Übersicht zu Exporten:Boom ohne Ende

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Deutschland exportiert mehr ins Ausland, als es importiert. Dieser Überschuss ist so hoch wie nie. Welche Waren sind "Made in Germany" und welche kauft das Land ein?

Von Catherine Hoffmann, München

"Made in Germany" ist gefragt wie nie. Ungeachtet aller Verunsicherung durch das Brexit-Votum und die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten nahmen die Ausfuhren 2016 um 1,2 Prozent auf 1,21 Billionen Euro zu. Gleichzeitig erhöhten sich die Einfuhren um 0,6 Prozent auf 954,6 Milliarden Euro - beides sind Rekordwerte. Wie es dazu kommt und was es bedeutet - die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Wie errechnet sich der Überschuss im Außenhandel?

Ganz einfach: Die Differenz zwischen Ausfuhren und Einfuhren ergibt den Handelssaldo. Für Deutschland lässt sich demnach ein Handelsüberschuss von 252,9 Milliarden Euro errechnen. Er entsteht, weil heimische Unternehmen mehr Maschinen, Autos und andere Dinge herstellen, als sie im eigenen Land absetzen können. Deshalb verkaufen die Firmen einen immer größeren Teil ihrer Produktion an den Rest der Welt - ohne zum Ausgleich von dort im selben Umfang Waren zu beziehen.

Wer kauft all die deutschen Waren?

Zwar geht der allergrößte Teil der deutschen Ausfuhren mit zuletzt 58 Prozent in die Europäische Union. Doch die USA sind inzwischen der wichtigste Einzelmarkt, gefolgt von Frankreich und Großbritannien. China liegt auf Platz fünf - nach den Niederlanden. Die Exporte in die EU stiegen um 2,2 Prozent auf 707,9 Milliarden Euro. Außerhalb der EU bekamen die Unternehmen dagegen die Schwäche des Welthandels und die politischen Unsicherheiten zu spüren. Die Ausfuhren sanken um 0,2 Prozent auf 499,6 Milliarden Euro.

Hamburger Hafen: Bereits in der Fabrik werden die lastwagengroßen Container mit Exportwaren gefüllt und später an Bord gehievt. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Welche Güter sind besonders begehrt?

Die Bundesrepublik hat sich schon in den Fünfzigerjahren auf Produkte spezialisiert, die international gebraucht werden: Autos, Maschinen, chemische Erzeugnisse, Medizintechnik. Das zahlt sich bis heute aus. Kraftfahrtzeuge, Maschinen und Chemie führten auch im vergangenen Jahr die Rangliste der Exporte an. Das allein ist schon ein wichtiges Signal für die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Industriezweige. Noch deutlicher wird es, wenn man den Ausfuhren die Einfuhren gegenüberstellt. So verkaufte Deutschland zum Beispiel entschieden mehr Autos ins Ausland, als es importierte. In den Monaten Januar bis November 2016 stehen Exporten im Wert von 211,5 Milliarden Euro Einfuhren im Wert von 97,2 Milliarden Euro gegenüber. Allein die Fahrzeugindustrie erzielte also einen Außenhandelsüberschuss in Höhe von 114,3 Milliarden Euro. Das entspricht beinahe 50 Prozent des gesamten Exportüberschusses. Ähnlich sieht es im Maschinenbau aus, wo ebenfalls ein gewaltiger Exportüberschuss von 85,3 Milliarden Euro erzielt wird. Das erklärte weitere 36 Prozent des deutschen Ausfuhrüberschusses - und zeigt, welche überragende Rolle Automobilindustrie und Maschinenbau spielen.

Der Exportüberschuss geht nicht allein auf die international bekannten Dax-Unternehmen zurück, sondern ist auch durch den Deutschen Mittelstand zu erklären, der im Gegensatz zu den kleinen und mittleren Unternehmen anderer großer europäischer Volkswirtschaften im Ausland sehr präsent ist.

Was muss Deutschland importieren?

Ganz oben auf der Liste der eingeführten Waren standen 2016 Kraftfahrzeuge. Ihnen folgten an zweiter Stelle Datenverarbeitungsgeräte, elektrische und optischen Erzeugnisse mit einem Volumen von 93,1 Milliarden Euro; diese Dinge werden jedoch in fast exakt der gleichen Menge auch exportiert. Erdöl und Erdgas folgen erst auf Platz neun der wichtigsten Importgüter mit einem Wert von 41,7 Milliarden Euro, dem stehen allerdings kaum Exporte gegenüber.

Wo kauft Deutschland gern ein?

Die wichtigsten Handelspartner Deutschlands, gemessen an den Importen, sind China, die Niederlande, Frankreich, die USA und Italien. Allerdings erwirtschaftet das Land im Handel mit den meisten dieser Länder Überschüsse, alle voran mit dem Vereinigte Königreich, den USA und Frankreich, was immer wieder Anlass zur Kritik gibt. Das höchste Defizit im Außenhandel gibt es im Warenaustausch mit China; Vietnam, Irland, Bangladesch und Russland folgen mit Abstand. Von dort kommen Elektroartikel, Schuhe und Textilien - und vieles mehr.

Exportiert Deutschland zu viel?

Vor allem das Ausland beklagt, dass das deutsche Wachstum aus dem Lot sei. Vor allem in den USA ist die These populär, dass die Bundesrepublik mit ihren Exporten andere Länder erdrücke. Auch die EU-Kommission kritisiert seit Jahren, dass Deutschlands "großer und andauernder" Leistungsbilanzüberschuss ökonomische Ungleichgewichte in Europa verursache. "Problematisch sind nicht die hohen Exporte, problematisch ist die schwache Entwicklung der Importe, die Ergebnis der großen Investitionslücke ist", sagt dazu der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher.

Welche Rolle spielt der Eurokurs ?

Einer der wesentlichen Gründe für den historischen Exportboom dürfte der - gemessen an Deutschlands Stärke - schwache Euro sein. Ein günstiger Währungskurs hilft den heimischen Exporteuren, denn er macht ihre Produkte auf den Weltmärkten billiger. Das kann den Absatz von "Made in Germany" ankurbeln. Nur kann man den Deutschen dafür kaum die Schuld geben. Der Eurokurs wird maßgeblich von der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) bestimmt, und die ist unabhängig. Trumps Berater Peter Navarro lässt sich davon nicht beirren. Er wirft Deutschland vor, den "krass unterbewerteten" Euro für Handelsvorteile auf Kosten der USA zu nutzen.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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