Übernahmen:Der Milliardär, der die Metro kauft

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Wer ist Daniel Křetínský, der nach dem Handelskonzern greift? Als Anwalt macht der Tscheche seine erste Million - und erkannte dann, wie er viel mehr verdienen kann.

Von Florian Hassel, Warschau

Der Januar 2018 war ein trauriger Monat für die 170 Beschäftigten des Kohlekraftwerks im englischen Eggborough. Zuvor hatte es die englische Regierung abgelehnt, den Betrieb des Kohlekraftwerkes zu subventionieren. Die Folge: Das zuletzt defizitäre Kraftwerk soll Ende September den Betrieb einstellen. Es ist eine seltene Niederlage für Daniel Křetínský, den tschechischen Milliardär, der mit seiner Holding EPH in England und anderen Ländern Europas massiv in Gas- und Kohleindustrie investiert hat - und in Deutschland nun auch nach knapp einem Drittel des Metro-Konzerns greift.

Woher kommt der 43 Jahre junge Unternehmer, wie hat er es zu einem Vermögen gebracht, das Forbes auf 2,6 Milliarden Dollar schätzt? Křetínský gehört als Sohn eines Informatikprofessors und einer Verfassungsrichterin aus Brünn zur tschechischen Oberschicht und erweist sich schon kurz nach seinem Politik- und Jurastudium in Brünn und im französischen Dijon als begabter Anwalt. Hilfreich sind zudem die richtigen Kontakte. So war etwa Jozef Tkáč, der Vater von Křetínskýs aus dem slowakischen Bratislava stammenden Geschäftsfreund Patrik Tkáč, Direktor der staatlichen tschechisch-slowakischen Investitions- und Entwicklungsbank. Die Tkáčs bauen die J&T Finanzgruppe auf, die in den 1990er-Jahren in Prag die "Unternehmensbank" übernimmt. Křetínský wird mit kaum 25 Jahren Junganwalt bei J&T. Nach kaum einem Jahr habe er als Prämie für einen gewonnenen Fall seine erste Million verdient, schilderte es 2016 das Prager Magazin Reporter.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)

Danach machen die J&T-Geschäftspartner viel Geld, etwa als Tschechien den staatlichen Energiekonzern CEZ teils privatisiert und J&T CEZ-Aktien kauft. Später übernehmen sie auch andere Energieunternehmen. 2009 entsteht die Energetický a průmyslový holding" (Energie- und Industrieholding, EPH): An der bekommt die Gesellschaft PPF von Tschechiens reichstem Mann Petr Kellner 40 Prozent, weitere 40 Prozent Patrik Tkáč und andere J&T-Investoren. 20 Prozent gehen an Křetínský. Der geht auf Expansionskurs im Ausland, kauft vor allem Gas- oder Kohleunternehmen in der Slowakei und der Ukraine, in Slowenien, Polen, Ungarn, Italien, Deutschland und England. 2014 wird Kellner ausgezahlt, später andere Partner. Heute gehören Křetínský 94 Prozent von EPH.

Selbst in Tschechien ist Křetínský trotz seines Vermögens öffentlich fast unbekannt - sieht man von seiner Rolle als Eigentümer und Präsident des Fußballclubs Sparta Prag ab. Dabei interessiert er sich nicht wirklich für Fußball. Als Grund für den Besitz von Sparta Prag schrieb er dem slowakischen Infodienst sme 2012: "Sparta ist international ein starker Name, der automatisch den Eindruck großer finanzieller Stärke seines Eigentümers erweckt." Der Vater eines Jungen und Kunstfreund, der etwa den österreichischen Maler Oskar Kokoschka schätzt, hält sich wie andere tschechische Milliardäre ein eigenes Medienimperium: Ende 2013 kaufte er dem Gemeinschaftsunternehmen Ringier-Axel Springer dessen tschechische Zeitungen und Magazine ab - zu ihnen gehört das einflussreiche Boulevardblatt Blesk, Tschechiens auflagenstärkste Zeitung.

Der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky investiert in Sportklubs, Kraftwerke und Handelsketten. (Foto: imago sport/imago/CTK Photo)

Křetínský hat laut Reporter, einem der wenigen unabhängigen Medien Tschechiens, ein "ziemlich gutes Verhältnis" zu Mit-Milliardär Andrej Babiš. Der bestimmt nach seiner Zeit als Finanzminister heute als Ministerpräsident die tschechische Politik. Křetínskýs Sprecher dementierte indes, dass sein Chef zu einem führenden Politiker regelmäßige Kontakte pflege. Der Sprecher musste auch an die Medienfront, als Křetínský 2016 in den Panama Papers auftauchte: als Eigentümer der Firma Wonderful Yacht Holdings auf den britischen Virgin Islands. Einziger Zweck dieser Firma sei der Betrieb eines Segelkatamarans, erklärte der Sprecher. Die Eigentümerstruktur von EPH und allen anderen Firmen Křetínskýs sei transparent, dieser nutze auch keine Trusts oder andere undurchsichtigen Strukturen, so der Sprecher.

Bei seiner Expansion im Ausland verfolgt Křetínský eine Strategie des Risikos: Die Übernahme der Braunkohlensparte des schwedischen Vattenfall-Konzerns 2016 und andere Käufe folgen dem Kalkül, dass Braunkohle trotz entgegenstehender Beschlüsse zum Klimaschutz mittelfristig nicht ersetzt werden könne oder gar vor einem Comeback stehe. In England, dessen Regierung das Aus für alle Kohlekraftwerke bis 2025 beschlossen hat, zahlte sich diese Kalkulation zunächst nicht aus, wie das Beispiel Eggborough zeigt.

Er setzt auf Braunkohle - obwohl die Regierungen daraus aussteigen wollen

Auch anderswo geht Křetínský gern ins Risiko. In der Ukraine, aus der sich Energieunternehmen wie Royal Dutch Shell oder die amerikanische Chevron zurückgezogen haben, soll Křetínskýs slowakische Tochterfirma Nafta kurz davor stehen, sich die Förderrechte am einem Erdgasvorkommen nahe dem Kriegsgebiet im Donbass zu sichern. Ukrainischen und tschechischen Medien zufolge sei Nafta bereit, dort im Gegenzug für 20 Jahre Förderrechte 200 Millionen Dollar in die weitere Erschließung des Gasvorkommens Jusiwska zu investieren - allerdings muss das ukrainische Kabinett dem Deal laut Medienberichten noch formell zustimmen.

© SZ vom 29.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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