Überzeugter Marktwirtschaftler:Die Friedrich-Merz-Partei

Lesezeit: 3 min

Eine Partei, die zu einschneidenden Reformen bereit ist, fehlt in Deutschland. Friedrich Merz könnte eine solche Partei gründen und würde dabei in ein Vakuum hineinstoßen.

Ulrich Schäfer

Friedrich Merz sagt, er wolle keine Partei gründen; er sollte sich dies noch einmal überlegen. Friedrich Merz sagt, er habe die Idee nur einmal ,,sportlich durchdekliniert''; der Wirtschaftsexperte und einstige Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sollte diese Idee ganz real durchbuchstabieren.

Argumentiert messerscharf, manchmal verletztend: Friedrich Merz bei der Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst in Aachen. (Foto: Foto: dpa)

Am Ende der Überlegungen könnte stehen, dass solch eine Partei in Deutschland fehlt: eine Partei, die zu einschneidenden Reformen bereit ist, nicht bloß zu kleinen Schritten; die sich nicht an all den Problemen vorbeimogelt, die dieses Land lähmen; die, anders als die FDP, nicht nur Werbebotschaften anbietet, sondern eine klare, gut begründete Wirtschaftspolitik.

Merz wäre der Mann, der solch eine Partei führen könnte. Er hätte die Fähigkeit, Angela Merkel und Guido Westerwelle zugleich gefährlich zu werden.

Er will noch nicht

Er will nicht. Noch nicht. Und dies kann man verstehen. Würde sich Merz jetzt, unmittelbar nach der Ankündigung seines Rückzugs, hinstellen und sagen: Ja, ich gründe eine neue Partei; ja, ich trete als führender Kopf einer solchen Reformgruppierung bei der nächsten Bundestagswahl an - die Medien wären voll davon, die Talkshows würden nach ihm gieren, die Union würde sich auf ihn stürzen, sie würde ihn zerreißen, zermürben, zerfetzen.

Denn so wenig wie die SPD mit der Linkspartei leben kann, die als Reaktion auf die Arbeitsmarktreform Hartz IV entstand, so wenig könnte die Union mit einer Partei leben, die als Reaktion auf Merkels Schwenk nach links entstünde.

Solch eine Partei würde im konservativen Teil des Wählerteichs fischen, im Reich der Enttäuschten, die mit Merkels großer Koalition nicht mehr allzu viel anzufangen wissen.

Schöne Illusion und trübe Realität

Diese Leute denken an Leipzig, an den Parteitag der großen Reformen im Spätherbst 2003, und sehen die große Koalition der kleinen Schritte: Beides passt nicht zusammen. Das eine war schöne Illusion, das andere ist trübe Realität.

Merz wäre in der Lage, diese Illusion aufs Neue zu nähren und sie mit Leben zu füllen. Er hat den einen Teil von Leipzig geliefert, die Steuerreform auf dem Bierdeckel; der andere Teil war die Gesundheitsprämie.

Er versteht es, anders als die Kanzlerin, Menschen mit seinen Ideen einzufangen. Er ist der beste Redner im Bundestag, er argumentiert messerscharf, manchmal verletzend. Er ist, ähnlich wie Oskar Lafontaine und Westerwelle, ein Populist, wobei Merz die Fakten nicht verdreht und seine Selbstverliebtheit nicht ganz so ausgeprägt ist.

Kurzum: Merz wäre in der Lage, mehr als nur ein paar Wirtschaftslobbyisten für sich zu gewinnen. Er könnte die konservative Masse ähnlich begeistern, wie dies Paul Kirchhof im Bundestagswahlkampf 2005 gelungen ist.

Persönliche Intrigen

Anders als der Steuerprofessor aus Heidelberg weiß er jedoch, dass persönliche Intrigen und Anfeindungen zum politischen Geschäft gehören; man muss diese aushalten, wenn man etwas erreichen will.

Die Friedrich-Merz-Partei, so sie denn jemals gegründet wird, würde in ein Vakuum hineinstoßen: Seit es die große Koalition gibt, fehlt eine Partei mit einem klaren marktwirtschaftlichen Kurs.

Union hat sich weit nach links bewegt

Die Union hat sich, seit sie mit den Sozialdemokraten koaliert, weit nach links bewegt. Merkel hat in ihrer Regierungserklärung gesagt, sie wolle mehr Freiheit wagen, doch sie nimmt sich vor allem die Freiheit, wie eine Genossin zu reden, um nicht den Koalitionsfrieden mit Kurt Beck und Franz Müntefering zu gefährden.

Die Liberalen wiederum wissen nicht so recht, wie sie das schwarz-rote Bündnis attackieren sollen: Natürlich steht die FDP eigentlich für Markt und Wettbewerb, seit dem Herbst 2005 gefällt sie sich jedoch auch als Anwalt des kleinen Manns, der gegen niedrigere Renten oder den Abbau von Steuervergünstigungen wettert.

Man muss nicht jede Idee mögen, die Merz vertritt; manches wird sicher niemals eine Mehrheit finden. Doch eine Partei, die marktwirtschaftliche Positionen vertritt, unabhängig von den Schwankungen des Zeitgeists und der Umfragewerte, fehlt hierzulande.

Angriffsflächen

Merz' Problem ist eher, dass er als Multi-Aufsichtsrat und mehrfacher Zusatzjobber viele Angriffsflächen bietet. Man kann auch zu Recht fragen, ob seine Weigerung, die Nebeneinkünfte als Anwalt offenzulegen, richtig ist; populistisch ist diese Haltung jedenfalls nicht, eher egoistisch.

Aber die Einschätzung von Merz, geäußert im kleinen Kreis, dass die neue Partei zehn, fünfzehn Prozent erzielen könnte, ist plausibel. Sie könnte die Stimmen bei der Union holen, bei den Liberalen, aber auch im Heer der Nichtwähler, die sich zwei untergegangenen Projekten zugehörig fühlten: Schröders Neuer Mitte und Merkels Neuer Sozialer Marktwirtschaft.

Gefahr für Union und FDP

Deshalb ist die Angst bei der Union auch so groß, deshalb haben die Liberalen dem Christdemokraten gleich angeboten, er könne gerne zu ihnen kommen. Die Merz-Partei wäre eine Gefahr für sie, sie würde das Parteienspektrum auf der Rechten zersplittern. Sie könnte die Union, ähnlich wie die SPD, zeitweise unter die Marke von 30 Prozent treiben, vielleicht sogar auf Dauer; und sie würde die FDP in Richtung fünf Prozent drücken.

Es mag sein, dass Merz seine Idee niemals wahrmachen wird; dass er sein Salär als Anwalt nüchtern mit dem vergleicht, was er als Führer einer kleinen Oppositionspartei verdienen könnte; und dass er dann zu dem Schluss kommt, der Ärger und die Mühen lohnten sich nicht.

Doch er würde damit eine Chance vertun. Natürlich besteht die Gefahr für ihn, eine Pleite zu erleben. Doch Merz ist überzeugter Marktwirtschaftler. Und in der Marktwirtschaft kann nur derjenige erfolgreich sein, der auch bereit ist, notfalls zu scheitern.

© SZ vom 17.02.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: