Todesurteil für Unternehmerin:Gnadenlos im Namen der Partei

Lesezeit: 2 min

Die chinesische Unternehmerin Wu Ying hat Kunden und Geschäftspartner um Millionen betrogen, das gibt sie selbst zu. Sie war kooperativ und hat die Namen anderer Schurken genannt - trotzdem wurde sie nun zum Tode verurteilt. Kritiker sagen: Wu muss sterben, damit Mittäter in der Partei geschützt werden.

Marcel Grzanna

Die Tage der wohlhabenden Unternehmerin Wu Ying sind gezählt. Die 30-Jährige hatte gehofft, dass sich die Richter in zweiter Instanz gnädig erweisen und ihr das Leben schenken würden. Schließlich hatte China vor einer Weile schon angekündigt, Wirtschaftsverbrechen künftig nicht mehr so hart bestrafen zu wollen. Wu Ying wäre ein gutes Exempel gewesen für den neuen Wind in der chinesischen Justiz. Doch die junge Frau, die mit 26 Jahren bereits ein Vermögen von mehreren hundert Millionen Euro erwirtschaftet hatte, bleibt trotz aller Reformversprechen dem Tode geweiht. Der Gerichtshof der ostchinesischen Provinz Zhejiang bestätigte das Urteil aus dem Jahr 2009: Wu muss sterben, weil sie private Investoren betrogen und viel Geld veruntreut hat. Die Entscheidung des Gerichts löste eine Diskussion im Internet aus. Viele Kommentatoren zeigten sich enttäuscht und ernüchtert von dem Urteil, zumal Wu sich während der Untersuchungshaft kooperativ gezeigt hatte. Sie gestand ihre Taten und gab Namen preis von Mitwissern und Mittätern, die sich ebenfalls schuldig gemacht haben. Auf illegale Weise hatte Wu 770 Millionen Yuan, umgerechnet heute fast 95 Millionen Euro, durch private Kanäle eingesammelt und den Investoren Zinsen in Höhe von bis zu zehn Prozent versprochen. Offenbar nutzte sie große Teile des Geldes jedoch zu privaten Zwecken. Die breite Masse jedoch empfindet die Todesstrafe als zu hart. In ähnlichen Fällen sind in der jüngsten Vergangenheit korrupte Beamte mit dem Leben davongekommen. Deshalb wird spekuliert, dass Wu sterben muss, um weitere hochrangige Mittäter aus Funktionärskreisen vor einer möglichen öffentlichen Enthüllung ihrer Identität zu bewahren. "Ihr Tod wird eine ganze Reihe von Offiziellen vor der Todesstrafe bewahren, damit die ein ruhiges und friedliches Neujahrsfest feiern können", schrieb der Wirtschaftsexperte Ma Guangyuan zynisch in seinem Blog. Der Fall beleuchtet gleichzeitig die Problematik privater Unternehmer in China, die es schwer haben, an Kapital für Investitionen zu kommen. Der Staat hält sein Monopol auf den Banken- und Finanzsektor des Landes. Kredite vergeben die Geldinstitute mit Vorliebe an staatliche Unternehmen. Private Firmen klagen indes über unüberwindliche Hürden, die ihnen vor einer Kreditvergabe in den Weg gestellt werden. Etliche Unternehmer wenden sich deshalb an illegale Untergrundbanken, die für horrende Zinsen Kapital zu Verfügung stellen. Das Volumen dieses Schwarzverleihs summiert sich inzwischen auf einen Betrag in Höhe von mehreren hundert Milliarden Euro. "Wu Yings Tod macht kleinen und privaten Unternehmen ihre Position im Lande klar: Sie sollten besser nicht mit staatseigenen Firmen um Kredite ringen", schreibt Blogger Ma. Wu Ying eröffnete 1997 als Teenager ihren ersten eigenen Schönheitssalon. Sie expandierte schnell und begann ihre Investitionen auf andere Geschäftsfelder auszubauen. Ihre Bense Holding Group betrieb Mitte des vergangenen Jahrzehnts neben Spas auch Hotels, ein Einkaufszentrum, einen Baumarkt, mehrere Cafés und einen Autoservice. Im Jahr 2006 sorgte sie als 25-Jährige mit Investitionen in Höhe von 300 Millionen Yuan, damals etwas weniger als 30 Millionen Euro, binnen drei Monaten für landesweites Aufsehen. In der Liste der reichsten Frauen Chinas schaffte es die junge Unternehmerin bis auf den sechsten Platz. Im Jahr 2007 endete der steile Aufstieg mit ihrer Festnahme und der folgenden Anklage wegen Betrugs. Das Todesurteil wurde im Dezember 2009 gefällt. Nach der Bestätigung durch das Gericht in Zhejiang ist eine mögliche Revision vor dem Obersten Gerichtshof Chinas nun die vermutlich letzte Chance für Wu Ying.

© SZ vom 04.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: