeitet. Der Vorwurf: Er kaufe unsanierte Altbauten, investiere nichts in sie, lasse sie herunterkommen und setze Bewohner unter Druck, wenn diese wegen der Mängel schließlich ihre Miete kürzten.
In Hamburg sollen dem Duisburger in den Neunzigerjahren mindestens 2500 Wohnungen gehört haben. Renitente Bewohner, die im Rückstand waren, soll er mit Aushängen im Treppenhaus angeschwärzt haben, klagt der Hamburger Verein "Mieter helfen Mietern". In Berlin wurde vor zwei Jahren ein Wohnhaus von Conle in Neukölln besetzt. Mieterschützer warfen ihm vor, das Gebäude leer stehen zu lassen, um es später teuer zu verkaufen.
Und ausgerechnet dieser Herr der maroden Altbauten verleibt sich nun Luxus-Immobilien im edlen London ein. Wobei man davon ausgehen kann, dass diese trotzdem nicht von Verfall bedroht sind - das wäre sonst wohl ein Verlustgeschäft. Der Milliardär streitet die Vorwürfe aber ohnehin ab. Über seine Westfalia-Gesellschaft im Duisburger Klinkerbau lässt er verkünden: Es habe "keine signifikanten Beschuldigungen" mit Blick auf illegale Methoden bei der Mieteintreibung oder einer bewussten Vernachlässigung von Immobilien in Deutschland gegeben. Auch bei den Londoner Liegenschaften lägen keinerlei Beanstandungen in dieser Hinsicht vor.
Tausende Sozialwohnungen brachten ein Vermögen
Conle ist nicht der einzige reiche Ausländer, der in Betongold an der Themse investiert. Der Markt boomt, denn die Metropole wächst, und die Zahl neuer Wohnungen hält nicht Schritt. Zugleich nutzen Wohlhabende aus aller Welt Londoner Immobilien als sichere Anlage für ihr Vermögen. Wegen der Krise in der Ukraine würden verschreckte Oligarchen aus Russland nun viele weitere ihrer hart verdienten Millionen nach London schaffen, schätzen Makler.
Der Grundstock von Conles Vermögen stammt von seiner Familie. Sein Vater Heinz, ein SPD-Mitglied, und dessen Bruder Kurt eröffneten 1949 ein Architektur-Büro, das dank millionenschwerer öffentlicher Aufträge schnell zu einem Immobilienkonzern heranwuchs. Das Duo zog Tausende Sozialwohnungen hoch. 1955 gründete Kurt mithilfe der Gewinne aus dem Baugeschäft zudem die Fluggesellschaft LTU. Den Aufstieg des Immobilien-Imperiums überschatteten Vorwürfe, die Conles würden von rotem Filz im Ruhrgebiet profitieren. Ein Korruptionsverfahren gegen die Brüder vor dem Landgericht Duisburg endete aber 1967 mit einem Freispruch.
Von Duisburger Sozialbauten nach Kensington - ein weiter Weg.