Tobin-Steuer:Die SPD will an die Börse

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Altes Thema neu entdeckt: Die SPD zieht mit der Forderung nach einer Börsenumsatzsteuer in den Wahlkampf. Mit den Einnahmen könnten Abgabensenkungen finanziert werden.

Claus Hulverscheidt

Es gibt Mythen, die zählen schon so lange zum Inventar der politischen Linken, dass sich selbst deren Aktivisten nur noch dunkel daran erinnern. Die Idee einer sogenannten Tobin-Steuer ist ein solcher Mythos, der sogar zur Gründung des weltumspannenden Netzwerks Attac führte. Dass der Name des Bündnisses zugleich ein Schlachtruf ist, war dabei nämlich nur ein willkommener Nebeneffekt. Ursprünglich war Attac die französische Abkürzung der "Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger". Weil der Widerstand der Industrieländer gegen eine globale Strafsteuer für Devisen-Spekulanten aber beinhart war, verlagerte sich Attac über die Jahre immer stärker auf andere globalisierungskritische Themen.

Alles für den Wahlkampf: Im Rennen um die Stimmen sind nicht nur Kugelschreiber und Streichhölzer im SPD-Style gefragt, sondern vor allem öffentlichkeitswirksame Themen. (Foto: Foto: ddp)

Vielleicht war das zu früh, denn zumindest in Deutschland kommen nun ausgerechnet aus der größten Trutzburg seltsame Signale. Welches Parteibuch der Bundesfinanzminister in den letzten 15 Jahren auch hatte, stets hieß es, die Idee der Tobin-Steuer sei untauglich, ungerecht und undurchführbar. Das galt auch für den amtierenden Ressortchef Peer Steinbrück - bis ihn der stellvertretende SPD-Vorsitzende Steinbrück überzeugte, dass die Forderung nach einer Börsenumsatzsteuer ein echter Wahlkampfschlager werden könnte. Und so ist sich die Parteiführung einig, dass man CDU und CSU in den Wahlauseinandersetzungen dieses Jahres genau damit traktieren will.

Günstige Gelegenheit

Zupass kommt den Sozialdemokraten dabei ausgerechnet die Finanzkrise, die bei vielen Bürgern den Eindruck hinterlassen hat, dass der Staat Spekulanten erst ermutigt hat und ihnen jetzt auch noch mit Steuergeldern aus der Patsche hilft. Dass Banker den Staat zu Hilfe rufen, zugleich aber völlig ungerührt weiterhin Bonuszahlungen in Millionenhöhe kassieren, passt da ins Bild. Mit einer Börsenumsatzsteuer, die den Spekulanten einen Teil ihrer Gewinne abknöpfen würde, so nun die Idee der Sozialdemokraten, ließe sich dieses Bild korrigieren.

Das gilt umso mehr, als Union und FDP nach dem Kalkül der SPD nicht auf den Zug aufspringen könnten. Es gab nämlich hierzulande schon einmal eine Form der Börsenumsatzsteuer. Sie wurde 1990 von der damaligen schwarz-gelben Koalition abgeschafft, weil sie nicht in deren Bild freier Finanzmärkte passte. Hinzu kommt: Würden tatsächlich alle Börsengeschäfte mit einem Satz von 0,5 Prozent belegt, brächte das dem Bund jährliche Mehreinnahmen von fünf bis zehn Milliarden Euro. Damit ließen sich trefflich die Steuer- und Abgabensenkungen für Gering- und Durchschnittsverdiener bezahlen, die die SPD ebenfalls in ihr Wahlprogramm schreiben will.

Nicht einmal den Vorwurf, den Finanzplatz Deutschland zu beschädigen, müssten sich die Sozialdemokraten gefallen lassen. Schließlich gibt es selbst in der Heimat des Kapitalismus, in Großbritannien und den USA, eine Börsenumsatzsteuer. Allerdings hat die jüngere Vergangenheit gerade dieser beiden Länder gezeigt, dass das Instrument kaum zur Bekämpfung des Spekulantentums taugt - jedenfalls dann nicht, wenn wie in London gerade die abenteuerlichsten Produkte von der Steuer ausgenommen sind. Auf der anderen Seite darf es der Staat auch nicht übertreiben: Als sich etwa Schweden einst für die Steuer entschied, kam der Handel mit Staatsanleihen und Derivaten fast vollständig zum Erliegen - er wanderte einfach nach London ab.

Steinbrück können solche Feinheiten vorerst egal sein: Er will die Börsensteuer ja nicht einführen. Er will ja nur Wahlkampf machen.

© SZ vom 12.02.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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