Ulrich Schumacher:Abschied aus der Mäuseliga

Lesezeit: 4 min

Einst war Ulrich Schumacher der Popstar der deutschen Wirtschaft. Jetzt muss der Ex-Infineon-Chef wegen Bestechungsvorwürfen vor Gericht.

Markus Balser und Thorsten Riedl

Dass man gemeinsam viel verlieren kann, wissen die Protagonisten eigentlich nur zu gut. Jahrelang reiste Ex-Infineon-Chef Ulrich Schumacher zusammen mit seinem früheren Vertrauten Udo Schneider an den Wörthersee. Brot und ein paar Runden Golf: Der Manager und der Sportrechtevermarkter verloren vor der Kulisse der mächtigen Karawanken beim Entschlacken Pfunde. Boxenstopp nennt man das im mondänen Alpenresort. Wie gut der Titel zu den schillernden Besuchern passte, ahnte wohl keiner der Gastgeber im grün-weißen Holzriegelhaus.

Von Montag an werden sich die Urlaubspartner wiedersehen - als Kontrahenten. Dann beginnt vor dem Landgericht MünchenI der wohl spektakulärste Wirtschaftsprozess des Jahres. Stimmen die Vorwürfe, gibt es für das Abspeckduo erneut viel zu verlieren: Schumacher soll vom Schweizer Geschäftspartner Schmiergeld kassiert haben.

Die Anklage stützt sich auf dessen Aussagen. Schneider hatte in einem anderen Verfahren eingeräumt, dem früheren Vorstandschef die Teilnahme an einer privaten Rennserie finanziert zu haben, die wegen betuchter Fahrer unter Kennern "Mäuseliga" heißt. Schumacher bestreitet die Vorwürfe vehement.

Unvergessene Bilder

Doch klar ist schon jetzt: Mit dem Prozessauftakt frisst sich die Korruptionsaffäre bei Infineon immer tiefer durch den Konzern. Sie erreicht einen der prominentesten Manager der Republik.

Die Fotos sind unvergessen: Als Infineon 2000 an die Börse ging, posierte Schumacher im Renndress neben einem Porsche. Medien feierten den damals 41-Jährigen als "Maniac" - den Wahnsinnigen. Nach rasantem Start der einstigen Siemens-Tochter wurde der schlacksige Rheinländer zwischenzeitlich gar als neuer Siemens-Chef gehandelt.

Nun droht der tiefe Fall. Die Leidenschaft für Rennautos, vor allem für die der Marke Porsche, könnte Schumacher zum Verhängnis werden. In guten Zeiten soll der Ingenieur sieben besessen haben. Unter seiner Führung steckte auch Infineon viel Geld in den Motorsport.

Das Ziel: bei Autorennen weltweit für sich zu werben. Um das teure Sponsoring kümmerte sich der Unternehmer Schneider mit seiner Schweizer Firma BF Consulting. Bis sich herausstellte, dass Schneider Schmiergeld gezahlt hatte, um mit dem Konzern und wichtigen Managern im Geschäft zu bleiben. Außerdem soll die Firma Infineon mit überhöhten Rechnungen geschädigt haben.

Die Ermittler sind einem bizarren Fall auf der Spur. Sie fragen sich, wo auf der schillernden Bühne des Rennsports die Grenzen der Moral verschwammen. Die Vorwürfe der Ankläger wiegen schwer: Schumacher wird Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, Untreue, versuchter Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen.

Das Landgericht München I hat bis Ende Oktober zunächst 15 Verhandlungstage anberaumt. Gegenübersitzen wird Schumacher ab Montag Peter Noll. Der Richter gilt als sehr erfahren. Seit Anfang der neunziger Jahre befasst er sich mit Wirtschaftskriminalität, zunächst als Staatsanwalt, seit fünf Jahren als Vorsitzender einer Wirtschaftsstrafkammer. Noll hat 2008 auch das erste Urteil in der Korruptionsaffäre bei Siemens gefällt.

Nun also Infineon. Die Strafverfolger wühlen tief in der Vergangenheit des Milliardenkonzerns. Schon lange vor dem Börsengang soll Schumacher zusammen mit seinem früheren Vorstandskollegen Andreas von Zitzewitz Udo Schneider zum ersten Mal getroffen haben. 1997 vermuten die war das.

Noch als Top-Manager des Infineon-Vorläufers, der Siemens-Halbleitersparte, soll sie der Chef des Vermarkters BF Consulting zu einer Testfahrt auf dem Hockenheimring eingeladen haben. Beide gingen nicht nur darauf ein. Sie ließen sich von Schneider später angelbich auch die Rennlizenzen bezahlen. Für die Ermittler ist das der Beginn einer jahrelangen Geschäftsbeziehung. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft basierte sie auf Zahlungen von Schneider, der sich so Sponsoringaufträge für Motorsportevents sicherte. Zunächst noch für Siemens, ab 1999 für die neu gegründete Infineon AG.

