Tourismus:Flaute in Paris

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Wenig Grund zum Feiern am Eiffelturm: "Im Moment kommt einfach alles zusammen", sagt ein Tourismus-Fachmann in Paris. (Foto: Ludovic Marin/AFP)

Urlauber aus aller Welt meiden Frankreich, weil sie Angst vor Anschlägen haben. Auch die Fußball-EM kann die Bilanz nicht retten. Viele reisen lieber nach Italien oder Spanien. Dabei gilt Frankreich weiter als sicheres Land - und es gibt dort günstige Angebote.

Von Peter Eßer, München

In Spanien und Italien boomt der Tourismus, weil andere Mittelmeerländer den Besuchern zu gefährlich sind. Neben der Türkei und den nordafrikanischen Ländern reiht sich ein weiterer Verlierer dieser Entwicklung ein: Frankreich. Bernabò Bocca, Präsident des italienischen Hotelverbandes Federalberg, formuliert es so: "Ich möchte weder zynisch sein noch mich über das Unglück anderer freuen, aber die Terroranschläge im Rest Europas und die weltweite Unsicherheit bringen uns viele Touristen." Besonders der französischen Hauptstadt, die sich gerne mit dem Attribut "beliebtestes Reiseziel der Welt" schmückt, bleiben viele momentan fern.

Von der Fußball-Europameisterschaft konnte die Tourismusbranche in Paris nicht profitieren. Im Juni 2016 war eine Art Verdrängungseffekt zu spüren: Die Fußballfans hielten andere Besucher fern. Die Hotelauslastung ging im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent zurück. Darin setzte sich ein Trend fort, den Thomas Deschamps vom Tourismusbüros in Paris auf den Terrorismus zurückführt: "Innerhalb der ersten sechs Monate des Jahres ist die Anzahl der Übernachtungen ausländischer Gäste wegen der Terrorangst um zehn Prozent gesunken." Und schon in den Monaten November und Dezember 2015 besuchten im Vergleich zum Vorjahr 12,9 Prozent weniger Menschen Paris.

Schon im Frühjahr 2015, nach den Anschlägen im Januar, war der Fremdenverkehr in der Hauptstadt stark zurückgegangen. Die Sommermonate waren dann jedoch äußerst erfolgreich. Insbesondere zahlungsstarke Reisende aus China zog es nach Paris. Und genau die bleiben nun weg - dauerhaft, wie es scheint. "Wir wissen aus Erfahrung, dass medial transportierte Unsicherheit die Wahl des Reiseziels asiatischer Touristen besonders beeinflusst", sagt Deschamps. Außerdem gab das US-amerikanische Außenministerium im Mai 2016 eine Reisewarnung für ganz Europa heraus. In Paris sind amerikanische Touristen die größte Gruppe.

Hinzu kommen weitere Faktoren. Über Streiks bei Transportunternehmen und in Ölraffinerien, die teils erhebliche Auswirkungen auf Bahn-, Flug- und Autoverkehr hatten, wurde in der ganzen Welt berichtet. Auch das Hochwasser der Seine vor einigen Wochen wirkte sich negativ auf das Image der Stadt aus. Das schwache Pfund hält Briten, der niedrige Ölpreis Russen und Brasilianer fern. "Im Moment kommt einfach alles zusammen", so Deschamps.

Der Negativtrend schien bereits beendet. Im Juni stiegen die Zahlen der Buchungen von Flugreisen aus den USA nach Paris zunächst wieder: In der letzten Juniwoche wurden 14 Prozent mehr Buchungen verzeichnet als im Vorjahr. Doch dann passierte das nächste Attentat, dieses Mal in Nizza an der Côte d'Azur, der zweitwichtigsten Tourismusregion des Landes. "Die zahlungsstarke Klientel aus den USA und Asien hat darauf reagiert. Das haben wir auch in Paris gemerkt", klagt Deschamps. In der letzten Juliwoche reisten infolge des Anschlags 19,2 Prozent weniger Passagiere aus den USA in die französische Hauptstadt als noch 2015.

Aktuelle Zahlen über ausbleibende Touristen an der Côte d'Azur liegen noch nicht vor. Unmittelbar nach dem Attentat wurde aber von ausländischen Gästen berichtet, die in Scharen abreisten - besonders Chinesen, Amerikaner, Russen und Araber aus Luxushotels wie dem Negresco. Zu Stornierungen und ausbleibenden neuen Buchungen wollte sich der SZ gegenüber kein Hotelier äußern. Es herrscht die Furcht, dass die Tourismus-Flaute der Hauptstadt sich ausbreiten könnte.

Einer der wenigen Lichtblicke: Der Geschäftstourismus scheint zusammen mit der französischen Wirtschaft wieder langsam zu wachsen. Die Zahl der Geschäftsreisenden, die zwischen Januar und Mai 2016 in Paris unterkamen, stieg deutlich an. Das hilft an der Mittelmeerküste aber kaum jemandem. Hier zieht es fast ausschließlich Freizeittouristen hin.

Die Statistik allerdings zeigt: Frankreich gehört weiterhin zu den sichersten Reisezielen der Welt. Man könnte es auch so sehen: Vielleicht ist gerade jetzt der richtige Moment hinzufahren - es gibt viele günstige Angebote

© SZ vom 12.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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