Transportwesen:Druck im Truck

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Lange Staus wie hier auf der A11 machen Lastwagenfahrern das Leben schwer. Aber auch sonst müssen viele Probleme bewältigt werden. (Foto: Stefan Sauer/dpa)

Lkw-Fahrer klagen über schlechte Arbeitsbedingungen - und drohen jetzt sogar mit Streiks.

Von Markus Balser, Berlin

In seinem Führerhaus hat Thorsten schon zu normalen Zeiten so einiges erlebt. Die vergangenen Tage aber hätten das alles noch getoppt, sagt der 49-Jährige. Seinen Nachnamen, die Firmen, die genaue Fracht: Das alles will er lieber nicht in der Zeitung lesen. Die Umstände seiner Arbeit aber gehörten sehr wohl in die Öffentlichkeit, findet er. Für eine Spedition bringt der Lkw-Fahrer Güter von Raffinerien zu den Abnehmern. Dort würden gerade überall Duschen und Toiletten für Fahrer gesperrt - Lieferanten würden in den Firmen als Infektionsrisiko gesehen. Gesperrte Duschen, ungeputzte Toiletten: Auf den Autobahnparkplätzen sehe es nicht besser aus. Und das gerade jetzt, wo doch Hygiene noch mehr zählen müsse, nicht weniger.

Die Bundesregierung ist angesichts solcher Berichte alarmiert. Es hat sich auch in den zuständigen Ministerium herumgesprochen, dass sich in der Corona-Krise die Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer gerade deutlich verschlechtern und sich deshalb im Fahrerlager so einiges zusammenbraut. Er habe die Nachricht von Verbänden bekommen, dass einige hundert Fahrer streiken könnten, sagt etwa Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Brummi-Fahrer würden mancherorts tatsächlich nicht so behandelt, wie es sein sollte, klagt auch der Minister. Es gebe etwa an Logistikzentren problematische Zustände. Er wolle sich in den nächsten Tagen die Arbeitsbedingungen genauer ansehen, kündigt Scheuer an.

Gewerkschaften schlagen schon jetzt Alarm. So mahnt die europäische Transportarbeitergewerkschaft ETF rasche Besserung an. "Die Situation der Fahrer ist eine Krise in der Krise", hieß es in einer aktuellen Erklärung. Die Fahrer hielten Europa mit dem Transport lebenswichtiger Güter am Laufen und riskierten an der Front ihre Gesundheit. Die Gewerkschaften erreichten dramatische Beschwerden der Fahrer, heißt es in dem Papier weiter. Ein Streik des Transportpersonals könne angesichts der prekären Situation nicht ausgeschlossen werden, schlussfolgert man auch in der ETF-Zentrale. Ausgerechnet jetzt, wo es auf die Branche ankommt, wie lange nicht.

In Deutschland arbeiten etwa 470 000 Lkw-Fahrer, die Hälfte davon kommt aus dem Ausland

Für Fahrer wird zum Problem, dass etwa Raststätten geschlossen sind. "Das dringendste Problem ist derzeit die Versorgung an den Autobahnen", sagt Stefan Thyroke, Verdi-Bundesfachgruppenleiter für Speditionen und Logistik. "Die Sanitäranlagen, die für Fahrer eine wichtige Bedeutung haben, werden zum Teil nicht mehr gereinigt", so Thyroke. Viele Logistikzentren hätten zudem Zugänge für Fahrer gesperrt. Ausländische Fahrer hätten zudem enorme Probleme, überhaupt an ihren Arbeitsplatz zu kommen. Sie steckten stundenlang in Staus an den Grenzen fest oder müssten nach der Rückkehr in ihr Heimatland erst mal in längere Quarantäne. In Deutschland arbeiten laut Verdi 470 000 Lkw-Fahrer, die Hälfte davon kommt aus dem Ausland.

Zwar haben auch Gewerkschaften dafür Verständnis, dass die Politik derzeit die Arbeitsbedingungen der Fahrer verändert. So wurde etwa das Sonntagsfahrverbot vorübergehend gekippt. Auch bei Verdi hält man das für sinnvoll. Dass aber mehrere Länder, auch Deutschland, mit dem Segen der Europäischen Kommission ermöglichen, Lenkzeiten für Fahrer zu verlängern, stößt auf Kritik. Schon jetzt würden die Fahrer durchschnittlich 48 Stunden pro Woche arbeiten, warnt Verdi-Fachgruppenleiter Thyroke. Längere Lenkzeiten könnten die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. Sie seien auch nicht unbedingt nötig. Denn währende manche Unternehmen etwa in der Lebensmittelbranche viel transportieren müssten, gebe es etwa in der Autobranche wegen unterbrochener Lieferketten weniger zu tun. Die Arbeit müsse gut verteilt werden, fordert Thyroke.

Die Corona-Krise verschärft in diesen Tagen die ohnehin angespannte Lage im deutschen Transportsektor. Schon seit Monaten klagen die Unternehmen, dass immer weniger Menschen am Steuer eines Lastwagens sitzen wollen. Bundesweit fehlen laut Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung 60 000 Mitarbeiter. Die Gewerkschaft Verdi geht sogar von 90 000 unbesetzten Stellen aus. Statt weniger würden eigentlich immer mehr Fahrer gebraucht, hieß es zuletzt aus dem BGL-Vorstand - auch wegen des steigenden Frachtaufkommen aus dem Online-Handel. Für Frust im Fahrerlager sorgt auch die schlechte Bezahlung. Nach Angaben von Verdi verdienen Lastwagenfahrer in Deutschland derzeit zwischen 1900 und 3500 Euro brutto im Monat.

Die Industrie hofft, dass die Bundesregierung auf höchster Ebene aktiv wird und fordert vor allem Erleichterungen für den grenzüberschreitenden Verkehr. "Mit einem Sofortmaßnahmen-Paket kann die deutsche Politik Schadensbegrenzung betreiben", sagt etwa Holger Lösch, der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer. "Erst wenn die zentralen Verkehrsadern weiterhin grenzüberschreitend passierbar sind, werden Wirtschaftsabläufe und Arbeitsplätze gesichert." Grenzkontrollen seien jedenfalls so zu organisieren, dass keine massiven Verzögerungen für unverzichtbares Fahrpersonal entstehe.

© SZ vom 31.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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