Geld in Plastiktüten

24 Stunden von Le Mans, zwölf Stunden von Sebring oder Deutsche Tourenwagen Masters (DTM): Infineon ließ sich von 1999 bis 2004 das Sponsoring von Rennveranstaltungen über die Agentur BF Consulting von Schneider Millionen kosten. Der begeisterte Rennfahrer Schumacher nahm ebenfalls an Autorennen teil: Hockenheim, Nürburgring, Monza - er war auf den bekanntesten Parcours unterwegs. Die Kosten für den Spaß soll Geschäftspartner Schneider übernommen haben - überwiegend in bar.

Schumacher soll Schneider auch dabei unterstützt haben, einen Sponsoringvertrag mit dem japanischen Canon-Konzern anzubahnen. Allein dafür habe der Topmanager als Provision 300.000 Euro erhalten, heißt es - teils in Plastiktüten verpackt. Übergabeort angeblicher diskreter Zahlungen: Mal soll es das Campeon in Neubiberg, die Zentrale von Infineon am Stadtrand von München, gewesen sein, mal eine Rennstrecke und mal die Herrentoilette eines feinen Restaurants.

Schneider kam wegen der Affäre 2005 in Untersuchungshaft und wurde im September 2006 vom Landgericht MünchenI wegen Bestechung zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Schneider selbst ist inzwischen wieder auf freiem Fuß und versucht, sich eine neue Existenz aufzubauen. Zitzewitz hat seine Verfehlungen zugegeben: Mit einem Geständnis, er habe vom Motorsportvermarkter Schneider 70000 Euro erhalten, hat er vor drei Jahren einen Prozess vermieden. Er wurde zu zwölf Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldbuße von 100000 Euro verurteilt.

Inzwischen gilt Zitzewitz als rehabilitiert: Seit Ende Juli leitet Zitzewitz als Vize-Chef das Solarunternehmen Conergy und soll dort demnächst Dieter Ammer an der Spitze folgen. Im Prozess gegen Schumacher wird er als einer der Hauptzeugen von der Staatsanwaltschaft benannt. Beide waren einmal befreundet. "Inzwischen sind sie Todfeinde", sagt ein ehemaliger Infineon-Mitarbeiter.

Schumacher selbst will sich im Vorfeld des Prozesses nicht äußern. "Er hat nie auch nur einen Cent genommen", erklärt sein Sprecher. Der Ex-Infineon-Chef sei froh, dass die Vorwürfe nun endlich geklärt würden. Dieser Tage wird der 51-Jährige in Deutschland eintreffen, für ihn altbekanntes Terrain: Seine Familie lebt noch immer am Starnberger See, auch wenn Schumacher selbst seit zwei Jahren dem chinesischen Halbleiterhersteller Grace Semiconductor vorsteht. Dort kann man den Wirbel nicht verstehen.

"Volle Unterstützung"

Auch für den Fall, dass Schumacher schuldig gesprochen wird, soll sich dadurch in seinem aktuellen Arbeitsverhältnis nichts ändern. "Grace ist voll informiert", heißt es. "Herr Schumacher hat die volle Unterstützung der Eigentümer und des Verwaltungsrates." Schumacher soll bei Grace vor allem den Gang ins Ausland leiten. Dazu hat er sich Verstärkung von alten Weggefährten geholt: Thomas Lee Schwarcz, Thomas Neyer und Werner Reczek hat er seit dem vergangenen Jahr abgeworben - alle von Infineon.

Bei Infineon gibt man sich zurückhaltend, was den Prozess gegen den ehemaligen Chef angeht. Der Konzern lässt offen, ob Schumacher im Falle eines Schuldspruchs auf Schadenersatz verklagt wird. Das Unternehmen könnte dazu rechtlich gezwungen sein, heißt es, das werde aber noch geprüft. Am Campeon hat man nach dem Abgang von Schumacher 2004 schon versucht, ein Pfand einzubehalten.

So war eigentlich vereinbart worden, die Abfindung des Managers in Höhen von 5,3 Millionen Euro in zwei Tranchen zu zahlen. Die erste Rate wurde im März 2005 beglichen, die zweite ein halbes Jahr später aber wollte Infineon mit Hinweis auf das Strafverfahren zurückbehalten. Schumacher klagte - und bekam Recht, weil er auch hier erklärte, kein Schmiergeld von Schuster erhalten zu haben. Dieser Punkt wird von der kommenden Woche an vor dem Richter erneut geprüft.

© SZ vom 10.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: