Überlegungen zur Mehrwertsteuer:Deutschland - Vorbild für Frankreich

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Empörung für die französische Opposition: Die Regierung Sarkozy erwägt, die Mehrwertsteuer drastisch anzuheben. Als Vorbild dient die geräuschlose Erhöhung in Deutschland.

Michael Kläsgen

Kurz vor der zweiten Runde der Parlamentswahlen an diesem Sonntag streiten Politiker und Ökonomen in Frankreich über die Erhöhung der Mehrwertsteuer nach deutschem Vorbild.

Auslöser ist eine Äußerung des von Staatspräsident Nicolas Sarkozy eingesetzten Regierungschefs François Fillon. Der sprach von der Überlegung der Regierung, die Mehrwertsteuer bis 2009 um fünf Prozentpunkte auf 24,6 Prozent zu erhöhen. Der Regierungschef wollte mit der Aussage im Wahlkampf punkten. Er sagte, es handele sich um eine "Steuer gegen die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland".

Tatsächlich bot Fillon der Sozialistischen Partei (PS), die am Sonntag eine herbe Niederlage fürchten muss, mit dem Vorstoß jedoch eine breite Angriffsfläche. Die Opposition brandmarkte die Steuer als weiteres Geschenk für die Unternehmer. Die Verbraucher müssten an deren Stelle die Kosten tragen.

"Geschenke für Reiche"

PS-Chef François Hollande und die gescheiterte Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal kritisierten, die Regierung wolle mit den Einnahmen die zuvor gemachten Steuergeschenke für Reiche bezahlen, nicht aber die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessern. Fillon entgegnete, es sollten keine Löcher gestopft werden. Falls sich bei der Prüfung der Auswirkungen herausstelle, dass sich die Kaufkraft der Bürger verringert, würde die Idee fallengelassen.

Im Prinzip prüft die Regierung, ob es sich lohnt, dem deutschen beziehungsweise dänischen Beispiel zu folgen. Danach sollen die zusätzlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer zur Senkung der Lohnnebenkosten der Arbeitgeber und zugunsten der Sozialversicherung eingesetzt werden.

"Deutschland saniert sich auf Kosten seiner Nachbarn"

Als Deutschland die Steuer Anfang des Jahres um drei Prozentpunkte erhöhte, wurde das in Frankreich vor allem unter dem Gesichtspunkt des Steuerwettbewerbs aufmerksam verfolgt. Der angesehene Ökonom Jean-Paul Fitoussi vom führenden Forschungsinstitut OFCE warf Deutschland vor, sich über die Abgabe auf Kosten seiner Nachbarn zu sanieren. Die Mehrwertsteuer wirke wie ein Zoll.

Frankreich will nun seinerseits den Mechanismus anwenden. Erhöht das Land die Steuer und verringert damit seine Arbeitskosten, verbilligen sich seine Produkte und Exportgüter. Einfuhren werden im Vergleich dazu teurer.

Die Forscher vom OFCE fügen allerdings hinzu, dass dieser positive Effekt für die Wettbewerbsfähigkeit nur eintritt, wenn Löhne und Gehälter nicht im gleichen Maße steigen, sondern möglichst stagnieren. Nur dann würde sich die Maßnahme wie eine Abwertung der Währung auswirken, sich die Lage der Unternehmen verbessern und der Standort insgesamt für Investoren attraktiver werden. Als Konsequenz könnten Unternehmen Arbeitsplätze schaffen.

Löhne und Gehälter sollen stagnieren

Steigen die Gehälter in gleichem Maße, bestehe das Risiko einer Inflation, die zu einem realen Kaufkraftverlust führen könnte. Der relativ starke, anhaltende Konsum der privaten Haushalte, eine der Säulen der französischen Konjunktur, wäre damit in Gefahr, wenden Kritiker ein.

Von der erforderlichen Lohnzurückhaltung will im Wahlkampf aber freilich keiner der Regierungspolitiker reden. Gegner der Maßnahme warnen Fillon zudem vor Fehlschlüssen. Deutschland sei diesbezüglich nicht mit Frankreich vergleichbar.

Beerdigung nicht ausgeschlossen

Einerseits sei die Mehrwertsteuer mit 19,6 Prozent in Frankreich schon hoch und andererseits sei der Binnenkonsum in Deutschland nicht das tragende Element des Wachstums, sondern der Export. Dem halten andere Ökonomen entgegen, die Mehrwertsteuer in Dänemark liege bei 25 Prozent und die Arbeitslosenquote befinde sich gleichzeitig auf einem Tief, von dem Frankreich nur träumen könne.

Im Juli will die Regierung einen Bericht über die möglichen Auswirkungen der Erhöhung vorlegen. Angesichts des Widerstands, den Fillons Äußerung hervorrief, ist nicht ausgeschlossen, dass die Idee dann begraben wird. Für den Wahlkampf eignen sich manchmal auch richtige Gedanken nicht.

© SZ vom 15.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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