Übernahme von Conti:Angriff aus der Provinz

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Mutig, aber ungewiss: Die Familie Schaeffler versucht, Conti zu kaufen - ein Unternehmen, das mehr als doppelt so viel Mitarbeiter hat und dreimal so viel Umsatz macht.

Marc Beise

Wer in diesen Wochen durch Deutschland fährt, stößt allenthalben auf einen überaus selbstbewussten und in sich ruhenden Mittelstand. Die Familienunternehmen haben die gute Weltkonjunktur genutzt. Sie haben produziert, geforscht, investiert - und gut verdient.

Die Kriegskassen sind voll, jetzt wandert der Blick durchs Land: Wo sind die Schnäppchen? Die gute Ausgangslage unterscheidet die großen Familienunternehmen von manchem börsennotiertem Konzern, der viel zu lange mit dem Umbau gewartet hat (Siemens) oder immer noch die Folgen früheren strategischen Missmanagements verarbeiten muss (Daimler) - oder mit geborgtem Geld das große Rad zu drehen versucht.

Es unterscheidet sie auch von der deutschen Bundesregierung, die die fetten Jahre nicht genutzt hat, sondern nur gespart hat, wo es nicht schwer fiel und schon stolz ist, in den kommenden Jahren vielleicht einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen - kaum aus eigener Kraft, sondern vor allem, weil die Steuereinnahmen so gesprudelt sind. Einzelne Bundesländer - wie Bayern und Baden-Württemberg - waren da vorausschauender; dort ist der ausgeglichene Haushalt schon geschafft und im übrigen der Mittelstand in bester Position. Es ist kein Zufall, dass viele mittelständische Erfolge in diesen Bundesländern spielen.

Spannender Kampf

Im Süden ist die Wirtschaft in guter Verfassung; dort sitzen viele der größeren deutschen Familienunternehmen. Im Norden dagegen gibt es gerade 14 Familienzentralen (Otto, Tschibo, Bauer), im Osten fast keine. Und es ist gewiss kein Zufall, dass mit der Schaeffler-Gruppe nun ein Unternehmen aus der bayerischen Provinz nach den Sternen greift.

Wohl nur wenigen Deutschen ist dieses Unternehmen aus dem fränkischen Herzogenaurach bekannt. Dabei gehört der Automobilzulieferer und Hersteller von Wälzlagern zu den großen deutschen Industrieunternehmen; ein weltweit agierender Verbund mit 66 000 Mitarbeitern an 180 Standorten in 50 Ländern und neun Milliarden Euro Jahresumsatz. Dass dieses Unternehmen nun den ungleich größeren Dax-30-Konzern Continental übernehmen will, ist mutig: Die Zielfirma hat mehr als doppelt so viel Mitarbeiter und dreimal so viel Umsatz.

Conti ist ein großer Spieler im Land, der beinahe täglich in der Berichterstattung vorkommt, an der Spitze ein hoch bezahlter Manager namens Manfred Wennemer, den das Manager Magazin erst 2004 zum "Manager des Jahres" ausgerufen hat. Tausende von großen und kleinen Aktionären beschäftigen sich mit Conti, jeder Analyst hat eine Meinung. Dieses Unternehmen einfach so zu kaufen, Anruf Freitag und dann zackzack - das wäre die ganz große Nummer.

Noch aber ist es nicht soweit, und der Kampf wird spannend. Hier der mit vielen Wassern gewaschene Manager Wennemer, dem lange vieles geglückt ist, bis er sich mit der Übernahme des Zuliefers VDO einen schweres Gewicht ans Bein gebunden hat. Seitdem ist der Kurs eingebrochen, das macht einen wie Wennemer verwundbar. Aktienkurse, das wäre das letzte, was den Schaefflers Gedanken macht - sie sind gar nicht erst an der Börse und würden Conti wohl auch von dieser nehmen. Bei Schaeffler zählt das Wort der Familie. Die Eigentümer Georg und Maria-Elisabeth machen sich in den Medien rar, die Pressestelle spielt eher gegen als mit den Journalisten.

Der angestellte Vorstandschef Jürgen Geissinger fügt sich in die Tradition des Familienunternehmens ein. Er kann warten - und aufschlagen, wenn die Zeit reif ist. Vor sieben Jahren hat er, ebenfalls eines Freitags, den Chef des Wälzlagerkonzerns FAG Kugelfischer angerufen und ihm mitgeteilt, dass dieser am Montag eine Übernahmeofferte auf dem Tisch ahben würde. Dieser hatte gegen das Barangebot keine Chance. Sieben Jahre später ist der Deal verdaut, nun komm der nächste an die Reihe.

Bargeld - das ist das Zauberwort. Wer Eigenkapital anhäuft statt sich auf die Banken zu verlassen, wer sauber Millionen auf Millionen setzt, statt sich über windige Finanzkonstruktionen reich "zu hebeln", schafft Werte auf Dauer - vielleicht bald auch in Hannover.

© SZ vom 15.7.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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