Treffen der Spitzenmanager in Davos:Getriebene Manager

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Sie verdienen Millionen und logieren in bester Lage. Topmanager erleben die Welt aus einer besonderen Perspektive. Doch mit dem Einfluss wächst auch die Verantwortung.

Marc Beise

Wer bis an die Spitze eines Unternehmens vorgestoßen ist, hat es nach allgemeiner Auffassung geschafft: Höher geht es nicht.

Erleben die Welt oft aus einer anderen Perspektive: Spitzenmanager, die sich in Davos mit Gleichgesinnten austauschen können. (Foto: Foto: Reuters)

Dort oben freilich ist die Luft dünn, heute mehr denn je. Der Manager von heute ist ein Getriebener. Nicht nur befindet er sich im Dauerstress, und es nagt - nimmt er seine Aufgabe ernst - die Verantwortung für Milliardenumsätze und Zehntausende Arbeitsplätzen an ihm.

Handelt es sich um ein börsennotiertes Unternehmen, sitzen dem Vorstandschef die Investoren im Nacken - und die Medien, die ihrer Informationspflicht so umfassend und kompromisslos wie nie zuvor gerecht werden. Der kleinste Fehler in der Öffentlichkeit kann sich rächen und das Image des Konzerns empfindlich beschädigen.

Zeiten haben sich geändert

Früher war das anders. Zumal in Deutschland, wo im bequemen Zeitalter des Korporatismus die Konzernchefs des Landes vielfach vergleichsweise ungestört von äußeren Einflüssen blieben.

Was nur deshalb meist auch zum Vorteil des Unternehmens gereichte, weil die Welt noch stark segmentiert war und der globale Wettbewerb die mächtigen Wirtschaftsnationen kaum im eigenen Land behelligte. Seitdem aber moderne Kommunikation und Logistik den totalen Austausch ermöglichen und die Welt ein Dorf ist, fegt der raue Wind der Veränderung auch durch die Topetagen.

Vergleichsweise idyllisch war einst auch das unmittelbare Umfeld des Managers, das Verhältnis zu Aufsichts- und Betriebsrat, zu Banken und Aktionären. Man kannte sich, man arrangierte sich, man bediente sich - aber in Maßen. Es waren deutsche Topmanager selbst, die diese Ruhe aufkündigten - zum Beispiel bei der Frage ihrer Gehälter.

Einkünfte wie in den USA

Spitzeneinkünfte fast wie in den Vereinigten Staaten von Amerika reklamierte der eine oder andere, und dann immer mehr: Die Welt war ja vergleichbar geworden. Gehaltsverdoppelungen, Leistungskomponente obendrauf, Aktienoptionen - wer sich nicht bediente, war ganz schön dumm.

Unglücklicherweise nahm das Gros der Konzernlenker den richtig großen Schluck aus der Pulle just in einer Phase, da erst der Börsenboom und dann der Aufschwung abflaute. Die üppigen Gehaltserhöhungen trafen mit Nullrunden der Belegschaften zusammen, mit Abbau von Sozialleistungen und nicht selten auch mit Verlust des Arbeitsplatzes.

Hinzu kamen Missmanagement oder auch nur wachsender Geschäftsdruck: Deutsche Wertarbeit verkauft sich eben nicht mehr von allein, und schon gar nicht mit erhobener Nase. Weil aber Anspruch und Wirklichkeit auseinanderfallen, wird zunehmend auch die ethische Integrität in Frage gestellt. Ein Manager in Deutschland zu sein, gilt in der Öffentlichkeit manchmal sogar schon als ehrenrührig.

Das ist eine verhängnisvolle Entwicklung auch deshalb, weil sich zugleich das gewohnte Arbeitsumfeld insgesamt ändert. Die alten Hierarchien zerbröseln. Nur noch befehlen, das geht kaum noch. "Ich muss heute die doppelte Zeit aufwenden für das, was ich früher schneller und autoritärer gemacht habe", sagt Netzwerker Schwab.

Auch gegenüber dem Kunden hilft die alte Überheblichkeit nicht mehr weiter. Allein mit schicker Werbung gewinnt man keinen Käufer mehr. Wie auch der Spitzenmanager zunehmend lernen muss, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, ob ihm das passt oder nicht. Vom Einfluss der Großaktionäre und der Investoren ganz zu schweigen; die Liste der vorzeitig abgelösten Chefs wird täglich länger.

Kein Zweifel: Die Machtbasis verändert sich. Wer mit all diesen Veränderungen nicht zurechtkommt, der verliert die Fähigkeit, Wirkung ausüben zu können. Das ist schlecht für das Unternehmen, von dessen Wohl so viele abhängen: Mitarbeiter, Eigentümer, Zulieferer, womöglich eine ganze Branche oder ein ganzer Landstrich.

Erfahrungsaustausch an der Hotelbar

In Davos haben die Spitzenmanager aus aller Welt Gelegenheit, über ihre Strategiepapiere und Geschäftskennzahlen hinauszublicken. Sie können sich sozusagen gesellschaftspolitisch aufladen. Davos kann für sie das sein, was für den Mitarbeiter im Betrieb die Kaffeeküche bedeutet, die dazu beitragen kann, der sozialen Verarmung entgegenzuwirken.

Von besonderem Reiz beim Weltwirtschaftsforum ist der Meinungsaustausch zwischen Wirtschaft und Politik. Es erstaunt immer wieder, wie wenig Unternehmensführer von der Politik und ihren Mechanismen verstehen, und damit auch von gesellschaftlichen Fragen. Auch hier steht ein Umdenken bevor. Früher, in den Zeiten alter unternehmerischer Herrlichkeit, blickten die Konzernchefs aus ihren Chefetagen belustigt auf die Spitzenpolitiker - heute sollten sie das besser bleiben lassen.

Geschätzte Angela Merkel

Interessanterweise wächst, wenn die Anzeichen nicht trügen, namentlich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in eine Vorbildrolle hinein. Die erste deutsche Regierungschefin macht - wie auch immer man zu ihrer großkoalitionär gebremsten Wirtschaftspolitik stehen mag - auf internationaler Bühne Eindruck. Sie besticht die Mächtigen der Wirtschaft am Rednerpult ebenso wie in kleiner Runde.

Diese Frau, das spüren die Herren, hat die Bodenhaftung nicht verloren. Sie kann kommunizieren, ohne sich anzubiedern. Sie ist authentisch. Merkel, die auch in diesem Jahr das Weltwirtschaftsforum eröffnen wird, braucht den Dialog mit den Managern weniger, als die Manager den Dialog mit ihr. Am kommenden Donnerstag ist Gelegenheit dazu.

© SZ vom 18.01.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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