Übernahmeangebot:Noch einer will die Allianz kaufen

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Ein zweiter Konzern aus China war daran interessiert, beim größten deutschen Versicherer einzusteigen. Doch die Chefriege des für die deutsche Wirtschaft systemrelevaten Unternehmens lehnte ab.

Von Christoph Giesen und Herbert Fromme, Shanghai/Köln

Die Anfrage, die Allianz-Chef Oliver Bäte aus China erhielt, war sehr konkret. HNA, dieser aggressive Firmenkäufer von der Tropeninsel Hainan, der schon mehr als 40 Milliarden Dollar ausgegeben hatte, wollte einen großen Deal: den Einstieg bei der größten deutschen Versicherung - entweder als Ankeraktionär oder gleich als neuer Mehrheitseigentümer. Die SZ berichtete darüber am Mittwoch exklusiv.

Wie sich nun herausstellt, war HNA mit dieser Offerte aber nicht alleine: Nach Informationen dieser Zeitung richtete der chinesische Finanzkonzern Anbang eine ähnliche Anfrage an das deutsche Unternehmen. Anbang ist in den vergangen Jahren ebenfalls durch den aggressiven Kauf von ausländischen Unternehmen, Hochhäusern und Hotels aufgefallen, darunter das berühmte Waldorf Astoria in New York.

In beiden Fällen wurden die chinesischen Konzerne abschlägig beschieden. Man habe kein Interesse, ließ die Führung der Allianz wissen. Doch bezweifeln Kenner der Versicherungsbranche, dass die Sache damit erledigt ist. "Wenn HNA oder Anbang den anderen Aktionären ein wirklich attraktives Angebot macht, wäre es für die Allianz-Führung schwierig, einfach nein zu sagen", meint ein Fondsmanager mit Allianz-Beteiligung. Zwar könnte die Finanzaufsicht Bafin versuchen, die Übernahme eines großen Anteils an der Allianz durch HNA oder Anbang zu verhindern. Allerdings hätte die Behörde Probleme damit, zu erklären, warum HNA zwar 9,9 Prozent an der Deutschen Bank halten darf, nicht aber einen ähnlichen Anteil an der Allianz erwerben dürfte.

Unklar ist, ob HNA und Anbang in den nächsten Wochen einen neuerlichen Anlauf unternehmen werden. Klar ist nur: Vor dem Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas, der am 18. Oktober beginnt, dürfte wenig passieren. Zuletzt hat die Regierung in Peking versucht, den Abfluss von Devisen zu stoppen; sie hat deshalb Übernahmen im Ausland für chinesische Konzerne beschränkt. Viele Unternehmen hoffen, dass die Restriktionen nach dem Parteitag aufgehoben werden.

In den vergangenen drei Jahren hatte Anbang fast 20 Milliarden Dollar im Ausland investiert. Auf den Kauf des Waldorf Astoria Hotel für knapp zwei Milliarden Dollar folgten etliche Immobiliendeals folgten, darunter Luxushotels in San Francisco, San Diego und New York. Im Versicherungssektor kaufte Anbang Fidea in Belgien und den amerikanischen Lebensversicherer Fidelity & Guaranty Life.

Anbang kam mit dem deutschen Konzern bereits einmal ins Geschäft: in Südkorea

Auch mit der Allianz kam Anbang bereits einmal ins Geschäft: Im vorigen Jahr kaufte der Konzern die Lebensversicherungssparte der Allianz in Südkorea. Zudem versuchte Anbang bereits in den vergangenen Monaten, in Deutschland Fuß zu fassen, und meldete Interesse an der HSH Nordbank an, der Bank der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein.

Ähnlich wie bei HNA sind auch bei Anbang die Besitzverhältnisse für Ausstehende nicht nachzuvollziehen. Hinter dem Konzern stehen wiederum knapp andere 40 Unternehmen, fast alle Aktionäre sind Freunde und Verwandte des Firmen-Gründers Wu Xiaohui. Sind es Strohmänner? Wenn ja für wen? Man weiß es nicht. Anbang legt die Strukturen nicht offen.

Seit diesem Frühjahr steht Anbang enorm unter Druck. Im April brachen die Umsätze mit Lebensversicherungen ein, und ebenso mit hochspekulativen Firmenbeteiligungen mit kurzen Laufzeiten, die bei chinesischen Sparern beliebt sind. Im April 2016 hatte Anbang hier insgesamt 5,92 Milliarden Dollar eingesammelt. Ein Jahr darauf waren es gerade einmal 218 Millionen. Die Wettbewerber in China konnten hingegen im selben Zeitraum im Schnitt um 4,5 Prozent zulegen. Mehrere Banken haben inzwischen den Vertrieb von Anbang-Produkten eingestellt. Sie verkaufen keine Lebensversicherungen und auch keine Fonds mehr. Doch genau damit finanziert Anbang sich.

Mitte Juni verschwand dann auch noch Firmengründer Wu Xiaohui. Wo er sich aufhält und was die Behörden ihm vorwerfen, ist nicht bekannt. Fest steht nur, dass er inzwischen sein Mandat als Chefaufseher des Unternehmens niedergelegt hat. Bis zu seinem Verschwinden fühlte Wu sich unangreifbar. Denn eine ungeschriebene Regel in China lautet: Familienmitglieder von jenen Kadern, die die Volksrepublik 1949 mitgegründet haben, müssen sich vor Verhaftungen und der Anti-Korruptionskampagne der Partei nicht fürchten. Wu ist mit einer Enkelin des Reformpatriarchen Deng Xiaoping verheiratet und gehört zum innersten Zirkel Chinas. Damit scheint es jedoch vorbei zu sein. Auch deshalb ist ein Griff nach der Allianz vorerst in weite Ferne gerückt.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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