Trotz Börseneinbruch:Profis hoffen auf neuen Kursanstieg

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Nach dem Traumstart in dieses Jahr hätte es für den deutschen Leitindex Dax kaum besser laufen können. Doch dann schien sich die alte Bauernregel zu bestätigen, nach der der Monat Mai ein schlechter Börsenmonat ist. Manche Profis trauen dem Dax aber immer noch viel zu.

Thomas Öchsner

Eine vielzitierte Börsenweisheit besagt: "Sell in May and go away." Der Mai gilt bei Aktionären als Verkaufsmonat, um Gewinne vor den traditionell schwachen Sommermonaten zu sichern.

Handelssaal der Deutschen Börse in Frankfurt. (Foto: Foto: dpa)

Die historische Statistik ergibt jedoch ein anderes Bild: Nach Berechnungen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) waren seit Einführung des Dax im Jahre 1988 der August und der September mit einem Minus von durchschnittlich 2,4 beziehungsweise 4,3 Prozent die schlechtesten Börsenmonate.

Im Mai verbesserten sich die Kurse dagegen um 1,1 Prozent, das ist sogar etwas mehr als der Monatsdurchschnitt von 0,99 Prozent.

Verluste im Wonnemonat

In diesem Jahr scheint die Mai-Bauernregel der Börsianer allerdings zuzutreffen: Vom Jahresanfang bis Dienstag vor einer Woche legte der Dax fast 14 Prozent zu. Seitdem hat er aber etwa acht Prozent oder rund 450 Punkte verloren.

Noch sprunghafter war die Entwicklung bei den Nebenwerte-Indizes: Der MDax für die 50 wichtigsten Werte unterhalb des Dax gewann zunächst gut 25 Prozent, gab in den vergangenen sieben Handelstagen aber mehr als 12 Prozent ab.

Der Mai ist damit bislang der Verlustmonat des Jahres. Trotzdem konnten Anleger, die auf deutsche Aktien setzten, unter dem Strich Gewinne erzielen: Immerhin verbesserten sich Dax und MDax seit Anfang des Jahres um mehr als vier beziehungsweise um fast zwölf Prozent.

Dieser Trend spiegelt sich auch in den Aktienfonds wider, die überwiegend in deutsche Dividendenpapiere investieren. Von den 15 besten in dieser Kategorie haben fast alle Wertzuwächse von mehr als 20 Prozent in den vergangenen sechs Monaten erzielt.

Viele konnten dabei den Dax schlagen - wie etwa Heidrun Heutzenröder, Managerin des ältesten deutschen Aktienfonds, des Fondak vom Fondsanbieter Cominvest (Tabelle). Dies gelang ihr vor allem durch die Beimischung von Nebenwerten. Knapp 35 Prozent des eingesammelten Anlegergelds hat Heutzenröder in MDax- und SDax-Werte gesteckt, wie etwa K & S, Fresenius oder Puma.

Glimpflich davon gekommen

Im Mai verzeichneten die Fonds natürlich genauso wie die Indizes aus der Dax-Familie Abschläge. Beim Fondak sind sie aber bisher mit einem Minus von knapp drei Prozent deutlich geringer als beim Dax, der in diesem Monat bereits fast sechs Prozent abgab.

Die Fondsmanagerin profitiert davon, dass sie bereits vor dem Kurssturz in den vergangenen Tagen den Anteil der kleinen und mittleren Werte im Fondak deutlich reduziert hat. Vor etwa einem Jahr waren noch 60 Prozent des Fondsvolumens in solche Papiere investiert.

Renditenvergleich deutscher Aktienfonds. (Foto: Tabelle: Süddeutsche Zeitung)

Den Kurseinbruch führt Heutzenröder auf die Dollar-Schwäche zurück und den anhaltend hohen Ölpreis, die die Inflationsangst und die Furcht vor Zinssteigerungen schürten. Dass die Nebenwerte im MDax stärker nachgegeben haben, ist für die Fondsmanagerin nicht überraschend: "Nach den hohen Wertsteigerungen werden bei solchen Titeln jetzt Gewinne mitgenommen."

Vergleichsweise günstig bewertet

Trotzdem bleibt sie zuversichtlich. Bis Jahresende rechnet Heutzenröder mit wieder steigenden Kursen, ohne eine konkrete Prognose für den Dax abzugeben. Die Fondsmanagerin begründet ihren Optimismus unter anderem mit dem im internationalen Vergleich nach wie vor günstigen Bewertungsniveau der deutschen Standardtitel und der anziehenden Konjunktur.

Ähnlich sieht es ihr Kollege Henning Gebhardt, der die Fonds DWS Aktien Strategie Deutschland und den DWS Select Invest (Tabelle) managt. Gebhardt erinnert daran, dass die Börsianer gern in guten Tagen die schlechten Nachrichten und in schlechten Tagen die guten ausblenden.

Dieser Herdentrieb sei auch jetzt wieder zu beobachten: "Im Grunde waren die negativen Faktoren schon lange bekannt. Nur hat vor zwei Wochen noch keiner so genau hingeschaut", sagt der DWS-Fondsmanager.

Veränderter Blickwinkel

Jetzt aber habe sich plötzlich der Blickwinkel geändert. "Die Anleger fragen sich wieder, wie es mit der Inflation weitergeht und ob es noch zu weiteren Zinserhöhungen kommt, die auf die Gewinnerwartungen der Unternehmen drücken könnten."

Gebhardt räumt aber ein, dass er - wohl wie viele andere Profianleger auch - vom Zeitpunkt und von der Heftigkeit des Kurseinbruchs überrascht wurde. Viele institutionelle Anleger seien zuletzt etwas sorglos gewesen.

Hedgefonds, Handelsabteilungen von Banken und Investmentfonds hätten auf eine ähnliche Strategie gesetzt und verstärkt Nebenwerte gekauft. "Jetzt halten sie auf einmal das Risiko für zu hoch und steigen aus diesen Titeln wieder aus", sagt der Fondsmanager.

Dennoch zeigt sich die DWS weiter optimistisch. Anfang vergangener Woche hatte der Geschäftsführer der größten deutschen Fondsgesellschaft, Klaus Kaldemorgen, noch verkündet, bis zum Jahresende sei beim Dax ein Plus von zehn bis 15 Prozent drin. Das war noch vor dem Kurssturz.

Steile Prognose

Nach Angaben von Gebhardt gilt diese Aussage weiter, sofern sich an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nichts Dramatisches ändert. Behielte Kaldemorgen Recht, könnte der Dax demnach auf mehr als 6800 Punkte klettern.

© SZ vom 19.05.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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