Ultra-Langstreckenflüge:In 18 Stunden um die halbe Welt

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Niedrige Spritpreise und sparsame Flugzeugtypen machen es möglich: Fluggesellschaften wollen Ultralangstreckenflüge ins Programm nehmen. Das wird richtig unbequem.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Als Passagier will man sich das gar nicht erst vorstellen: Mehr als 17 Stunden lang in der Economy Class eingepfercht sein, womöglich noch auf einem ausgebuchten Flug, bei dem es kaum Möglichkeiten gibt, sich die Beine zu vertreten. 17 oder 18 Stunden in dieser engen Röhre auf nur halbwegs bequemen Sitzen mit schreienden Kindern, schnarchenden Nachbarn, dem konstanten Brummen der Triebwerke und dieser allzu trockenen Luft?

Genau solche Flüge erleben derzeit eine Renaissance. Mehrere Fluggesellschaften haben neue Ultralangstrecken-Verbindungen angekündigt, gerade ist der Titel des längsten Linienfluges an eine neue Airline übergegangen, aber nicht für lange. Die Anbieter sehen eine Chance, solche operationell anspruchsvollen Flüge wieder anzubieten, weil sich in den vergangenen Jahren zwei Dinge grundlegend geändert haben: Der Treibstoffpreis ist massiv gesunken und verringert die Kosten von extremen Langstrecken besonders. Strecken, die bisher mit dem Airbus A380 oder der Boeing 777-200LR, die über die größte Reichweite aller zivilen Flugzeuge verfügen, nicht wirtschaftlich waren, bekommen nun eine (neue) Chance. Und mit dem Airbus A350 und der Boeing 787 stehen nun Flugzeugmodelle zur Verfügung, die wegen ihres vergleichsweise geringen Verbrauchs für solche Einsätze prädestiniert sind.

"Die Werkzeuge liegen für alle im Kasten", sagt Emirates-Airline-Chef Tim Clark. "Und die Strecken schaffen echten Wert." Emirates fliegt seit Anfang März die längste Langstrecke von Dubai nach Auckland. Gut 17 Stunden und fünfzehn Minuten ist die Maschine auf dem wegen der vorherrschenden Winde längeren Rückflug unterwegs, auf dem Hinflug sind es laut Emirates etwas unter 16 Stunden. Die Boeing 777 ist damit für die 14 200 Kilometer etwa 20 Minuten und knapp 400 Kilometer länger unterwegs als der A380 der australischen Fluggesellschaft Qantas, die zwischen Sydney und Dallas hin- und herfliegt. Im Juni wird United Airlines die 13 500 Kilometer lange Strecke zwischen San Francisco und Singapur eröffnen, welche die Boeing 787-9 in westlicher Richtung in 16 Stunden und 20 Minuten bewältigen soll - von Singapur an die US-Westküste sind es dann nur fünfzehneinhalb Stunden.

Über den Wolken ist womöglich die Freiheit grenzenlos, jedoch nicht die in der engen Flugzeugkabine. (Foto: mauritius images)

Doch es geht noch weiter. Qatar Airways führt im Dezember einen neuen Flug von Doha nach Auckland ein, der mit knapp 18 Stunden noch eine halbe Stunde länger dauern dürfte, als die neue Emirates-Verbindung. Im nächsten Jahr will Qatar dann die ähnlich lange Linie Doha-Santiago de Chile einführen und Emirates von Dubai nach Panama City fliegen. 2018 aber wird sich voraussichtlich Singapore Airlines die Krone zurückerobern und wieder Nonstop-Flüge von Singapur nach New York anbieten: 15 300 Kilometer, geplante Flugzeit bis zu 19 Stunden.

Die New York-Flüge hatte Singapore Airlines schon einmal im Programm. Von 2004 bis 2013 ließ die Airline viermotorige Maschinen des Typs Airbus A340-500 zwischen den Metropolen hin- und herpendeln. Doch die Jets galten sowieso als Spritfresser, der starke Anstieg der Treibstoffpreise machte die Strecke zuletzt aber sehr unwirtschaftlich. Extrem weite Strecken sind davon besonders betroffen, weil wegen der nötigen Treibstoffmenge ein sehr großes Gewicht über sehr lange Distanzen geflogen werden muss.

Mehr Sitze in der Business Class sollen die Flüge lukrativer machen

Viel wirtschaftlicher wäre es, nach acht Stunden zwischenzulanden und neu aufzutanken. Doch damit würde sich die Reisezeit insgesamt locker um zwei Stunden verlängern, der Vorteil gegenüber der Konkurrenz, die solche Verbindungen zum Teil heute schon anbietet, wäre verflogen. Singapore Airlines jedenfalls hat das Interesse an den Ultralangstrecken nicht verloren und machte lange Zeit Druck auf Airbus, ein Flugzeug bereitzustellen, das die nötige Reichweite hat. Airbus startete mit dem A350-900 ULR (für ultra-long range), der Platz hat für 165 000 Liter Kerosin, verglichen mit 140 000 für die Basisversion.

Die extremen Langstrecken zwingen die Fluggesellschaften auch dazu, sich über Neuerungen in der Passagierkabine Gedanken zu machen, die ihren Kunden die lange Zeit in der Luft erträglich machen. Singapore Airlines setzt vor allem darauf, von vorneherein weniger Passagiere zuzulassen. Der A350 wird normalerweise mit rund 300 Sitzen geflogen, für die New York-Strecke sollen es weniger als 200 werden. Die Fluggesellschaften haben auch ein starkes eigenes Interesse daran, die Zahl der Sitze in der Business Class oder Premium Economy zu erhöhen, denn ohne eine größere Menge der teureren Tickets lohnen sich die Strecken immer noch nicht. Emirates-Chef Clark findet, es habe ohnehin schon eine "Revolution beim Kabinendesign" stattgefunden, und die Sitzhersteller hätten deutlich bequemere Sessel entwickelt.

So ist es bei neueren Langstreckenflugzeugen mittlerweile Standard, mit der Beleuchtung die richtige Stimmung in der Kabine für die entsprechende Flugphase zu erzeugen, den Stress und den Jetlag zu minimieren versuchen. Doch der Platzmangel, der schon auf manchen Kurzstrecken nervt, wird bei 18-Stunden-Flügen zum ernsten Problem, auch wenn die Sitzhersteller noch so innovativ versuchen, im gegebenen Rahmen das Optimale herauszuholen.

Viele Airlines haben zuletzt enorm in die Bordunterhaltung investiert, in das Angebot an neuen Kinofilmen, die sich jeder Passagier auf seinem eigenen Bildschirm anschauen kann. Doch auch dieses Konzept hat seine Grenzen, wenn nach drei Filmen immer noch zwölf Stunden Flugzeit herumzubringen sind. Und so ist der Tankstopp, der ökonomisch sowieso sinnvoll ist, zumindest für die Economy-Passagiere gar nicht so unwillkommen. Aussteigen, ein, zwei Stunden auf dem Flughafen herumlaufen und dann weiter fliegen, klingt erträglicher als die Nonstop-Tortur. Auch wenn die Reise ein wenig länger dauert.

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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